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28. Juni 2006

Ein paar kurze Bemerkungen über spanische Bräuche, des Spaniers Verhältnis zu Tieren, und seines Alltags, der einem oft, wer hätte es gedacht, spanisch vorkommt.

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 11:48

Feststellend, dass ihre Kultur es nicht sehr gut mit eben jene Suchende meint, eingedenk des Faktes, dass ihr Essen wenig essbar ist, können wir mit Fug und Recht sagen: Was sie können – und das ist eine ganze Menge, wenngleich nichts für einen zivilisierten Menschen verwertbares – sehen wir in der heutigen Lektion Nr. 3

Spiegel-online, 28. Juni 2006: „Madrid - Die Spanier kennen ihre Nationalmannschaft nur zu gut. Kaum hatte der Franzose Frank Ribery in der 41. Minute den Ausgleichstreffer erzielt, kippte die Stimmung in der Bar Marbella, einer Kneipe im Stadtteil Lavapiés, im Zentrum Madrids. Ein Aufschrei, Wutausbrüche, als wüssten alle nur zu genau, was sie jetzt erwartet. Der Wirt steht wie versteinert, seiner Tochter fällt ein Teller aus der Hand und die penetrante Stimme, mit der der Fernsehreporter jeden Spielzug bis ins letzte Detail erklärt, wird leiser und langsamer. Die traditionell fehlende Begeisterung hat nicht nur mit den fehlenden sportlichen Erfolgen der Nationalmannschaft zu tun. Sie ist auch ein politisches Problem. Zwei der wichtigsten Fußballregionen des Landes - Katalonien mit dem FC Barcelona und das Baskenland mit Atletic de Bilbao - identifizieren sich nur bedingt mit Spanien als Ganzem. Hier sind Nationalismus und Streben nach Unabhängigkeit stark. Ein Länderspiel könnte in keiner der beiden Regionen ausgetragen werden. Proteste wären programmiert.“

Benidorm

Wenn es laut ist, freut sich der Spanier besonders. Spanien gilt als eines der lautesten Länder der Welt. Autos, Motorräder ohne bzw. mit schlechten Auspuff, laut redende, viel telefonierende Menschen und besonders die nächtliche Diskomusik, die kilometerweit bis in die frühen Morgenstunden, ja bis in den nächsten Vormittag hinein reicht, lassen den Aufenthalt für einen halbwegs sensiblen Menschen zur Folter werden. Doch wer, wie ich, gedacht hatte, dies sei abseits der Touristenzentren, also weiter innerhalb des Landes nicht so, sieht sich schwer ge - und enttäuscht.

Ich muss hier manchmal etwas generalisieren, weil ich nicht ganz Spanien ausreichend kenne, so weiß ich z.B. nicht, ob die Loslösungsbewegung des manchmal mitteleuropäisch wirkenden Baskenlandes, oder auch Kataloniens, mit der Ablehnung negativer spanischer Verhaltensweise im Alltag in Verbindung zu bringen sind. Man hört, im Norden und Nordwesten habe man eine größere Distanz zu diesen archaischen Veranstaltungen und in Barcelona wurde jüngst der Stierkampf verboten. Anderseits jedoch zeigt sich Katalonien nicht leiser, wohl aber aggressiver gegen alles, was die regionale Kultur nicht annimmt. In den Museen des Baskenlandes haben es selbst (eigentlich muss man sagen: die besonders) spanische Kulturprodukte schwer.

Meist ist aber hier von der Costa Blanca, bzw. der Comunidad Valencia die Rede, denn darin lebe ich ja seit Jahren - und hier ist eines der Zentren, in denen man die Abschlachtereien zwischen Mauren und Christen (Moros y christianos) jedes Jahr überall, aber zu unterschiedlichen Zeiten, ähnlich deutscher Schützenfesttradition, in Form von Massenfesten zelebriert. Während sie nach der moromaurischmoslemische Drohung, resp. der Tat vom 11. 3. 2004, sofort klein beigaben, kühlen sie ihr Mütchen an Schlachten, die bereits vor 500 Jahren erfolgreich geschlagen und aus dem Land vertrieben wurden (und schweigen ob der schleichenden Re-Islamisierung ihres Landes).

