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25. Juni 2005

25. Juni 1966: The Beatles live im Ruhrgebiet oder: Warum ich eine Alt-66erin bin

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 08:22

Ein Kapitel aus meiner Biographie

Siehe auch die Nachlese

He´s a real nowhere man
Sitting in his nowhere land
Making all his nowhere plans
For nobody

Nowhere Man, The Beatles

Kurz bevor die “Beatlemania“ begann, gastierten sie als junge, nur sehr leicht aufsteigenden Proll-Boygroup aus Liverpool 1962 in Hamburg, direkt auf der Reeperbahn im Star-Club. Nun – zum Höhepunkt ihrer Karriere - sollten sie noch mal nach Deutschland zurückkehren.

Foto: Einen Tag zuvor im Circus-Krone Bau in München

Obwohl meine Lieblingsband zu dieser Zeit noch Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich hieß, wollte ich auch die Beatles unbedingt sehen. Ich durfte schon die „Bravo“ lesen - dadurch erfuhr ich immer die wichtigsten Neuigkeiten aus der Popmusik und so bekam ich Kenntnis von den anstehenden Beatles-Auftritten! Am 25. Juni 1966, also fünf Wochen nach meinem neunten Geburtstag, fuhren wir mit unserem violetten VW-Käfer, Baujahr 1957 mit durchtrennter Heckscheibe, zur Gruga-Halle nach Essen.

Fast auf gleicher Höhe: The Beatles and the Rolling Stones

Im Februar 1964 schrie der weltbeste Boxer Cassius Clay nach dem Gewinn des WM-Titels in die Mikrofone: I ´m the Greatest! Hier aber konnte man vier auf einmal sehen, die mit demselben ähnlichen ironischen Abstand ähnliches nachsagen konnte: - The Beatles! – die als „Marx-Brothers der Popmusik“ - wie manche schrieben - durch ihre Comedy-artigen Filme zusätzliche Berühmtheit erlangt hatten. Die Liverpooler lieferten sich damals einen produktiven und siegreichen Wettstreit mit den Rolling Stones und hatten sich wie schon erwähnt, bereits 1962 dem deutschen Publikum präsentiert, nun wurden sie in einer kurzfristig von der Jugendschrift „Bravo“ organisierten drei Tage Tournee, der so genannten „Bravo-Beatles-Blitztournee“, nach Deutschland geholt. Dabei traten die Beatles am 24. Juni in München, am 25. Juni in Essen und am 26. Juni 1966 in Hamburg auf. In der Essener Gruga-Halle gaben sie um 20.00 Uhr und um 17.00 Uhr zwei Konzerte.

Die „Kindervorstellung“ am späteren Nachmittag, ausverkauft wie alle Konzerte die auf deutschem Boden stattfanden, sah ich mir mit meinen Eltern an. Alleine durfte ich damals höchstens zur Schule fahren.

Die BRAVO schrieb in der Vorankündigung:

Die Beatles sind da!

„Ursprünglich sollten die Beatles am 24. Juni 1966 um 14.00 Uhr in München landen. Doch der Start ihrer Germany-Expedition wurde vorverlegt. Sie wollten schon einen Tag früher kommen. Sie wünschten sich einen freien Tag, um in aller Ruhe die Weißwurdt-Metropole Deutschlands ein bisschen näher kennenzulernen. Und also geschah es. Am 23. Juni, kurz vor 13.00Uhr, betraten Paul, John, George und Ringo bayerischen Boden. Der Beatles-Trubel, Gesprächsstoff in ganz Deutschland, konnte einen Tag früher beginnen.“

Es war damals noch nicht so üblich als Kind eine Rockmusikveranstaltung zu besuchen, während heute das Angebot für jüngere Zuhörer bei vielen Gruppen häufig in derartige Altersklassen hinabreicht. Doch vor 4 Jahrzehnten umgab die internationale Rockmusik noch immer ein Flair des Wilden, Ungezügelten, Rebellischen oder sogar des Revolutionären.

Die Gesellschaft war tief gespalten in eine Roy Black und eine Rock-Fraktion. Kein anderer als Roy Black selbst hat darunter wahrscheinlich mehr gelitten, denn er kam von den härteren Rhythmen und sah den musikalischen Aufbruch der gleichaltrigen Briten mit viel Sympathie, war aber durch Promotion in die Schlagerschiene gerutscht.

1966 also, erst gut ein Jahrzehnt nach dem Durchbruch des Rock´n Roll, zitterte die Öffentlichkeit noch immer vor den Auftritten der damals noch gar nicht so Langhaarigen.

