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26. April 2006

Jaaaa hahahaha, wenn der Andert erzählt

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 13:29

Von Biermann über Honecker und Busch zu Seeger.

Von Tanja Krienen


Bertolt Brecht, 1951


Nun hat also der Reinhold Andert ein sehr sehr langes Interview gegeben.

Der Busch sei zuletzt etwas senil gewesen, sagt er, doch warum ER sich partout an ein paar Dinge nicht so recht erinnern kann, bleibt sein Geheimnis. Dass er jedoch tatsächlich bei der Trauerfeier Busch´s spielen durfte, weiß er. Auch nicht. Als Ex-Zölibatärer nahm er den Busch nicht sogleich wahr, - dies glaubt man ihm aufs Gesicht. Warum er die wahren Hintergründe der Partei-Mitgliedsaffäre kaum, und das Beinahe-Auftrittverbots Buschs gar nicht mitbekam? Hm.

Er glaubt auch einmal mit Busch aufgetreten zu sein, kann sich noch ganz schwach daran erinnern, auf Buschs 70.Geburtstag (im Jahre 1970) gewesen zu sein, und, potzblitz: der Biermann war auch da. In der Tat war der Biermann auch da. Obwohl der Busch wusste, dass es den anwesenden Parteileuten nicht gefiel, wenn er den schon 5 Jahre verbotenen Biermann zum Geburtstag einlud, so tat er es doch – und dem Andert kann gern bezüglich seiner Ernst Busch – Begegnung mit einem Bild aus der noch VOR dem Mauerfall erschienen Ernst Busch-Biographie nachgeholfen werden.

Busch links, Andert in der Mitte mit Brille

Andert spricht nur von den Misstönen angesichts der Befragung Buschs zu seinem Widerstand gegen die Nazis. Komplett unterschlägt er, worum es wirklich ging. So gab es nicht nur eine philisterhafte Kritik an seinen Songs (zu rhythmisch, zu viel „Proletkult“, zu wenig sowjetische Originaltöne) und vor allem: man hatte ihm sein Label, das „Lied der Zeit“ enteignet, in „Volkseigentum“ überführt. Dabei war es ein Projekt, an dem seit dem Spanischen Bürgerkrieg sein Herzblut klebte. Hier ein Auszug aus besagter Biographie „Ernst Busch“, Henschellverlag:

Andert aber irrt auch hier: Busch wurde nie ausgeschlossen, - seine Mitgliedschaft ruhte. Am Ende seines Lebens erhielt er dann doch ein neues Parteibuch, links im Bild Konrad Wolf, der Bruder des Geheimdienstchefs Markus Wolf.



Pete Seeger, so berichtet Andert stolz, sei auch in der DDR bei ihnen, beim Oktoberclub, gewesen. Schön, ein guter Anlass zuletzt auf Bruce Springsteens neues Werk hinzuweisen. Immerhin.


7 Kommentare »

  1. Nicht schlecht, Tanja,

    aber wenn das der arme Ernst Busch noch hätte erfahren dürfen:

    Karl-Heinz Ocasek
    über seine Arbeit als Schallplattenproduzent in der DDR und seine aktuelle Aufgabe als Liederverwalter von Ernst Busch

    “Ernst Busch war ein Jahrhundert-Mann!”
    (Gespräch am 6. Januar 2000 in Kleinmachnow)

    Karl-Heinz Ocasek mit einem Busch-Porträt des Künstlers Arno Mohr
    Karl Heinz Ocasek ist Jahrgang 1939. Er wächst im sächsischen Riesa auf und absolviert zunächst eine Lehre im dortigen Stahlwerk. Im betriebseigenen Chor ist er aktiv, lernt Gitarre- und Klavierspielen. In dieser Zeit hört er auch erstmals Lieder von Ernst Busch. Nach der Lehre studiert er Musik und wird Produzent beim staatseigenen Label VEB Deutsche Schallplatten. Der Betrieb geht zurück auf die 1946 von Ernst Busch gegründete Firma Lied der Zeit. Ocasek schließt sich der in den 60er Jahren entstehenden Singebewegung in Berlin an und wird Mitglied des Oktoberklubs. Als Produzent ist er 25 Jahre lang (bei dem Sublabel Amiga) für Unterhaltungsmusik zuständig. Nach der Wende und dem Aufkauf der wichtigsten Firmenbestandteile durch Bertelsmann wird er arbeitslos. Er beginnt, Material von früher zu sammeln und eine eigene Plattenfirma aufzubauen. So entsteht der Musikverlag Barbarossa. Herzstück des Verlagsprogramms ist das sängerische Werk Ernst Buschs.

    Das Gespräch findet in Karl-Heinz Ocaseks Wohnhaus in Kleinmachnow bei Berlin statt. Es dient als Grundlage für meinen Artikel zu Buschs 100. Geburtstag in der Süddeutschen Zeitung (22./23. Januar 2000).