Besonders in der 60 000 Einwohner-Stadt Alcoy, die eine nicht geringe lokale Bedeutung hat (hier wurde 1904 der sozialistische Weltgewerkschaftsverband gegründet und die Anarchisten hatten hier ihre Hochburg), werden die entscheidenden Schlachten nachgestellt, wobei mehr als 10 000 Statisten beteiligt sind. Doch überall verkleidet sich die Bevölkerung und zieht als Christen oder mittelalterlich herausgeputzte Mauren in den nachgestellten Krieg. In den Dörfern ist alles was laufen kann auf den Beinen. Immer wieder hört man kilometerweit den Kanonendonner. Dieses Spektakel zieht sich meist eine ganze Woche hin, manchmal auch zwei Mal im Jahr. Hat man in Onil gerade aufgehört, beginnen die Spiele in Castalla – danach in Ibi undsoweiter. Der Spanier braucht seine Feste, seine regionalen Feiertage, wie Olivenöl auf das morgendliche Weißbrotbrötchen. Sein „Gusto“ sind die Fallas in Valencia, wo man zwar keine Menschen jagt oder Stiere tötet, aber Riesenpuppen ansteckt. Wenn es brennt oder knallt, wenn Blut rinnt oder etwas erlegt wird, schaut der durchschnittliche Spanier zu. Nur bei Büchern sieht er weg, denn die reden nicht und schmecken auch nicht nach Fisch oder Pflanze.

Dass die sittlichste aller Forderungen, leise zu sein, kein biblisches Gebot, noch im einem Parteiprogramm oder den Richtlinien irgendeiner Umweltschutzorganisation in Spanien (wie auch sonst wo) zu finden ist, erscheint als der schärfste Einwand gegen die Hoffnung auf Verbesserung des menschlichen Miteinanders.

Der Sommer ist wie stets die Zeit, da fast alle Zeitgenossen glauben – bei einer Zunahme dieser Tendenz überall auf dem Erdball - man dürfe das tun, womit man anzeigt, dass man noch auf der Welt ist: lärmen!

In den letzten Jahren, so scheint es, ist beinahe dauerhaft Sommerlärmzeit – irgendwo findet sich auch in Deutschland immer ein Sommerfest, das auch ein Herbstfest sein kann, und selbst wenn es vor Kälte knackt, lassen sie es auf der Winterkirmes oder den Weihnachtsmärkten krachen, die man deshalb schon Mitte November beginnen und erst Mitte Januar enden lässt, auf dass auch der letzte Rest der kalendarischen Ruhe-Enklave zerstört wird. Als Gipfel des Frohsinns kommen dann noch in der warmen Jahreszeit italienische, spanische, portugiesische Nächte hinzu, die meist das ganze Wochenende andauern. Außerdem gibt es Massenschunkelwettbewerbe auf öffentlichen Plätzen und Multikulti-Trommel, - und Tanzereien im Angebot, und alles findet in jeder bis dahin befriedeten Straße statt – Hauptsache: es wird gelärmt. Es gilt die Devise: Ich bin laut, also lebe ich!

In Spanien wird noch mehr die lange Weile bei Bedarf mit knatternden Motorräder, aufheulenden Motoren bekämpft. Dauerpapperlapappenderplapper-Radios mit Lautstärke 1+, um begünstigt durch Windstärke 4 bis 6, tragen die Beschallung auch in jeden Winkel der zehn angrenzenden -„Bumm bumm bumm“ vibriert es - freudig wird der Rhythmus genossen, der sich der aus der meilenstiefelweiten Disco unterirdisch fortpflanzt wie ein Tsunami, um dann direkt im Bett des Schlafsuchenden über ihm zusammenzuschlagen. Der Protest verkriecht sich meist tiefer unter der Decke, man schwört sich, des morgens um halb 8 durch die ganze Stadt mit aufgedrehten, außen angebrachten Lautsprechern zu fahren – und unterlässt das dann besser doch, weil es plötzlich und überraschend gegen 7. 00 Uhr endlich ruhiger wurde und man den ersten Schlaf fand, aber: bis dahin wurde gelärmt. Unablässig, fortwährend, andauernd, und zwar so, dass man den Eindruck hat, die Lärmenden wären erst zufrieden, wenn sie andere von ihrer Existenz in Kenntnis gesetzt hätten.

