Im Westen nichts Neues
Nordrhein-Westfalen: Die PDS und ihre Probleme mit einer unbequemen Funktionärin, die mit der Partei abrechnet
Von Gero Brandes
Aus aktuellem Anlass stelle ich diesen Artikel ein, der in der Jungen Freiheit erschien. Die hierin zum Teil geschilderten Ereignisse aus der neostalinistischen West-PDS, in der dogmatische Kommunisten, K-Gruppen-Leute oder Ex-Nazis bzw. rotlackierte Faschisten schon immer gut unterkamen, werde ich - sobald als möglich - noch genauer aufarbeiten. Der Countdown bis zur Wahl läuft ab….jetzt!
Kamen, eine beschauliche westfälische Kleinstadt, im Sommer 1999. Bei der Kandidatenkür der Kreis-PDS für die Kreistagswahlen eskaliert die Stimmung: Erst fliegen die Stühle, später wird eine Frau von der Polizei abgeführt. Ihr Name: Tanja Krienen. Was war passiert?
Tanja Krienen gehörte zu denjenigen, die sich um eine Befreiung der PDS aus ihrem kommunistischen Korsett bemühte. 1957 in Hagen geboren, war sie eine von jenen politisch interessierten Jugendlichen, die Anfang der siebziger Jahre von der Politik Willy Brandts euphorisiert waren. Doch schon bald muße sie bemerken, daß die Sozialdemokraten nicht mehr ihren politischen Vorstellungen entsprachen und so trat sie der DKP bei. Hier wurde sie sie mit dem Weltbild des dogmatischen Kommunismus konfrontiert, das ihr auch später in der PDS schwer zu schaffen machte. So wollte ihr ganz und gar nicht in den Sinn, Atomenergie im Westen zu kritisieren, die “in der DDR aber wer weiß was tolles sei und dem Fortschritt diene”. Diese Fortschritte nebst der mangelnden innerparteilichen Demokratie waren es, die Tanja Krienen dazu bewogen, die Partei 1982 zu verlassen. Später schloß sie sich der Partei der “Demokratischen Sozialisten” an, eine Partei der aus der SPD ausgeschlossenen Bundestagsabgeordneten Hansen und Coppik.
Mehr als anderthalb Jahre danach, als die PDS versuchte, im westfälischen Unna und dessen Umgebung Fuß zu fassen, engagierte sich auch Tanja Krienen aktiv bei den Salonkommunisten. Sie wurde zur Kreissprecherin gewählten und verkaufte die Unnaer PDS in Radio und Presse als “pluralistische, bunte” Truppe. Doch wie weit die Buntheit einer bunten Truppe gehen kann, hat sie in der PDS schmerzhaft erfahren: Sei es die dogmatische Borniertheit der in Westdeutschland besonders starken Kommunistischen Plattform (KPF) oder einfach nur das intellektuelle Unvermögen der Parteifunktionäre; immer wieder stieß Tanja Krienen mit Äußerungen (”Wir werden von den Leuten nicht gewählt, um Fundamentalopposition, sondern um Politik zu machen!”) oder mit ihrer Vorliebe für die Musik Wolf Biermanns auf Unverständnis bei den eigenen Genossen. Sie kritisierte die “kritiklose Unterstützung der PKK durch die PDS” und sah stalinistische und nationalbolschewistische Strömungen wachsen. Als den Parteifunktionären der Kragen platzte, versuchten sie, die Querdenkerin aus der Partei zu mobben. Schließlich trat Krienen freiwillig aus (”Stalins Erben säubern wieder!”). Doch sah sie nicht ein, warum sie ihr Amt als Kreissprecherin aufgeben sollte, ohne offiziell abgewählt zu werden: “Die PDS befolgt ihre eigenen Statuten nicht. Laut Regelwerk ist die Funktion innerhalb der Partei unabhängig von einer Mitgliedschaft.” Zur Klärung dieser Problematik wurde sie im Juni auf eine Versammlung geladen, bei der ihr allerdings der Zutritt verwehrt wurde – mit der Begründung, sie sei aus der Partei ausgeschlossen worden.
Obwohl ihr Hausverbot erteilt wurde, erschien sie im Juli letzten Jahres als “interessierte Kreisbewohnerin” auf einer Veranstaltung der PDS, bei der die Kandidaten für die anstehende Kommunalwahl gewählt werden sollten, um die jungen Leute vor den “stalinistischen Rattenfängern” zu warnen. Das Ende vom Lied war: Die “interessierte Kreisbewohnerin” wurde von der Polizei abgeführt. Süffisant bemerkte die Lokalpresse: “Das alles erinnert doch stark an ein Politik-Happening der Marke ’Kommune 1‘.” und tituliert die linke Querdenkerin “Tanjaminator”. Der Grünen-Politiker Friedhelm Schaumann, unter dessen Regie die Kamener GAL mit der PDS anbandelte, führte über Frau Krienen eine Akte, “für den Fall, daß die Frau mal durchdreht”.