    JV: Sie sind seit einiger Zeit im Besitz der Rechte an den Busch-Liedern. Wie ist es dazu gekommen?
    Karl-Heinz Ocasek: Es war so: Die gesamten Aufnahmen von Ernst Busch sind ja in der DDR beim VEB Deutsche Schallplatten erschienen, diesem Staatslabel, das es gab. Und nach der Wende wurde dann alles verkauft. Ich habe da seit 1969 gearbeitet, als Redakteur und Produzent, habe also auch sehr viele Sachen dort selber produziert und betreut, also von Puhdys (eine der bekanntesten Rockgruppen der DDR, JV) angefangen über sonstwas alles, und habe noch bis ‘94 da gearbeitet. Als einer der letzten habe ich dann diesen Betrieb verlassen und mich gefragt: Was passiert denn eigentlich hier? Da ging ein Stück nach dem andern, von dem, was wir mal selber gemacht hatten, den Bach runter: Der gesamte Eterna-Katalog wurde an die Edel-Company verkauft in Hamburg, die haben dann also diese Klassik-Sachen rausgebracht. Und alles andere, was so Amiga, Neues Lied, Busch und so wat alles war, wurde dann an die Ariola verkauft, an Bertelsmann - zu einem Preis, wo ich heute sagen würde: Das würde ich auch schultern, sozusagen…

    Das war praktisch ein Scherz …
    Ja, ja, das war es. Da wurden Altlasten übernommen…

    Wie hoch war er denn, der Preis?
    Es ging um acht Millionen. Aber wenn man bedenkt, was da rauszuholen ist, und was da möglich ist, das hat sich also bis heute schon mindestens zehnmal amortisiert durch die gesamte Herausgabe dieser Sachen. So, und dann habe ich also angefangen, ‘94 meine erste CD zu veröffentlichen. Aber das hing einfach damit zusammen, dass ich damals arbeitslos war und dachte: Wie geht denn das nun eigentlich weiter? Nun bin ich auch in ‘nem Alter, wo man nun och nich allzu viel Chancen hat, in diesem Sektor noch irgendwas zu werden. In meinem Alter ist man dort entweder Chef oder ist schon längst weg.

    Was heißt in Ihrem Alter? Wie alt sind Sie, wenn ich fragen darf?
    Ich bin jetzt 60. […] Ich habe dann also meine erste CD veröffentlicht, das war der “Canto General” von Mikis Theodorakis…

    …dieses berühmte Konzert…
    …ja, und das funktionierte insofern ganz gut, als mir nämlich Zweitausendeins auf einen Schlag 3000 Stück abgenommen hat, natürlich zu ‘nem fairen Preis und so. Aber plötzlich merkte ich: Es funktioniert.

    Für Sie stand nie was anderes zur Debatte, als etwas im Musikbereich zu machen…
    Eigentlich wollte ich nichts mehr in diesem Bereich machen… Nein, ich hätte irgendwas anderes gemacht. […] Ich war ein halbes Jahr arbeitslos, dann war ich in einem Kulturverein, habe dort Konzerte organisiert und Veranstaltungen, Lesungen und so. Das war ‘ne sehr schöne, angenehme Arbeit. Man war wieder irgendwo mit Leuten zusammen und konnte was bewegen und so. Und nebenher habe ich also dann mein Label aufgebaut, habe eine Produktion nach der andern selber gemacht oder übernommen oder gesucht: Wo gibt es noch Rechte und so. Das funktionierte dann so, dass ich mich ‘96 selbstständig gemacht habe […]. Das ist natürlich immer so ein Balance-Akt, das kann man eigentlich nur machen, wenn man genau abwägt: Kann man das machen, oder kann man’s nicht machen? Und dann kommt es auch drauf an, ob man Lust dazu hat oder nicht. Und dann macht man eben auch manchmal Sachen wie den Heiner Müller, wo ich von vornherein weiß: Das bringt die Kosten nicht wieder rein. Aber wenn man dann eben einen guten Katalog hat, dann kann man sagen: Das schmückt, und das will ich gerne machen. Weil das gehört zu meinem Wissen, zu meiner Kultur, zu dem, was ich mal gemacht habe. Und dann macht man eben so was.[…] So ergibt sich eins nach dem andern.

    Was waren denn Ihre Stationen bei der VEB Deutsche Schallplatten? Sie haben gesagt, Sie haben die Puhdys produziert… Haben Sie mehr im Rockbereich gemacht oder mehr Chanson oder Liedermacher?
    Ich habe fünf Jahre Musik studiert in Dresden, Klavier und Gesang, und war dann zwei Jahre freischaffend nach meinem Diplom und habe dann 1966 beim Rundfunk angefangen als Musikredakteur und habe ‘69 bei der Schallplatte angefangen. […] Durch diese gesamte Ausbildung waren wir Allrounder: Ich habe also mit der Staatskapelle Dresden Operetten produziert, habe Liedermacher gemacht, habe Volksmusik produziert - das gehörte dann quasi zur Allgemeinbildung. Wobei mir natürlich sehr viel auch die Arbeit beim Rundfunk geholfen hat. Ich war da in so einer Abteilung, die nannte sich “Volkskünstlerisches Schaffen”, und da fiel alles darunter: Amateur-Tanzmusik, die normale Volksmusik, Liedermacher und die Singebewegung, eine Jugendbewegung, die damals im Entstehen war. […]