„Bumm, bumm, bumm“ tönt es auch immer wieder, wie schon erwähnt, wochenweise, aber mehrmals täglich, mal aus diesem, mal aus jenem Ort, wenn man die historischen Mauren totschießt, die man sich jetzt wieder ins Land holt. Eine geschichtliche Aufarbeitung, die dem Betrachter „spanisch“ vorkommt. Man treibt Stiere ins Wasser und schießt auf Wachteln – das Volk amüsiert sich gern draußen, wenn das Fernsehen nach zehn Stunden innen langweilt.

Aber das ist ein Phänomen: überall. Warum sich die Deutschen, die zwar nicht zu den lautesten Nationen gehören (Platz 1 und 2 haben die Spanier und die Japaner inne), aber immerhin doch so laut sind, dass sie im „Alten Europa“ als Lärmende wahrgenommen werden, doch am Umweltschutz des guten Gewissens so sehr klammern, bei dem beständig der Lärmschutz an der Urquelle ausgenommen wird, ist nicht der einzige unergründliche Widerspruch der Volksmeinung über die eigene Wahrnehmung.

Lärm schädigt – doch die Bekämpfung von Platzangst im Hühnerstall genießt eine höhere Priorität als die Nachtruhe von denkenden und arbeitenden Menschen, warum auch nicht, denken doch die Verantwortlichen für Umwelt und Verbraucherpolitik an ihresgleichen, nicht aber an die fremden Wesen, denen die Bekämpfung des Ursache-Wirkung - Lärmprinzips wichtiger ist, als Vogelgrippen-Hysterie und Dosenpfand.

Warum leise, wenn es auch laut geht? „A, a, a, a, a, a“, die stakkatohaften Töne, gepresst, immer kürzer, höher und lauter werdend, bestehend aus Lauten, die auch Gänse im Rudel von sich geben und kaum von denen zu unterscheiden, wehen aus heiserer weiblicher Kehle von jenem Platz herüber, den die Menge zur gemeinschaftlichen und Geschlechter gemischten Wochenendsauferei immer dann auswählt, wenn die Last der schweren Körper und die Leichtigkeit der Brieftaschen wieder nicht ausreichen, um einen der öffentlich zugänglichen Orte aufzusuchen, an dem man mit anderen und/oder Gleichgesinnten, dem kollektiven Absingen des Liedgutes oder der Spaß-Brüllerei nach Unterleibswitzchen frönen dürfte, ohne dass jemand auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass es auch noch andere Menschen außerhalb des versammelten Kreises gibt, die doch tatsächlich etwas Unnatürliches wollen, und zwar: Ruhe haben.

„Öhöhöhöhööö“, meldet sich der männliche Teil der Gemeinschaft zu Wort, dem, verzögert, aber doch wenig schüchtern, ein „Uuuhhhahahahaaa“ der Frauen beigemengt wird und darauf hindeutet, nun sei die 2-Promillegrenze über, und damit endgültig das Gesprächsniveau endgültig unterschritten, jedoch akustisch zu neuen Belästigungen in nie gekannter Höhe befähigt. Private Feiern im Wohnumfeld werden in Deutschland oder Spanien beständig noch immer zu einem Event der Polizeisirenen schrillen lässt.

Esel

Wer glaubte, den schlimmsten Auswüchsen in deutschen Landen entronnen zu sein, ist in Spanien vom Regen in den Ozean gefallen. Der Ruhesuchende ist ein Unikum, ein Ausgestoßener, einer, der von der Masse auf „Grübelkaten“ verwiesen wird, wo er gefälligst vor sich hinschimmeln soll, wenn er es an so offensichtlich an Geselligkeit mangeln lässt. Wer keine Gedanken zum Austauschen hat, meinte sinngemäß Schopenhauer, tauscht Karten aus. Fürwahr, aber er kannte das Fernsehen, das Motorrad, Auto-Musikboxen und die Disco noch nicht. Redet da jemand noch vom Fortschritt?