Auch heute kann Tanja Krienen nicht die Finger von “Stalins Erbe” lassen und provoziert mit Artikeln und Leserbriefen immer wieder die PDS-Spitze. Schon als Kreissprecherin verfaßte sie Schriften, die nicht in das Konzept der Parteiführung paßten, zum Beispiel über die “Frauenquote”, die für Krienen eine “Quote für die Doofen” (”Frauen mit Qualität hatten schon immer eine Chance”) ist. Und nach der NRW-Wahl am 14. Mai gratulierte sie in der Westfälischen Rundschau der FDP zu ihrem Wahlsieg (ein Sieg der “Liberalität über den Sozialismus”).
Aber auch Feministen und naive Trans- und Homosexuelle, die glauben, “unter dem Dach der Kirche Verständnis und Tolerenz zu erfahren”, haben unter ihrer Feder wenig zu lachen. “Viele naive Homosexuelle”, schreibt sie im Leserforum der Westfälischen Rundschau, “glauben zudem, ihre zunehmende Medienpräsenz wäre ein Zeichen für höhere gesellschaftliche Akzeptanz. Sie übersehen, wie sehr sie noch immer in lediglich kleinen, mehr oder weniger abseitigen Bezügen vorgeführt werden.” Und in der Zeitschrift Konkret echauffierte sie sich: “Soll eine Transsexuelle klaglos den ihr zugewiesenen Platz ’in der Szene‘ (also im Freilandghetto) einnehmen und sich vielleicht einmal im Jahr, zum Beispiel bei der CSD-Parade, an der Fortsetzung des Karnevals mit anderen Mitteln beteiligen und dem belustigten Publikum den Paradiesvogel zeigen? (…) Es ist richtig: Transsexuelle sind schon merkwürdige Herzchen. Sie nerven sehr. Meistens unpolitisch, bräsig selbstbewußt und oft selbstgefällig gespreizt, glauben sie wirklich, die Welt hätte auf ihre vertrackte Art der Interpretation des Weiblichen nur gewartet.”
Neben ihrer Tätigkeit als Autorin interessiert sich Tanja Krienen für die Philosophie Friedrich Nietzsches. An ihm gefällt ihr nicht nur dessen nihilistische Kritik des Christentums, sondern auch seine Weitsicht hinsichtlich des Sozialismus (”Der Sozialismus ist der jüngere Bruder des Despotismus”). Am 24. August erinnerte sie in einem Vortrag im spanischen Torrevieja an den großen Denker.
Und wohin geht’s mit ihr politisch-ideologisch? Mit dem Sozialismus hat sie abgeschlossen, die SPD warnt sie davor, der SED-Nachfolgepartei “Wohltaten durch die Hintertür” zukommen zu lassen. Die Grünen wurden ihrer Meinung nach “glücklicherweise für ihren zu Recht gescheiterten Versuch abgestraft, Emanzipation der Bevölkerung administrativ aufzuquatschen und vorzuschreiben.” Auch die CDU habe bei der letzten Wahl und in der öffentlichen Diskussion für “Kampagnen von vorgestern” die Quittung bekommen. Und die Liberalen? “Wieso nicht …” – die Querdenkerin schmunzelt.
September 2000
“Auch die CDU habe bei der letzten Wahl und in der öffentlichen Diskussion für ‘Kampagnen von vorgestern’ die Quittung bekommen.”
Inwiefern trat Dr. Helmut Kohls CDU im Wahlkampf von 1997/98 durch “Kampagnen von vorgestern” hervor?
Kommentar von Digenis Akritas — 30. Juni 2005 @ 16:25
Wegen „antizionistischer“ und „einseitig prokurdischer“ Politik: Mitglied des NRW-Parteirates erklärt Austritt – Krienen:
Von Rainer Zunder
Überregionaler Bericht der „Westfälischen Rundschau“
Stalinistische Strukturen sind in der PDS nicht überwunden
Im nordrhein-westfälischen Landesverband gärt es. Wegen derer „antizionistischer“ und „einseitig prokurdischer“ Politik hat das Mitglied des NRW-Parteirates Tanja Krienen (41) gestern die Partei unter Protest verlassen.