    Für welche Art von Musik konnten Sie sich persönlich am ehesten erwärmen?
    […] Am meisten haben mich natürlich Sachen interessiert, die so in die klassischen Bereiche gingen, weil ich selber auch privat eigentlich fast nur Klassik höre. Auch meine Kinder machen Musik: Geige, Flöte. Meine Frau spielt Geige, wir machen Hausmusik und so…

    Dann wären Sie bei Eterna doch eigentlich besser aufgehoben gewesen…
    Nee, die waren mir schon wieder zu steril. Nee, nee, das war schon okay so, auch vom Arbeitsklima her. Und vor allem: Bei dem, was ich gemacht habe, war man viel näher dran am Leben. […] Und ich habe sehr viel auch Liedermacher produziert: Hans-Eckardt Wenzel, Kurt Demmler, Gerhard Schöne und so wat. Das war so ‘ne Welt, wo ich merkte: Da is wenigstens noch ‘n bissl was zu bewegen. Weil bei den Sachen, die man mit den Rockgruppen gemacht hat, da ging’s immer um Textdiskussionen und so. Also, viel war da nicht zu bewegen. Da hat man sich immer irgendwann auf so ‘nem Nenner gefunden, wo man irgendwie über verschiedene Wege rausgekriegt hat, ob man das noch machen kann oder nicht mehr. Und dann wurde immer so’n Kompromiss geschlossen, dann wurde gesagt: na gut, okay. Deswegen sollen die Rockgruppen heute nie sagen, sie seien zensiert worden oder so, des war ‘ne gegenseitige Zensur!

    Was heißt “gegenseitig”?
    Naja, man hat sich dann irgendwo getroffen und hat gesagt: “Pass mal auf, also das Wort Intershop oder irgend so ‘n blödes Ding, das muss raus!” Dann ham’se gesagt: “Na gut,
    okay, dann nehmen wa halt was anderes”.

    Gehörte das auch zu Ihrer Aufgabe, auf die Inhalte zu achten?
    Sicher, das gehörte schon dazu. Wobei: Ich hab mich da nie als Zensor verstanden. […] Zu ‘nem Produzenten gehört natürlich, dass er für das Produkt rundum zuständig ist. Das hing mit Produktionsabläufen und allem zusammen und Texten und Musik und so.

    Es durfte eben nichts dabei rauskommen, wo es am Ende hätte Schwierigkeiten geben können…
    Ja, sicher, sicher. Aber das wusste jeder. […] Es gibt bestimmte Sachen, die man sich anhören kann, wo heute selbst Leute, die damals in der Szene standen, sagen: “Wat? Und das is damals produziert worden?” Das sind so Sternstunden, wo mal einer nich richtig aufgepasst hat. Das hing natürlich auch damit zusammen, dass wir bei der Schallplatte relative Freiheiten hatten. Also zum Beispiel Fernsehen und Rundfunk waren irgendwie dem Zentralkommitee unterstellt, auf so ‘ner Ebene, gehörten zum Ministerrat oder so wat. Und die Schallplatte gehörte zum Ministerium für Kultur, und die musste immer am Jahresanfang ‘n Programm vorlegen, was veröffentlicht werden sollte. Und da hat irgendeener da mal drübergeguckt und hat gesagt: “Is ja in Ordnung”. Und dann hat er vielleicht gesagt: “Ja, aber Vera Oelschlegel is doch da gar nich drinne”. Das war die Frau von, weiß der Teufel, von irgend ‘nem Bezirkssekretär von Berlin oder so wat. Dann wurde gesagt: “Ach Gott ja, Vera!”. Und dann wurde irgend so ‘ne Alibi-Platte mit reingeschoben. Also, irgendwo hat man sich getroffen. Und die Texte wurden, wie gesagt, also die Inhalte wurden dann in der Redaktion abgestimmt und mit den Gruppen. Und dann wurde eben halt so hin und her diskutiert.

    Aber man musste sozusagen schon auf Parteilinie sein, um da arbeiten zu können, oder? Das war ja ein großer Betrieb, der Sachen produziert hat, die irgendwo auch für das Bild der DDR standen. Hat man drauf geachtet, dass Sie alle in der SED waren, war das wichtig?
    Nö, das war nich wichtig. Nee, nee, das war nicht wichtig.