Menschen – und Tierrechte werden nicht selten missachtet – ein Anspruch im europäischen Geiste ist so kaum durchzusetzen. Spanien hat seit je her die über 600 Jahre dauernde islamistische Herrschaft, die sich in vielen alltäglichen Vorgängen zeigt, nie überwunden und der autoritäre Katholizismus hat ihn so ersetzt, wie etwa die Bolschewisten das zaristische System in Russland. Die Reislamisierung Spaniens bei gleichzeitiger Schwächung des Katholizismus und Stärkung der nationalistischen Kleinstaaterei, führt zu einer weiteren, kaum mehr schleichend zu bezeichnender Aufweichung des bisherigen Staates, doch ohne Ausgang durch die Tür, über der „Freiheit“ steht.

Weite Teile der „Kultur“ müssen der Acht unterliegen, der Widerspruch zur Zivilisation wird mit jenem Jahr, da archaische Verhaltensweisen zunehmen, weil das Volk immer stärker nach den blutigen Spielen, die ihnen nicht einmal mehr der überbordende Fernsehkonsum eines kaum 10jährige überfordernden Programms geben, schreit. Ächtung und Protest – das hätten sie verdient und solange daran nichts geändert wird, kann die Losung nur lauten „Keinen Cent aus EU-Geldern in das Gesellschaftsexperiment „Neu-altes Spanien“.

Nehmen wir das Verbrechen an den Wachteln wo sich sogar der Deutsche Tierschutzbund einmischt und auf seiner Homepage schreibt: “ Spanien lockt alljährlich viele Urlauber mit strahlendem Sonnenschein, endlosen Stränden, guter Küche und zahlreichen traditionellen Festen und Veranstaltungen. Dass Stierkämpfe, Hunderennen oder das Stiertreiben in Pamplona mit Tierquälerei verbunden sind, ist den meisten Touristen inzwischen bekannt. Dass in Spanien aber auch Wachteln und Tauben zur Volksbelustigung gequält werden, wissen viele Menschen nicht. In der beliebten Urlaubsprovinz Alicante hat sich eine – im Gegensatz zum Stierkampf – bislang von der Weltöffentlichkeit eher unbemerkte „Festivität“ entwickelt: Das „sportliche“ Wettschießen auf lebende Zielscheiben. Beim monatlichen Schießturnier in der Ortschaft Calpe in der beliebten Urlaubsprovinz Alicante werden lebende Wachteln - wie Scheiben beim Tontaubenschießen - in die Luft katapultiert, damit die Wettbewerber sie nach Herzenslust abknallen können. Als Variation können die Schießwütigen auch auf Tauben feuern, die per Hand losgelassen werden oder aus Kisten auffliegen. Die Veranstalter tragen dafür Sorge, dass die Vögel den Schützen möglichst direkt vor die Gewehrmündung fliegen, damit sie mühelos abgeschossen werden können.“

Auch Ziegenwerfen oder Gänsereiten gibt es Spanien, doch besonders übel ist der Umgang mit den Galgos. „Windhunde.de“ fragt einen Experten: „Wie kann es in einem christlich/katholischem Land wie Spanien zu so vielen brutalen Tierquälerei kommen?“ und bekam von Carlos García Santos die Antwort: „Weil hier jeder dort religiös ist, wenn es gerade praktisch ist …Gerade bei vielen Festen wo Heilige verehrt werden, sind mit Quälen von Tieren verbunden. Diese Bräuche sind zwar noch aus der Heidenzeit aber die katholische Kirche hat sich nie gegen diese Misshandlungen ausgesprochen, wahrscheinlich weil es sich trotz allem um religiöse Feste handelt, die „Kunden“ für die Kirche anziehen.“

