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Wie der FOCUS derzeit eine Chance verschenkt.

Von Tanja Krienen

„Ich lese Lolita in sechs Jahren, dann ist sie achtzehn.“
Groucho Marx

„Gut beraten ist der Lehrer, der immer wieder auf Erotisches eingeht. Und ich hätte Sympathie für einen Deutschlehrer, der plötzlich, jeden Kanon ignorierend, seine Schüler beispielsweise Nabokovs “Lolita” lesen lässt.“
Marcel Reich – Ranicki

Es war ja keine schlechte Idee, 12 Werke der Weltliteratur zu präsentieren und so den Menschen nahe zu bringen. Doch das Ergebnis ist kümmerlich.

Der FOCUS klebt sein einigen Wochen in jede Ausgabe ein schmales, lediglich 24 Seiten umfassendes Heftchen, - im DIN A6-Format. Das Dilemma steht auf der Rückseite des Herstellers „getAbstract“: „Keine Zeit zum Lesen? Wir fassen Bücher zusammen“ und auf der Vorderfront eines jeden Titels „unterstütz von AUDI“. Schön, gegen Letzteres spricht nicht viel, wohl aber fragt man sich, warum der Werbe-Etat nicht komplett in die Produktion, sagen wir mal, einer Paperback-Ausgabe aller 12, und zwar ungekürzten Fassungen, zu einem Aktionspreis von z.B. 9,99 Euro auf den Markt gebracht wurden? Doch so ist das Ergebnis ein Info-Torso.

In der Mitte wirbt Audi auf vier Seiten für seine Produkte, zieht man dann noch Vorder, - und Rückseite ab, bleiben 18 kleine Seiten, deren Text auf drei bis vier normale Schreibseiten passen würde. In rudimentärer Form werden so Inhalt, - Entstehung, - und eine Interpretationsmöglichkeiten des jeweiligen Buches vorgestellt, dazu ein bisschen über den Autor geschrieben – mit zum Teil höchst subjektiven Wertungen. Es würde trotzdem Appetit auf mehr machen, doch wie ist dann die Werbung des Herstellers zu verstehen, der sich an den wendet, der doch keine Zeit zum Lesen hat und sich ihm daraufhin mit der unzulänglichen Empfehlung anbietet, Bücher für ihn zusammen zu fassen!?

Treiben Sie mal wieder Sport! Keine Zeit dazu? Wir haben die Lösung! Extra für Sie haben wir die schönsten und größten Sportereignisse aller Zeiten in prächtigen Bildbänden zusammengefasst! Lehnen Sie sich bequem zurück, dann sind Sie mittendrin. Und das alles ohne Blutergüsse, Rückenbeschwerden und Fußschmerzen. Vermeiden Sie bitte weiterhin jede Anstrengung! Schauen Sie Sport! Lesen Sie Sport! Lachen Sie über die, die Sport treiben!

So schmückt man sich mit „Weltliteratur“, wirft den Lesern ein paar Brocken hin. Soll man sich nun etwa die 12 Heftchen ins Regal stellen? Was tun sie dort? Ein paar Häppchen als „Schmücke dein Heim mit Literatur-Ersatz“? Wie gesagt: Vorzeigbar wäre das Angebot aller ausgewählten Werke (und man hat tatsächlich eine gute Wahl getroffen), doch so bleibt es nicht mal Bildung aus 3. Hand. Schade eigentlich.

Wie aktuell die Stoffe an sich noch immer sind, wissen die Leser des CAMPO-Blogs ja genau: Kafka 2005, z.B. oder Kafka lebt. Auch Lolita muss ins Heim deutsch, englisch und holländisch.

Ein Beispiel