    Oder war es eher umgekehrt? War das eher eine Zelle, wo man sich noch was rausnehmen konnte?
    Das war’s auf alle Fälle! Also, das war’s auf alle Fälle. Verglichen mit der Zensur und den Produktionsbedingungen beim Rundfunk: Da wurde wesentlich mehr reingeredet als bei uns. Bei uns gab’s doch relative Freiheiten. Und das haben wir immer eigentlich damit begründet, weil wir gesagt haben: Okay, so’ne Platte, wenn wir die produzieren, dann is das so’n Gesamtbild, die hat 12 Titel. Und da gibt’s mal einen, der ‘n bissl bekennender is und dann natürlich auch ‘n bissl Kritik und so. Also, das war schon relativ ausgewogen. Nein, nein, das wär ja unsinnig, wenn da lauter so stramme Leute gesessen hätten - dann hätte man das gleich zumachen können. Wir waren ja alle interessiert, ‘n bisschen wat einzubringen oder zu verändern. Natürlich nicht gewaltig, das konnte man sich damals gar nicht so vorstellen.

    Wie war das dann mit Ernst Busch? Hat der in Ihrer Arbeit schon eine Rolle gespielt? Kannten Sie ihn vielleicht sogar?
    Jaja, ich kannte ihn. Hier in diesem Buch gibt es auch ein Bild. Mal sehen, ob ich es finde […]. Ich blättere es mal durch, dann werde ich’s irgendwann finden (Bildband von Hoffmann/Siebig enthält auf S. 348 Foto von Buschs 70. Geburtstag, bei dem ihm Mitglieder des Berliner Oktoberklubs, darunter Karl Heinz Ocasek, ein Ständchen darbringen, JV). Ja, ich kannte ihn. Außerdem hat er ja auch im Reichstagsufer bei uns produziert, wo unser Sitz war. […] Das war direkt am Reichstag, die ehemalige Reichskanzlervilla war der Sitz der Deutschen Schallplatte. […] Dort habe ich ihn öfter getroffen, er war da schon sehr alt, also ich kannte ihn schon.

    Haben Sie ihn auch mal bei Aufnahmen erlebt?
    Jaja, habe ich auch. Aber immer nur so mal im Hintergrund. Und dann musste man möglichst wieder verschwinden, weil er war da sehr eigenartig…

    Was heißt eigenartig?
    Als er dann produzierte - so ab 1970 - war er auch nicht mehr so ganz gut, und das hat er dann selber schon gemerkt. Und das ist immer ‘n Problem: Wenn man dann im Studio steht, kriegt man schon mit, dass die Stimme nicht mehr so ganz modulationsfähig ist. Deswegen hatte er da natürlich was dagegen. […] Man wird immer mal an ‘ner falschen Stelle erwischt oder an ‘ner schlechten Stelle. Und außerdem war er da auch schon, ja doch ziemlich…

    Er war nicht mehr fit?
    Nee, er war nicht mehr fit.

    Aber Sie selbst haben damals keine Songs mit ihm produziert, oder?
    Nee, das nicht.

    Aber Sie mochten ihn und seine Lieder…
    Ja, ja, sicher, sicher!

    Sonst kommt man ja auch nicht auf die Idee, all die Lieder neu herauszugeben. Sie machen das ja nicht aus finanziellem Interesse, all die Platten und Bänder im Keller einzulagern. Um also nochmal auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Wie hat sich das denn abgespielt mit den Rechten an den Busch-Liedern?
    Also, es hat eigentlich damit angefangen, dass ich natürlich auch suchen musste: Wo krieg ich denn billig Material her, um etwas zu veröffentlichen? Da hab ich also damals zwei CDs veröffentlicht: “Der Rote Orpheus” und “Der Barrikaden-Tauber”. Das ist Material, was frei ist, nach 50 Jahren ist die Schutzfrist für künstlerische Leistungen abgelaufen. Und diese Lieder hat er alle in den 30er Jahren produziert. Und da habe ich also überall die alten Schellacks zusammengesucht, denn die sind ja eigentlich nur auf alten Schellacks erhalten geblieben, habe also in Archiven überall gesucht, bei Sammlern und so - bis ich seine gesamten Sachen aus dieser Zeit zusammen hatte. Und die habe ich dann veröffentlicht…

    … von den Schellacks …
    …von den Schellacks, jaja.

    Da gibt es wahrscheinlich keine Matritzen mehr…
    Nein, nein, nein, das ist alles weg!