Durch nichts überboten werden aber nach wie vor die Vorgänge beim Stierkampf. Ein paar Zitate einer Anti-Stierkampf-Homepage sollen das zeigen: „In einigen Orten jagt man die Rinder ins Meer (z.B. Denia); versucht, sie in einem Brunnen zu ertränken; lässt sie ein “Schaumbad” nehmen. Vergewaltigt sie mit Stöcken; rennt mit Einkaufswagen gegen sie; überfährt sie wieder und wieder mit alten Autos oder Traktoren. Oder man steckt ihnen Feuerwerkskörper an die Hörner, oder ein Gestell, an dem brennbares Material angebracht ist, welches angesteckt wird und ihnen Augen, Hörner und Fell versengt (Medinaceli).; CORIA - Stiere als lebende Dartscheiben – Der Stier wird stundenlang durch die Straßen getrieben, während die Leute ihre spitzen Pfeile auf ihn einwerfen oder durch Blasrohre beschießen. Bevorzugt werden die Augen und Hoden anvisiert. Durch Blutverlust und Anstrengung dem Tode nahe, wird er erschossen, bevor man ihn “kastriert” – nach 2stündiger unglaublicher Marter; MEDINACELLI (Soria) – Brennende Hölle – Die unglaubliche Barbarei besteht darin, dass eine Art Kugel auf beide Hörner gesetzt wird. Diese wird in Brand gesteckt, bevor die armen Stiere durch die Straßen gejagt werden. Durch Feuer und Rauch erleidet das Tier große Schmerzen.“

Aber deutsche Reiseunternehmer werben noch immer mit gerade jenem blutigen Ambiente und puschen den Blutrausch, dem sich der Pöbel, wie einst der „Dichter“ Hemingway, hingibt.



10 Kommentare »

  1. kurz und knapp gesagt:

    Was singen eigentlich diese anderen Länder vor den WM-Spielen? TITANIC übersetzt verblüffend abseitige Nationalhymnen. Heute: die spanische

    Heut‘ murksen wir fünf Stiere ab! (Es lebe Spanien!)
    Dann machen wir Siesta! (Es lebe Spanien!)
    Dann spießen wir zehn Stiere auf! (Es lebe Spanien!)
    Und gehen in den Puff, olé! (Es lebe Spanien!)

    Am Sonntag gehn wir in die Kirche! (Es lebe Spanien!)
    Dann orgeln wir zuhause! (Es lebe Spanien!)
    Dann beten wir den Rosenkranz! (Es lebe Spanien!)
    Und mauseln kurz noch auswärts! (Es lebe Spanien!)

    Täglich muß Fett in die Frisur! (Es lebe Spanien!)
    Täglich Paella auf den Tisch! (Es lebe Spanien!)
    Täglich fahrn wir nach Gehör! (Es lebe Spanien!)
    Und täglich Fußball ins TV! (Es lebe Spanien!)

    Kommentar von hegelxx — 28. Juni 2006 @ 12:42

  2. HANDELSBLATT, Sonntag, 18. Juni 2006, 09:30 Uhr

    Der geliebten Siesta droht das Aus

    Schlaflos in Spanien

    Von Stefanie Müller

    Der traditionell lange Arbeitstag in Spanien drückt die Produktivität. Die Regierung will deshalb die stundenlange Mittagsruhe Siesta abschaffen. Doch die Spanier hängen an diesem Lebenswandel, obwohl er auch gefährliche Nebenwirkungen hat.

    MADRID. Die quirlige Deutsche Alexandra Klein und ihr spanischer Mann Rodrigo arbeiten gegen die Zeit. Statt, wie es in Spanien üblich ist, mittags ausgedehnt auswärts Essen zu gehen und den Arbeitstag erst gegen 20 Uhr zu beenden, arbeitet die Grafikdesignerin, wie sie es aus der Heimat gewohnt ist: von 9 bis 18 Uhr, eine Stunde Mittagspause inklusive.

    Ganz anders die Spanier: Zwar fangen auch die Madrilenen um neun Uhr mit der Arbeit an. Um 11.30 Uhr aber legen sie erst einmal eine entspannte Frühstückspause von einer halben Stunde ein – meist in einer nahgelegenen Bar. Und von 14 bis 16 Uhr ist dann Siesta – das bedeutet in Spanien: Nichts geht mehr. Viele Unternehmen machen sogar bis 17 Uhr dicht, die Geschäfte noch länger. In dieser Zeit ist in den Firmen in der Regel niemand zu erreichen.

