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16. September 2009

Gesellschaftlicher Zerfall 2009, Beispiel: Szene in einer Kasseler Straßenbahn

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 18:53

Part 2

Die Dialoge entsprechen dem Gedächtnisprotokoll: Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind beabsichtigt und nicht zufällig.

 

Gegen 15.00 Uhr schlendere ich über den Kasseler Königsplatz hin zur Straßenbahnhaltestelle, deren Linien u.a. in Richtung Bahnhof Wilhelmshöhe fahren. Um 15.30 Uhr nämlich, möchte ich mit dem Zug von Kassel zurück nach Korbach reisen (ein altertümlicher Begriff für das allgegenwärtige Chaos, das in den Regionalzügen herrscht).

 

Ich setze mich. Mit mir steigt eine Frau ein (geboren wohl gegen Ende der Ulbricht-Ära) und deren zwei Mädchen, ca. sieben und neun Jahre alt, die sich zusammen auf den ersten Platz rechts am Eingang setzen. Eine alte Frau – sicher über 80 – steigt ein. Sie wird von einem Mann geführt, schaut sich um und findet erst in der vierten Reihe einen Platz. Nun kommt ein etwa 80 Jahre alter Mann langsam den Gang entlang. Niemand macht Anstalten dem Mann einen Platz anzubieten. Meine Kampfeslust erwacht!!!

Zu den beiden platzbesitzenden Kindern gewandt sage ich: „Könnt ihr bitte einmal für den Herrn dort aufstehen!?!“ Klar angesagt, höflich aber bestimmt.

„Das ist doch wohl die Höhe! Warum stehen Sie nicht auf!?!?!“ sagt die etwa 40 Jahre alte Frau.

„Ich?!“ frage ich entsetzt, weil ich es tatsächlich nicht glauben wollte: „Hören Sie, ich bin sogar älter als Sie. Es ist doch wohl absolut normal, dass Kinder für einen alten Menschen, ich sage mal 70 plus, aufstehen!!!“

Die Kinder stehen immerhin auf, der alte Mann nimmt seinen Platz ein.

Die Frau mit den beiden Mädchen gibt sich nicht zufrieden, zetert so was wie: „Das ist ja ungeheuerlich.“ Dabei sieht sie mit empörtem Blick eine andere Frau an. Die gibt jedoch zurück: „Sie brauchen mich gar nicht so anzusehen. Es ist doch klar, dass Kinder für einen älteren Menschen aufstehen müssen.“

Die Frau mit den beiden Kindern grummelt noch immer: „Wer möchte, dass einer sitzt, soll selbst aufstehen.“

Ihr ostdeutscher Akzent fällt mir nun auf: „Haben Sie im Osten keine Erziehung genossen?“

„Jetzt reichts aber“, springt hektisch ein männlicher Teil der Generation Ulbricht auf, „wir sind gut erzogen worden und die Frau hat Recht.“

„Das ist Rassismus!“ schreit plötzlich ein knapp 18jähriger zwei Reihen hinter mir, schwarz gekleidet, mit Hütchen, Fuselbärtchen und unzähligen durchgestrichenen Hakenkreuzen in der Mülltonne auf der speckigen Jacke.

„Rassismus? Weil ich sagte, sie käme aus dem Osten? Sind Ostler jetzt schon eine andere Rasse?“ frage ich.

„Zumindest ist es eine Diskriminierung!“ schwadroniert der selbsternannte Kämpfer gegen das Unrecht.

„Das denkst auch du nur, weil man solche lächerlichen Thesen bei euch Zecken erfindet“, halte ich ihm entgegen.

„Reden Sie woanders“, plärrt ein weiter Typ hinter mir.

„Schweigen Sie“, kläfft eine Dicke mit ultrakurzen Haaren in meine Richtung.

„Setzen Sie sich neben den jungen Mann, wenn Sie mit ihm reden wollen“, blafft ein weiteres Weib mit wettergegerbtem Gesicht von vorn.

Ich versuche Einsichten zuschaffen: „ER hat mich angemacht und mir Rassismus unterstellt – ich habe ihm erklärt, welchen Unsinn er redet. Wenden Sie sich also an ihn. Das Problem scheint zu sein, dass man auch in Kassel schlecht erzogen ist.“

Eine jüngere Frau, wahrscheinlich mit Migrationshintergrund mischt sich ein: „Mein Mutter war sogar Erzieherin“, erzählt sie völlig sinnfrei, abgesehen davon, dass sie hier viel erzählen kann. Zu der Wettergegerbten sagt sie: „Und die Kinder müssen sich das alles hier anhören. Dabei ist es doch auch für die Kinder viel sicherer, wenn sie sitzen. Ein Erwachsener kann sich doch festhalten!“

Anstatt vom Sitz zu fallen, stehe ich auf, denn gottlob ist der Bahnhof Wilhelmshöhe erreicht und ich kann die Straßenbahn, die mir eine „Kassler Lektion“(älterer Mensch sollte für ein Kind aufstehen, keinesfalls umgekehrt) erteilte, wieder verlassen.

 

Die Gesellschaft ist hin. Einfach hin. Bauersöhne mit dicken Ringen im Nasenloch, Mittelstandskinder mit eingebauter Lärmgarantie, Normalbürger ohne jeglichen Sinn für Anstand, Lungernder Straßenpöbel überall wie aus einem bösen Zukunftsfilm „Deutschand 2022, als die Piratten enterten“. Aber es ist erst 2009 und doch….schon fast alles vorbei.

 

 Das herrliche Kassel-Panorama am Kulturbahnhof, Ostberlin reloaded

 

3 Kommentare »

  1. „ey was loss mann du nutten kind (… ) ich bin ein araber und
    komm auch kassel und jetzt wenn du was willst komm vorbei (…)
    danke allah ist mit massiv da du pissssssssa.“

    Kommentar von Campo-News — 19. September 2009 @ 10:05

  2. Es ist noch schlimmer: “Eine andere Dame, die diesen Satz quasi auf der Stirn trug, erzählte dann von einem Jungen, der in einem Park mit einem Messer Blumen abgeschnitten habe. Sie habe ihn angesprochen: “Wir wollen doch alle was davon haben.” Die Antwort soll gewesen sein: “Noch ein Wort und ich stech dich ab.”

    Immer auch dazu gedacht.

    Kommentar von Campo-News — 11. November 2009 @ 12:36

  3. 74-Jährige nach Streit um Sitz schwer verletztErschienen am 05. Januar 2010 Der Streit um einen Sitzplatz in einer Regionalbahn hat in Bremen für eine schwerbehinderte 74-Jährige im Krankenhaus geendet. Wie die Polizei mitteilte, wollte die Seniorin am Montag mit ihrem Behinderten-Ausweis einen bestimmten Sitzplatz beanspruchen. Auf diesem hatte eine junge Frau jedoch Füße und Rucksack abgelegt. Sie weigerte sich, Platz zu machen und wies auf andere freie Sitze hin.

    Da griff die 74-Jährige nach dem Rucksack. Die etwa 20-Jährige wurde wütend, schrie die Frau an und trat ihr in den Bauch. Die alte Frau stürzte und erlitt einen Bruch in der Schulter. Die Tatverdächtige äußerte zwar Bedauern über ihre Unbeherrschtheit, entfernte sich dann aber unerkannt aus der Bahn. Die Ermittler suchen nun nach ihr und hoffen auf Zeugenhinweise.

    t-online

    Kommentar von Campo-News — 6. Januar 2010 @ 07:47

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