    Die Klang-Qualität ist erstaunlich gut.
    Ja, das ist natürlich auch sehr aufwändig bearbeitet. Kostet auch sehr viel Geld, das wird dann über Computer gemacht. […] Und dann war es aber plötzlich mit dem Busch-Material alle, und es ging nicht mehr weiter. Und dann habe ich im Rundfunk-Archiv gesucht und bin darauf gestoßen, dass er dort 1959 mal ‘ne ganze Masse von Tucholsky-Songs produziert hat, damals noch mit Hanns Eisler zusammen. Und dann hab ich die mal verglichen und habe mitgekriegt, dass die ja gar nicht identisch sind mit denen, die er später produziert hat. Und daraufhin habe ich mir die dort (beim Deutschen Musikarchiv-Ost, JV) gekauft und habe die veröffentlicht. […] Das waren 24 Titel, da fehlten mir aber noch sechs, dann hätte ich zwei CDs machen können. Ich habe also bei den Leuten von Ariola, also Amiga, angefragt, ob sie mir nicht aus dem alten Busch-Bestand, den sie ja haben, ob sie mir da nicht sechs Stück geben können, damit ich zwei CDs machen kann. Da ham die gesagt: Nee, das geben ’se nicht raus, weil sie wollen das selber machen. Das hat mich doch irgendwie sehr geärgert und gewurmt, und daraufhin habe ich mich mal in die Akademie der Künste begeben. Er war ja Mitglied der Akademie der Künste früher, und dort gibt es auch das Ernst-Busch-Archiv. Und ich habe dort mal in dem gesamten Aktenbestand recherchiert und bin dann darauf gestoßen, dass also diese Aufnahmen, die später veröffentlicht wurden, alle in Zusammenarbeit zwischen der Akademie der Künste und Ernst Busch produziert wurden; und dass Eigentümer Ernst Busch und die Akademie der Künste sind, und dass die lediglich immer nur der Deutschen Schallplatte zur Auswertung übergeben wurden. Es gab ja auch ‘n eigenes Label, Aurora, auf dem nur diese Busch-Sachen veröffentlicht wurden.

    Aurora war praktisch der Nachfolger von Lied der Zeit…
    Ja. Da hab ich erst mal rausgekriegt, dass die Rechtslage gar nicht so ist, wie die Leute von Ariola gesagt hatten…

    Ariola hatte gar nicht die Rechte…
    Nee, sie hatten nicht die Rechte. Sie dachten nur, sie hätten die Rechte. Und daraufhin habe ich ungefähr ein Jahr im Stillen recherchiert. Man darf mit so was ja nicht laut werden. […] Ich habe also lange versucht, das aufzudröseln, damit das auch hieb- und stichfest ist; und bin dann zu dem Rechtsanwalt gegangen, der die Busch-Erben vertritt. Das ist seine Frau, die ist aber in der Klinik, die hat schweren Alzheimer und ist überhaupt nicht ansprechbar, und wird durch diesen Rechtsanwalt vertreten, in Pflegschaft oder so. Mit dem ging es also ein halbes Jahr hin und her…

    Irene Busch war doch eine Zeit lang noch Verwalterin und hat sich um das zum Museum ausgebaute Ernst Busch-Haus gekümmert…
    Ja, das Ernst-Busch-Haus in Pankow. […] Nach der Wende ging das eigentlich los, da war sie einfach nicht mehr geschäftsfähig. […] Ich habe dann also dem Rechtsanwalt genau erklärt, was ich leisten muss, um das zu veröffentlichen, dass kein Mensch sich eigentlich interessiert, dass ich diese Sachen sonst woher holen muss und aufbereiten muss. Er hatte erst Riesen-Vorstellungen von Geld, bis er es dann begriffen hat. Es gingen also dann zu ‘nem ziemlich fairen Preis die Rechte an mich - mit der Option natürlich: Immer wenn ich was veröffentliche, kriegt er pro CD soundsoviel Prozent.

    Und die Akademie hat das an Sie abgetreten…
    Nein, nein. Die Akademie hatte irgendwann gesagt: “Nee, wir haben keene Rechte daran, wir wollen gar nichts damit zu tun haben. Das liegt alles bei Herrn Busch und den Busch-Erben.”

    Dann war das doch recht günstig für Sie…
    Naja, ich meine, hat schon Geld gekostet. Aber das ist unter heutigen Gesichtspunkten schon toll, dass man den Katalog von so ‘nem wichtigen Menschen hat.

    Sie haben das jetzt so gut wie komplett. Wenn man mal von den 30er Jahren absieht, da fehlt wahrscheinlich einiges, oder?
    Ja. Und es geht natürlich nur darum, dass ich lediglich diesen musikalischen Nachlass verwalte. Es geht nicht um die Autografen und seine Briefe und so was. […] Nachdem also der Vertrag wasserdicht war, habe ich den Leuten von Ariola mitgeteilt: Ich veröffentliche jetzt das und das. Und falls von ihrer Seite aus berechtigte Ansprüche bestehen, sollen sie mir das bitte mitteilen. Und dann haben die mir geschrieben: “Ja, das geht ja überhaupt nicht, die Rechte liegen ja bei uns!”. Da hab ich gesagt: Bitteschön schauen Sie doch mal in Ihre Verträge! Und dann ham’se gesagt: “Hm, aha…”. Und dann hat sich eine Rechtsanwältin von Ariola aus München gemeldet. Die hat gesagt: “Ja, aber wir haben das doch gekauft”, ich hab dann gesagt: Wissen Sie, da hätte doch Ihre Rechtsabteilung, die diesen Kauf abgewickelt hat, mal in die Verträge reinschauen müssen. Dann hätte sie gesehen, dass die Schallplatte gar nicht berechtigt ist, diese Bänder zu verkaufen. Ja, und dann wollten sie also nun von mir noch Geld haben - dafür, dass ’se die Bänder nun also doch umsonst… Ich sage: Dann wenden Sie sich mal an die, die Ihnen die Bänder verkauft haben. Naja, und dann ging das noch ‘n Vierteljahr hin und her, und dann ham’se irgendwie gesagt: “Gut, okay, dann schicken wir Ihnen jetzt das ganze Zeugs zu.” Und jetzt habe ich die ganzen Bänder, und die liegen bei mir im Keller und werden nun langsam aufgearbeitet. Aber das war schon… Ich meine, sie haben’s Gott sei Dank kapiert, aber ich hätte nicht ‘nen dreijährigen Rechtsstreit mit denen durchgehalten.