    Die 36-jährige Alexandra Klein konnte ihren Tag nur gegen den Strom gestalten, weil sie bei der Werbeagentur Nexst ihre eigene Chefin ist, und der Laden auch mit diesen Zeiten sehr gut läuft: ???Die Kunden haben sich darauf eingerichtet.“ Aber vielleicht ist das Arbeitsmodell der zweifachen Mutter demnächst schon keine Ausnahme mehr in Spanien.

    Denn die Siesta steht auf der Streichliste. Wie die Regierung hat auch der spanische Unternehmerverband Circulo de Empresarios in einem Bericht den Zusammenhang von ausgedehnten Arbeitszeiten und Wettbewerbsverlust angeprangert. Zurecht: Spanien kommt zwar, wie eine Studie der OECD zeigt, auf eine durchschnittliche Arbeitszeit von 1 744 Stunden pro Arbeitnehmer im Jahr – Deutschland auf 1 443. Aber bei der Produktivität bildet das Land das Schlusslicht der Europäischen Union. Beim Bruttoinlandsprodukt pro Stunde erreicht Spanien nur 79 Prozent der Produktivität der USA, Deutschland kommt immerhin auf 91 Prozent. Auch EU-Kommissar Joaquín Almunia warnt sein Land: ???Wir können hier nicht wie auf einer Insel leben und müssen unsere Arbeitszeiten denen in Nordeuropa anpassen.“

    Der Deutsche Volkhard Loeffler, Geschäftsführer des Schaumstoffherstellers Trocellen in Spanien, beweist, dass es anders geht. In seiner Fabrik in Madrid praktiziert er bereits seit langem den Arbeitstag ohne ausgedehnte Siesta. Die Verwaltung arbeitet nur bis etwa 17 Uhr, die Produktion in einer Acht-Stunden-Schicht. Von langen dreigängigen Mittagessen, wo auch noch Geschäfte gemacht werden und viel Wein getrunken wird, hält sich Loeffler fern: ???Danach kann doch keiner mehr klar denken.“ Gerade im Sommer, bei Temperaturen um die 40 Grad Celsius, lässt die Produktivität nach dem Essen drastisch nach. (Anm. TK: Dies ist ein Mythos, den es kaum gibt. Temperaturen ab 35 Grad, geschweige über 40, werden lediglich in der Regel für zwei, drei Wochen im August gemessen. Zwischen Mitte September und Mitte Juni herrschen hier weitgehend normale, teilweise, da ja der ganz harte Winter in dieser Form nicht vorkommt, bessere Bedingungen - was an der Siesta nichts ändert, DIE GIBT ES DAS GANZE JAHR DURCH).

    Aber nicht überall funktioniert das preußische Arbeitsmodell so gut wie bei Klein und Loeffler. Die größte Bank des Landes, die Banco Santander Central Hispano (SCH), hat ihren Sitz an den Rand von Madrid verlegt und dort eine eigene Firmenstadt mit Restaurants und Geschäften gegründet – fernab der Siesta-Zivilisation. Erklärtes Ziel: Die Mitarbeiter sollen in der Abgeschiedenheit kürzere Pausen machen, effizienter arbeiten und den Wunsch haben, eher nach Hause zu gehen. Das Ergebnis: „Wir essen jetzt zwar in einer Stunde, bleiben aber trotzdem fast alle bis 20 Uhr hier. Letztendlich arbeiten wir noch mehr als vorher. Das steckt irgendwie so in einem drin“, erzählt ein Bank-Mitarbeiter, der nicht genannt werden möchte.

    Dieser Lebenswandel hat gefährliche Nebenwirkungen. Pere Navarro von der spanischen Verkehrswacht Dirección General de Trafico (DGT) sieht ihn als Hauptursache für die rund 2 500 Verkehrstoten im Jahr. Damit nimmt Spanien EU-weit pro Einwohner den traurigen ersten Platz ein: „Bei den Unfällen spielt Übermüdung oder Alkohol fast immer eine Rolle. Und das steht in direktem Zusammenhang mit unserer anstrengenden Lebens- und Arbeitsweise.“ Denn für eine Siesta mit einen erholsamen Mittagsschläfchen – dafür bleibt den meisten Spaniern wegen der langen Anfahrtswege kaum noch Zeit. Weil sie durch diesen langen Arbeitstag oft erst um 22 Uhr zu Abend essen und vor Mitternacht nicht zu Bett gehen, sind die wenigsten morgens ausgeschlafen. Auch die hohe Zahl an Arbeitsunfällen in Spanien sowie die steigende Aggressivität im Alltag sieht der Unternehmerverband Circulo de Empresarios in engem Zusammenhang mit dem anstrengendem Arbeitstag. Die Spanier sind schlichtweg dauerübermüdet.