Ende 1965 war es, als die Rolling Stones ein Konzert in der Gruga-Halle gaben. Der Schock saß bei den dort beschäftigten Garderobe-Frauen noch tief! Im Gespräch mit meinen Eltern und mir berichteten sie von der Schlacht, die im Saal stattgefunden hatte, und bei der viele Stühle zu Bruch gingen. Sie hofften, dass eine größere Präsenz der Ordnungskräfte ähnliches verhindern würde.

Mir inzwischen ein wenig mulmig geworden, nachdem ich von den Randalierern hörte und die eintreffenden Fans sah. Ich fand ja die letzten Hits der Beatles toll, - das ruhige Michelle, das hoch in den Charts (oder besser Hitparaden) stehende Paperback Writer und auch das witzige brandaktuelle Yellow Submarine. Aber Stühle herumwerfen, randalieren Polizisten ärgern,- nein, so etwas kannte ich noch nicht! (Es wurde dann in den nächsten Jahren eine fast alltägliche Art der Kommunikation.)

Die anwesende Leute waren schon sehr interessant anzusehen, gelfrisierte Jungs mit Lederjacken, Mädchen mit merkwürdigen, aber tollen Kleidern, - irgendwie eine explosive Atmosphäre. Man spürte es, da, schräg unten im Bauch. Dann ging es endlich los: The Rattles mit Achim Reichel begannen. Die Band war damals neben den Lords die bekannteste in Deutschland und spielte weil - so hieß es – Drafi Deutscher zu hohe Forderungen gestellt hatte. Es folgten Cliff Bennet and the Rebel Rousers und Peter & Gordon. Die Beatles, in klassischem Outfit mit schwarzen Anzügen, erschienen zum Schluss und spielten 30 Minuten. Doch diese halbe Stunde veränderte mein Leben; denn sie stellte alles auf den Kopf, erweiterte mein Erlebnisspektrum um mehrere Dimensionen, weckte Emotionen, die ich nie wieder los wurde.

Ein persönlicher Urknall

Es war ein Urknall, eine Erschütterung, eine Explosion, ein Erbeben gar, eine persönliche Weltneuerschaffung. Kreischende Mädchen, rockende Jungen – Menschen ohne Kontrolle! Gefühlsausbrüche der extremen Art, exstatisches Verhalten bis zur Bewusstlosigkeit; Mädchen die außer sich waren. Alles tanzte, schrie, manche tobten bis sie umfielen und weggetragen wurden. Die Ordnungskräfte und die Polizei waren ständig im Einsatz. Von der Musik verstand man wenig, denn während des gesamten Auftrittes dominierte sehr helles, schrilles Kreischen die akustische Szenerie. Auch ich versuchte hier und da ein schüchternes: „Paul! Paul!“ McCartney war natürlich mein Liebling! Aber diese Atmosphäre - die Bässe, die Lautstärke, die Hitze, der Geruch, - das alles war neu, aufregend und völlig anders, als sämtliche vorangegangenen Erfahrungen.

Viel zu schnell war es vorbei. Die Beatles verschwanden ohne Zugabe, der ängstlich Ringo als erster, doch die Menge tobte noch weiter, während meine Eltern in Sorge um mich, frühzeitig nach draußen drängten. Vergleichbare Krawalle wie bei den Stones hatte es nicht gegeben, aber was ich erlebte, reichte mir völlig. Ich wusste nun was es hieß, ungezügelte Emotionen zuzulassen und sie auszuleben.

Neun Wochen später gaben die Beatles in San Francisco ihr letztes öffentliches Konzert und sollten trotz Bemühungen mancher Leute der Musikbranche, nie wieder zusammen auftreten. Die Ermordung John Lennons im Jahre 1980 machte die kleine Chance darauf endgültig zunichte. So bleibt der Fakt, die Beatles live gesehen zu haben, ein relativ seltenes, aber vor allem schon lang zurückliegendes Ereignis. - aber auch ein für Deutschland historisches, denn die internationale Musik war bis dahin selten zu Gast und es sollte auch noch lange dauern, bis dies ein allgemein anerkannter und als befruchtend angesehener „Normalzustand“ wurde.

Infantile 68er

Wenn heute auf manchen Oldiefesten Menschen um die Fünfzig und darüber, in oft recht infantilerweise die „guten alten Zeiten“, zelebrieren, so ist dies oft wenig identisch mit der damaligen Stimmung. Vielleicht empfinde ich die Peinlichkeit stärker, da ich vom Alter her noch nicht so weit von jüngeren Erlebnissen und neuerer Musik entfernt bin, denn die Emotionalität der Musik, hält mich bis heute gefesselt.