    Sie sind also mit BMG/Ariola nicht im Streit auseinander gegangen?
    Nein, nein, nein. […] Ich hab natürlich mit den Leuten, die den alten Amiga-Nachlass verwalten, ‘n gutes Verhältnis. Erstmal sind das Leute von früher, die ich kenne, mit denen ich also zusammen gearbeitet habe und so. Und zweitens breche ich natürlich ab und zu in etwas ein, wo sie denken, das sei ihr Metier - zum Beispiel habe ich die Pionierlieder vor ihnen veröffentlicht. Aber dass sie selber auf so ‘ne Idee gar nich kommen, det is was Anderes. […] Aber es hängt natürlich auch damit zusammen: Wenn die mit so ‘ner Idee ankommen würden, dann müssten die das in irgendwelchen großen Repertoire-Sitzungen vorstellen und so… Wenn ich heute sage: Ich mache so wat, dann setze ich mich ans Telefon, und dann ist das morgen gemacht. Nur bei denen wird ‘n Plan gemacht, und dann heißt es “Ja, was ist denn das?”. Und dann sagen die so und so. Dann heißt es: “Kennen wa überhaupt nicht! Wieviel wollen Sie denn da verkaufen?” Und dann sagen die: “Naja, hm, 3000 Stück”, dann heißt es: “Kommen Se, lassen Se doch mal!”. Was sind 3000 Stück für einen Konzern wie Ariola? Ich meine, bei ‘nem Newcomer sagen die noch:”Na gut, okay, 3000, da wird’s vielleicht mal irgendwann”, aber bei so ‘nem Material sagen se: “Was is denn det?”.

    Wer heute irgendwelche Lieder von Busch auf Tonträger rausbringen will, muss sich also an Sie wenden?
    Richtig, ja. […]

    Nur der Musikverlag Pläne in Dortmund darf nach wie vor seine drei Busch-Platten anbieten…
    Die haben da noch alte DDR-Verträge. […] Das stört meine Kreise nicht.
    [Ende der ersten Kassettenseite]

    Das Aktivierende bei Busch

    Nun zu den Busch Liedern selbst: Was bedeuten die Ihnen persönlich?
    Das hängt natürlich auch mit meiner persönlichen Entwicklung zusammen. Ich kenne Busch-Lieder seit Mitte der 50er Jahre. Und das war schon jemand, der zu meinem Horizont gehört hat, ohne dass ich ihn kannte oder so wat. Aber das war eben so’n Sänger, der mir angenehm war. Es gab ja damals nicht allzuviel: Es gab Schlager, es gab Volkslieder und dann gab’s so wat, politische Lieder. […] Das hat mich angesprochen.

    Was hat Sie da genau angesprochen, lässt sich das in Worte fassen?
    Naja, vor allen Dingen war es seine Stimme und dann natürlich auch seine Biografie. Also, für mich war das natürlich wahnsinnig, dass jemand im Spanischen Bürgerkrieg gekämpft hat.

    Hat er denn da richtig gekämpft?
    Naja, nein, nicht mit der Waffe in der Hand gekämpft. Er war da eben anderthalb Jahre und war natürlich immer involviert in diese ganze Geschichte, hat da Liederbücher rausgegeben, hat da produziert…

    Haben Sie diese Biografie im Hinterkopf sozusagen gehabt? Gehörte das allgemein zum Wissen, dass das jemand war, der in Spanien war als Antifaschist?
    Jaja. Ich meine, es wurde nicht in der Schule gelehrt oder so wat. Aber das war etwas, was man so wusste, oder wo man irgendwo hingeführt wurde.