Krienen, die nach ihrer Mitgliedschaft in diesem nach dem Vorstand zweithöchsten Gremium auch Sprecherin des PDS-Kreisverbandes Unna war, kam mit ihrem Schritt einem „hinter meinem Rücken betriebenen“ Parteiausschlussverfahren zuvor: „Für einen Schauprozess stehe ich nicht zur Verfügung“.
Hintergrund der Auseinandersetzung im mit 1000 Mitgliedern größten Landesverband seien die „kritiklose Unterstützung der PKK“, sowie die „antizionistische, gegen Israel gerichtete Politik“ der Partei gewesen, sagte Krienen gegenüber der Westfälischen Rundschau.
PKK-Ausscheitungen gegen SPD-Geschäftsstellen und ausländische Konsulate nach der Öcalan-Verhaftung hätten in der Partei „nicht thematisiert“ werden dürfen. Israel werde in der Partei als „Handlanger für die Türkei“ bezeichnet, die Spitzenkandidatin bei der Europawahl, Sylvia Yvonne-Kaufmann, „eindeutige antizionistische Positionen“. Der „alte kommunistische Antisemitismus“ sei „noch immer aktuell“: „Das ist die SED-Politik früherer Jahre.“
Dies alles sei in der PDS „nicht zu problematisieren und diskutieren“ gewesen, erklärte Krienen. „Nach Art einer Sekte“, würden Kritiker „ausgegrenzt, kaltgestellt und mit Parteiausschluss bedroht“. Trotz ständiger gegenteiliger Aussagen der PDS-Führung seien in der Partei „die alten stalinistischen Strukturen längst nicht überwunden“.
30. März 1999: Berichte auf Die Kriminalgeschichte der PDS Homepage: Tanja Krienen
Kommentar von Campo-News — 30. Juni 2005 @ 16:27
Brandes, sie gehörten auch zu den Leuten,
die mir das alte Campoforum zum Ekel machten.
Klar, immer mal alles schön nachreden,und dies obendrein verfälschend, was ex-DKP und später kurzzeitig PDS-Mitglied Tanja Krienen schrieb.
Und nichts verstanden!
In unmaßgeblichen Kreisen ist das aber chic, von “Totalitarismus” zu labern, vielleicht sollten sie doch noch mal bei Hannah Arendt nachblättern, dort heisst es ja bekanntlich “Elemante totalitärer Herrschaft!” Komisch nicht? Hat die sich das, was sie behaupten in gleichmacherischer Rede, etwa nicht getraut, die “Judenbraut”?
Walten jedoch andere wider diesen deutschnationalkompatiblen Auswurf ihrerseits.
Mir ist etwas übel, aber was geht das schon einen Kryptofaschisten an.
Kommentar von hegelxx — 30. Juni 2005 @ 16:49
Da liegst du jetzt aber völlig falsch. Gero Brandes ist Mitglied der DIG und sicher kein “Faschist”. Ich kann auch nicht erkennen, dass er grob etwa falsch geschrieben haben soll, bis auf zwei, drei sachliche Unkorrektheiten. Der Artikel ist doch recht wertfrei geschrieben und gibt viele meiner öffentlichen Äußerungen zu der Zeit richtig wieder.
DA, meine Bemerkung zur CDU war auf die kritikwürdige Kampagne der Union zur doppelten Staatsbürgerschaft gemünzt. Sie war in der CDU/CSU selbst umstritten, ob man diese auf den Plätzen und Straßen in Unterschriftensammlungen thematisieren sollte - die Debatte darüber, an der ich ja gerade ich mit der CDU beteiligt war, kann man ja ebenfalls nachlesen.
TK
Kommentar von Campo-News — 30. Juni 2005 @ 17:34
“DA, meine Bemerkung zur CDU war auf die kritikwürdige Kampagne der Union zur doppelten Staatsbürgerschaft gemünzt. Sie war in der CDU/CSU selbst umstritten, ob man diese auf den Plätzen und Straßen in Unterschriftensammlungen thematisieren sollte – die Debatte darüber, an der ich ja gerade ich mit der CDU beteiligt war, kann man ja ebenfalls nachlesen.”
Allerdings war die Kampagne gegen die Staatsangehörigkeitsrechtsreform innerhalb der Unionsparteien umstritten, und zwar sowohl in ihrer politischen Stoßrichtung, als auch hinsichtlich ihrer plebiszitär-demokratischen Formen. Als damaliges Mitglied der Münchener CSU-Jugend habe ich Anfang 1999 auch die (teilweise irreführenden) Äußerungen führender CSU-Politiker, die der Dämonisierung dieses Reformvorhabens (das die einzige staatspolitische Errungenschaft der Ära Schröder darstellt) dienten, einer scharfen Kritik unterworfen.