Von Alt-68er hörte man in der Rückschau der Sechziger, wie die Essener Songtage des Jahres 1968, auf einige befreiend hinsichtlich ihrer Emotionen und dann auf die Politik gewirkt haben. Dieses Gefühl kannte ich schon länger, nämlich seit 1966! Ich bin also eine gestandene Alt-66erin, - eine jüngere findet man nicht!
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Tanja Krienen

9 Kommentare »

  1. Hallo - schöne Story. Wenn Sie mal irgendwann eine Eintrittskarte verkaufen wollen - einfach melden!

    Gruß
    EinFan

    Kommentar von EinFan — 20. Juli 2005 @ 11:52

  2. Danke! Hab gesehen, dass Sie oder Du, etwas mit den Extrabreiten werkelten! Was es nicht für Zufälle gibt *g*

    Was so eine Karte wert ist, weiß ich gar nicht, würde mich aber durchaus mal interessieren. Hier meine Mailadresse: mail@tanjakrienen.de

    schöne Grüße, TK

    Kommentar von Campo-News — 20. Juli 2005 @ 13:09

  3. Hallo,
    übrigens, Fotos vom 25.06.1966 in der und um die Gruga gibt es unter

    http://www.angelfire.com/band2/beatles1/

    Gruß von einem, der auch nachmittags dabei war. Ist schon interessant, wie die
    eigene Erinnerung auf einmal “ein Gesicht = Fotos” bekommt.

    Klaus Peter Kusmann
    01.08.2005

    Kommentar von Klaus Peter Kusmann — 1. August 2005 @ 10:45

  4. Vielen Dank für die Bilder, Klaus-Peter! Die Fotographin fragt hier - http://www.angelfire.com/band2/beatles1/BEAT_35.JPG
    wer dies sei, und wenn mich mein Gehirn nach 39 Jahren und 37 Tagen nicht im Stich lässt, dann würde ich sagen, dass dort die Band “Cliff Bennet and the rebel rouser” während ihres Auftritts zu sehen ist.

    Grüße einer Ex-Hagenerin ins Sauerland

    Kommentar von Campo-News — 1. August 2005 @ 11:41

  5. Hallo,
    knapp vorbei; das sind Peter & Gordon mit der Band von Cliff Bennett, aber ich weiß nicht, wie ich dem Frank Steinmann das mitteilen soll. Der hat keine E-Mail angegeben. Oder ich bin etwas blind :-)
    Die Originalseite ist unter: http://www.iol.ie/~beatlesireland/
    und dann unter “Noticeboard/Noticeboard Archive 2002/Page 2″ zu finden.
    Gruß KPK

    Kommentar von Klaus Peter Kusmann — 1. August 2005 @ 14:38

  6. Na, immerhin haben wir die Frage lösen können. Ich gestehe, dass ich nicht mehr weiß, ob Peter & Gordon während des Concertes von der “Cliff Bennet and the rebel rouser”-Band begleitet wurden, aber Peter setzt die Fotographin deshalb mit Paul gleich, weil der ja ein Cousin von McCartney war und ihm aus der Ferne ähnlich sah - genau genommen war er eine Mischung aus Paul McCartney und Eric Idle *g*

    Und dies war die brandneue Single:

    Viele Grüße, Tanja

    Kommentar von Campo-News — 1. August 2005 @ 15:09

  7. Nochmals Hallo,
    hab noch ein anderes Foto aus Richtung Bühne von oben, evtl. bist Du da ja drauf;
    bis Reihe 8 kann man bei Vergrößerung die Leute ganz gut erkennen.
    Bei Interesse bitte E-mail-Anschrift, dann schick ich…..
    Komme übrigens aus Lippstadt, eeetwas nördlich des Sauerlandes.
    Gruß KPK

    Kommentar von Klaus Peter Kusmann — 1. August 2005 @ 15:15

  8. Hi, hab ich doch längst auf eurer interessanten Website gesehen! Mein Mann kommt aus Hemer, aber der kennt euch nicht, naja, er ist ja auch ein Stones-Fan *g*

    Also, das wäre natürlich super, wenn du mir das Bild zusenden würdest! Ich muss mir die Fotos auch noch alle mal in Ruhe ansehen. Da gibt es eins z.B., das zeigt den Block S - T ist ja direkt daneben. Wie gesagt: ich war ja damals noch ein ziemlich kleines Gör, müsste eigentlich auffallen.

    Bitte schick mir das doch mal an mail@tanjakrienen.de

    Viele Grüße, TK

    Kommentar von Campo-News — 1. August 2005 @ 15:31

  9. Ich mache ein Referat über die Besten Aller ZEITEN

    Kommentar von Johannes — 8. November 2006 @ 18:10

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