    Ging das nur Ihnen so oder auch Altersgenossen, Freunden und Bekannten?
    Naja, ich stamme aus ‘ner kleinen Stadt in Sachsen, und da gab’s also ein Stahlwerk, das Stahlwerk Riesa. Und das is wie im Ruhrgebiet oder so: Da gibt’s irgendein Werk, und dann müssen eben alle da hingehen als Schlosser oder dieses oder jenes. Ich habe da gelernt als SM-Stahlwerker, also am Ofen mit Kelle, ‘n richtig schwerer Beruf…

    Was heißt SM?
    Siemens-Martin. Und dort hatten die so’n Ensemble, da hab ich im Chor gesungen und habe nebenbei dort Klavier- und Gitarrenunterricht gehabt. Ich war in so’m Malzirkel, dabei konnte ich gar nicht malen… Ich war immer sehr interessiert, irgendwas künstlerisch zu machen, weil in so ‘ner Kleinstadt gab’s ja damals nichts. Es gab kein Fernsehen, es gab irgendwie ein Flohkino und nichts anderes. Es gab keine Veranstaltungen. In den 50er Jahren war es ein schwieriges Leben. Und durch meine Arbeit im Chor, wo man Volkslieder gesungen hat und eben auch diese ersten Lieder aus den 50er Jahren, die Aufbaulieder, gesungen hat, da spielte natürlich Busch auch ‘ne Rolle. Weil der mit seiner Firma Lied der Zeit damals diese ersten Sachen veröffentlicht hat - so Ende der 40er Jahre. Und da war das schon für mich etwas völlig Normales. Es gab schon auch Gleichgesinnte, aber die große Masse hat das eigentlich nicht so interessiert.

    War er nicht so populär?
    Nee, nee.

    Denn da war ja schon ein Ziel: die Jugendlichen anzusprechen. Das ist dann eigentlich nicht so ganz gelungen, oder?
    Nein, natürlich ist das nicht gelungen.

    Das ist wahrscheinlich eher gelungen damals, als er selber noch jung war, als er mit Eisler in irgendwelchen Kneipen den Leuten was vorgetragen hat. Da gab’s dann Aufruhr und die Leute sind mitgegangen. Das ließ sich kaum wiederholen…
    Nee, natürlich nicht. Da war ja auch ‘ne andere Atmosphäre und so. In den 50er Jahren war das doch ‘ne ziemlich bleierne Geschichte, und es gab auch wenig, wo man anfassen konnte. Und nachdem man Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre noch versucht hat zu gestalten oder Aufbau zu machen, wurde dann versucht, möglichst alles bissl runterzufahren. Und da spielte er dann überhaupt keine Rolle mehr. Das war natürlich sehr schade. […]

    Busch hat sich ja selbst gar nicht unbedingt als Musiker verstanden. Wird er eigentlich von klassischen Musikern ernst genommen - sozusagen als seriöser Sänger?
    Ja doch, ich glaub schon. Ich meine, sie können sicher nichts damit anfangen, was er singt und so. Aber wenn er Goethe-Lieder singt oder Beethoven-Lieder, dann ist das natürlich überwältigend. Also es ist natürlich nicht im Sinne des Kunstliedes […]. Aber das ist mir eine sehr angenehme Art, ein Beethoven-Lied zu rezipieren…

    Was ist denn das Angenehme?
    Das Angenehme ist, dass er so natürlich ist. Dass er ‘ne Stimme hat, die das alles bewältigt, was da an Schwierigkeiten drin ist, an Koloraturen und Höhen und so wat alles. Und dass er das aber mit einer völlig normalen Stimme machen kann, also nicht so überhöht und exaltiert und ganz ohne diesen komischen Pseudo-Schein. Das ist eben eine ganz ehrliche Geschichte, die er macht.

    Ist es nicht so, dass es ihm vor allem darauf ankam, den Text rüberzubringen, weil er auch so unglaublich artikulierte?
    Das ja, aber Sie müssen sich mal diese Beethoven-Lieder anhören. Also, er ist ein sehr musikalischer Mensch, der spürt diesen Sachen nach, das ist fantastisch. Das ist ein richtiger Liedersänger gewesen. Ich bedaure außerordentlich, dass er zum Beispiel nie die “Winterreise” oder so wat gesungen hat, also ‘n richtiges klassisches romantisches Werk.

    Hat ihn wohl nicht so interessiert…
    Er hatte da keine Zeit dazu wahrscheinlich. Aber ich glaube, wenn man ihn irgendwann mal darauf gebracht hätte, hätte er das vielleicht mal begriffen. Wobei das war damals für ihn in seiner ganzen Arbeit, die er zu tun hatte, war das etwas, was nicht so wichtig gewesen wäre. Aber wenn man mal Zeit gehabt hätte, ihn darauf anzusprechen - ich glaube, er hätte es wunderbar gemacht. Denn er hatte den Schmelz, den man dazu braucht.