Kommentar von Digenis Akritas — 30. Juni 2005 @ 17:48
Presseerklärung
Unna, den 29.3.1999
Stalins Erben säubern wieder
Am 13. April findet in Kamen die nächste Kreisversammlung
der PDS statt. Bei dieser Versammlung sollte gegen ich, Tanja Krienen, die
bisherige Kreissprecherin der Partei und Vertreterin der Organisation
im Parteirat Nordrhein-Westfalen, ihrer Funktionen enthoben und
ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet werden.
Diese Maßnahmen wurden gegen mich eingeleitet, weil ich mich
öffentlich kritisch über die Politik der Partei geäußert habe.
In jeder anderen Partei hätte man versucht die Probleme in einer
Diskussion zu lösen, in der PDS jedoch wird abgestraft.
An diesem Beispiel zeigt sich deutlich, wie lebendig altes Denken
weiterlebt und sich immer wieder erneuert, da autoritäre Denkstrukturen
untrennbar das politische Handeln bestimmen.
Da ich für einen Schauprozeß nicht zur Verfügung stehe, habe ich
am Wochenende meinen Parteiaustritt erklärt.
Die Partei, die sich Partei des Demokratischen Sozialismus nennt,
ist weder demokratisch noch sozialistisch und auch keine
“linke Alternative” zu den Republikanern, sondern vielmehr deren Ersatz.
Tanja Krienen
Kommentar von Campo-News — 30. Juni 2005 @ 17:54
Flugblatt, welches ich am Tage meines Austritts verteilte
Glaubt nicht euren Führern
wenn sie Euch erzählen,
Tanja Krienen hätte falsch gehandelt.
Lasst es Euch erklären und sucht die
Auseinandersetzung (Tel. 02303/330760)
Löst Euch aus Zusammenhängen,
die sonst nur aus Sekten bekannt sind.
Das geplante und von der Landespartei nicht unterbundene
Abwahl bzw. Ausschlussverfahren gegen mich (als Kreissprecherin
und Mitglied des Landesparteirates), steht für nicht überwundene
Handlungsweisen und ist in seinen Details, ein klassisches
Lehrbeispiel weiterlebender autoritärer Strukturen der
sog. Partei des Demokratischen Sozialismus, die sich
in der Praxis weder demokratisch noch sozialistisch zeigt.
Die Ereignisse im Kreisverband Unna/Hamm sollten, sofern
man sich damit beschäftigen möchte, zu denken geben.
Das abstruse vorherrschende Denken berücksichtigend,
siegt die Gewissheit, dass dies nicht geschieht.
Da ich mich niemals einem Parteiausschlussverfahren mit
den gelieferten Stasiweisheiten irgendwelcher Geisteszwerge
aussetze, erkläre ich hiermit meinem Austritt aus der PDS,
wiederrufe die Einzugsgenehmigung meines Mitgliedsbeitrages
und bleibe bis auf weiteres, Gegnerin dieser Partei.
Tanja Krienen
Ich habe diese Nacht geweint viel knochentrockne Tränen
Und hab die Fäuste wild geballt geknirscht auch mit den Zähnen
Ich habe diese Nacht geträumt von Hexen und von Drachen
Von alten Weibern die mit mir Parteiverfahren machen
Wolf Biermann
Verteilt anlässlich der Kommunalpolitischen Tagung am 27.3. in Köln,
bei der ich auch mein schmuckes Parteifaltblättchen zurückgab.
Kommentar von Campo-News — 30. Juni 2005 @ 17:58
Tatsächlich ist dieses hier nichts Neues, wie man ja z.B. an dem hier eingestellten JF-Beitrag sehen kann. Der Rest steht auf meiner Homepage links unten im Menü
Kommentar von Tanja Krienen — 15. Januar 2008 @ 16:18
http://www.spiegel.de/politik/ausland/pkk-bittet-deutschland-um-entschuldigung-a-1027827.html
Kommentar von Campo-News — 10. April 2015 @ 08:42
http://www.achgut.com/artikel/zum_10-jaehrigen_meines_austritts_aus_der_linken_bewegung
https://www.focus.de/politik/ausland/projekt-rojava-aus-duisburg-in-den-krieg-darum-kaempfen-deutsche-linke-fuer-eine-kurdische-utopie_id_8972072.html
Kommentar von Campo-News — 24. Juni 2016 @ 06:09