    Aber 34-jährige Arturo Baldesano, Chef des Madrider Büros der Landesbank Baden-Württemberg, bezweifelt, dass sich in den kommenden Jahren wirklich etwas am Arbeitsrhythmus in seinem Land ändern wird – trotz aller Bemühungen der spanischen Regierung. Denn der Spanier sind es einfach gewohnt, auch beim Arbeiten das Leben zu genießen. „Und dazu gehört einfach auch das lange Mittagessen, das Frühstück mit den Kollegen. Und in den Pausen tauscht man sich über Fußball und die Familie aus.“ Auch der Spanier Eduardo Montes, der jetzt als Vorstand für die Kommunikationssparte von Siemens in München zuständig ist, weiß das Persönliche im heimischen Arbeitsalltag zu schätzen: „Es macht am Ende des Tages zufriedener.“ (Anm. TK: Keineswegs, denn siehe oben - sie sind dauerübermüdet und extrem gereizt. Besonders zufrieden aber sind jene Menschen, die ca. 50% über dem Normallevel den Verkehrstod fanden, weil - - - )

    Kommentar von Campo-News — 29. Juni 2006 @ 14:28

  3. Wieder einer weniger. Richtig so.

    Kommentar von Campo-News — 2. Juli 2006 @ 14:38

  4. Da haben wir es wieder!!!!!!!!!!!!!

    SPANIEN

    Dutzende Tote bei U-Bahn-Unglück

    Mehr als 30 Menschen sind ums Leben gekommen, als eine U-Bahn in der spanischen Stadt Valencia entgleiste. Ersten Angaben zufolge handelt es sich um einen Unfall. Derzeit sind Zehntausende Pilger wegen des Weltfamilientreffens in der Stadt, in wenigen Tagen kommt der Papst.

    Madrid - Nach Angaben der Regionalregierung liegt die Zahl der Todesopfer bei etwa 30. Laut CNN sind 34 Menschen gestorben. Mehr als 20 Fahrgäste seien schwer verletzt worden. Etliche sind außerdem noch in den Waggons eingeschlossen. Ob unter den Eingeschlossenen weitere Tote seien, sei unklar.

    DPA
    Helfer beim Abtransport einer Verletzten: Fuhr der Fahrer zu schnell?

    Im Zentrum der ostspanischen Hafenstadt sei gegen 13 Uhr ein Zug zwischen zwei Stationen entgleist, zwei Waggons seien umgekippt, hieß es im spanischen Fernsehen. Die Bahn der Linie 1 sprang zwischen den Stationen Jesús und Plaza de España aus den Gleisen.

    Zahlreiche Rettungswagen und Polizeieinheiten sind im Einsatz. Auf Fernsehbildern sind Helfer zu sehen, die Verletzte auf Tragen abtransportieren. Der Unglücksort ist weiträumig abgesperrt. Nach Angaben des Katastrophenschutzes wurden 150 Menschen aus zwei Bahnstationen in Sicherheit gebracht.

    Die Ursache steht noch nicht fest. Ein Regierungssprecher sagte einem spanischen Radiosender, der U-Bahn-Fahrer sei vermutlich zu schnell gefahren. Außerdem sei ein Rad gebrochen.Anderen Vermutungen zufolge wurde das Unglück durch den Einsturz von Deckenteilen in der Tunnel-Röhre verursacht.

    Das Unglück ereignete sich wenige Tage vor einem Besuch von Papst Benedikt XVI. in der drittgrößten Stadt des Landes. Das katholische Kirchenoberhaupt wird zum Abschluss des Weltfamilientreffens am 8. und 9. Juli in Valencia erwartet. Zahlreiche Pilger sind bereits in der Stadt.

    ffr/reuters/AP/dpa

    von Spiegel-online

    Kommentar von Campo-News — 3. Juli 2006 @ 15:38

  5. Genau das ist es, was ich hier gebetsmühlenartig in die Köpfe hämmere: Vorgänge, außerhalb Europas (vielleicht noch in Rumänien oder Bulgarien möglich, aber auch dort kaum)

    Spiegel-online

    Verunglückte U-Bahn fuhr viel zu schnell

    Das schwere U-Bahn-Unglück im spanischen Valencia ist ersten Ermittlungen zufolge auf deutlich überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen. Die U-Bahn ist demnach mit 80 Stundenkilometern durch eine Kurve gerast, in der die Höchstgeschwindigkeit auf 40 km/h begrenzt war. (Anmerkung TK: Nicht auszuschließen, es wurde dabei noch telefoniert.)

    Valencia - Die Unfallursache teilte ein Sprecher der Eisenbahnergewerkschaft von Valencia mit. Er berief sich dabei auf die vorläufige Auswertung des Fahrt-Datenschreibers. Bei dem Unglück sind offiziellen Angaben zufolge 41 Menschen ums Leben gekommen, 39 wurden verletzt.

    Die Trauerfeier soll heute Abend in der Kathedrale von Valencia stattfinden. Zur Beisetzung der Opfer wird das spanische Königspaar und Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero erwartet. Der Regierungschef brach einen Besuch in Indien ab, um an dem Gottesdienst teilnehmen zu können.

    Die Regionalbehörden ordneten drei offizielle Trauertage an. In Valencia hielt am Mittag das öffentliche Leben für fünf Minuten still. Auch die Stadtverwaltung von Madrid rief ihre Bewohner auf, an der zentralen Puerta del Sol fünf Schweigeminuten für die Opfer einzulegen. Dies taten auch die Mitarbeiter der Regierung.

    Der für Infrastruktur verantwortliche Regionalvertreter José Ramon García Anton sagte, entgegen ersten Angaben seien die Räder ebenso wie das Tunnelgewölbe der U-Bahn “in perfektem Zustand”. Bei dem Unglück seien weder Gleise noch Schienen beschädigt worden. Der entgleiste Zug wurde nach Behördenangaben erst Ende Juni technisch überprüft. Auf derselben Linie hatte es im September vergangenen Jahres schon einmal einen Unfall mit 35 Verletzten gegeben.

    Das Unglück in der 1988 eröffneten U-Bahn von Valencia ereignete sich wenige Tage vor einem Besuch des Papstes in der Stadt. Das katholische Kirchenoberhaupt wird zum Abschluss des Weltfamilientreffens kommenden Samstag und Sonntag in Valencia erwartet. Die spanische katholische Kirche rechnet mit mindestens 1,5 Millionen Gläubigen. Viele Pilger befinden sich schon in der Stadt.
    str/AFP

    Kommentar von Campo-News — 4. Juli 2006 @ 17:52

  6. Kommentar von Campo-News — 7. Juli 2006 @ 12:20

  7. Warum wurden nicht noch mehr Dreckschweine aufgespießt?

    Kommentar von Campo-News — 10. Juli 2009 @ 10:24

  8. So ist sie halt, die spanische Mentalität. Echt!

    Kommentar von Campo-News — 25. November 2010 @ 17:50

  9. So sind sie, manche “Freien Wähler”: “Schöffel dagegen betreibt mit seiner Frau die “Weinhandlung Fronkreisch” und sagt, er sei Europäer. “Ich hab nix dagegen, wenn auf unserem Marktplatz ein Stierkampf stattfindet.” - http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/spanier-in-wunsiedel-zwei-buergermeister-rufen-experiment-ins-leben-a-895706.html

    Kommentar von Campo-News — 30. April 2013 @ 08:24

  10. http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/jagdhunde-in-spanien-fotograf-zeigt-ausgemusterte-tiere-a-1038841.html

    https://www.focus.de/gesundheit/news/tragischer-vorfall-in-valencia-frau-stirbt-nach-nobel-abendessen-deutscher-sternekoch-schliesst-nun-das-restaurant_id_10363676.html

    Kommentar von Campo-News — 19. Juni 2015 @ 10:59

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