    Neben diesem musikalischen Aspekt: Was glauben Sie, da Sie die CDs ja auch herausgeben, welche Bedeutung haben diese Lieder heute noch? Kann Busch uns, Ossis und Wessis, überhaupt noch etwas sagen?
    Es ist so, dass er ein Jahrhundert-Mann war. Er bezeichnet sich selber so. Er ist 1900 geboren […]. Und das mit den Jahreszahlen war für ihn selber faszinierend, dass ihn das immer so begleitet hat. […] Das waren also auch immer seine Lebensjahre. Er hat das 20. Jahrhundert quasi so mitverfolgt. Und er hat in dieser Zeit gelebt, und er hat auch relativ eingegriffen in diese Zeit: Also Weimarer Republik, Hitler, Emigration, Spanien, die Zeit nach ‘45 - er hat da immer Lieder dazu geschaffen. Er war ja auch befreundet mit Walter Mehring, mit Kästner, mit Piscator, mit Brecht, Eisler. Er war ja wirklich in diesem Kreis einer, der dazu gehörte, einer der Großen. Und er ist ja auch von ihnen allen akzeptiert worden. Und er hat sie ja auch, Tucholsky oder so, die also immer was zum Tagesgeschehen gesagt haben, die hat er ja auch immer gesungen. Das heißt, er hat “Das 20. Jahrhundert in Liedern und Kantaten”, wie er es ja eigentlich wollte, fast vollendet. Und das ist, glaube ich, auch das Wichtigste, was auch sein Anliegen war. […] So nannte er seine gesamte Entwicklung. Er hat es nicht ganz zu Ende gebracht.

    Das war jetzt ein Plädoyer dafür, dass er der Zeitzeuge ist.
    Ja, ja. Nun ist es natürlich schwierig zu sagen, was er heute noch bewegen kann. Ich meine, er ist heute - wie alle Leute, die Zeitzeugen waren - ‘n bisschen ‘n Museum, leider möchte ich sagen. Weil es sind natürlich auch viele Sachen, die haben über diese tagesaktuellen oder über bestimmte historische Dinge hinaus auch heute noch Bedeutung. Und wenn man sich damit beschäftigt, dann merkt man erst, wie aktivierend das eigentlich ist auch für die heutige Zeit: So wat nochmal zu hören oder so wat einfach herauszustellen und anderen Leuten irgendwie nahe zu bringen. […] Ich glaube, es wird eine Zeit geben, wo die Leute so etwas wieder begreifen und wo sie so etwas auch annehmen werden. […] Weil es gibt ja im Moment niemand, der irgendwie sich als Sänger oder als Schauspieler in so einer Richtung richtig betätigt und herausstellt. Es gibt ja nur so Dinge, die irgendwo mittendrin liegen. […]

    Bei der Beschäftigung mit seinen Liedern und seinem Leben ist mir aufgefallen, dass Busch sehr wenig Kritik empfunden zu haben scheint am SED-Staat. […] Glauben Sie, dass er wirklich so bedingungslos hinter der Partei gestanden hat, wie es den Anschein hat? Es gibt ja auch diese Lieder wie “Die Partei hat immer recht”, das sind Texte, die sich heute fast wie eine Satire anhören, aber es war ja sehr ernst gemeint…
    Also kurz zu “Die Partei hat immer recht”: Das ist ein Lied von Louis Fürnberg. Louis Fürnberg war ein Tscheche, war in der Emigration, war Jude, ist nach ‘45 auch nach Deutschland gekommen. Seine Frau lebt heute noch in Weimar, mit der habe ich telefoniert, weil ich das Lied von der Partei auf die CD nehmen wollte. Und sie hat gesagt: “Tun Sie mir den Gefallen, machen Sie’s nicht!”. Sie hat gesagt: “Wissen Sie, Louis Fürnberg hat so schöne Sachen geschrieben: Goethe auf der Reise nach Prag, und er hat wunderschöne Gedichte geschrieben, er hat Romane geschrieben.” Und sie hat gesagt, sie wird angefeindet in Weimar wegen diesem Lied. […] Das kann nur aus der Zeit heraus verstanden werden: ‘45, ‘46 hat er das geschrieben. […]

    Andere hat das nicht gekümmert. Auf der Compilation-CD vom Deutschlandfunk mit dem Titel “Die Partei hat immer recht” ist das Lied enthalten - ohne Rücksicht auf die Witwe.
    Ja, is mir völlig klar! Na sicher is mir das klar.

    Sie haben das Lied deswegen nicht mit drauf genommen, weil die Witwe Louis Fürnbergs Sie darum gebeten hat?
    Ja. Ich meine: Es gibt keinen rechtlichen Grund, der mich gehindert hätte, es drauf zu nehmen. Ich hätte es auch gerne drauf gehabt, weil verschiedene Leute mich angeschrieben haben und gefragt haben: “Warum ist denn das Lied von der Partei nicht drauf?” […] Und es gehört ja auch zur historischen Vollständigkeit. Die haben gedacht, ich will das irgendwie aus der Biografie ausklammern oder so wat. Ich meine: Da die CD vom Deutschlandfunk ‘ne eindeutige Stoßrichtung hat, ist mir das klar, dass die das drauf genommen haben. […] Gut: Der Staat, den es dann nach ‘45 hier gab, das war ja der Staat, […] in dem er dann gelebt hat, und das war der Staat, ob in dieser Form oder nicht, der seit dem Anfang seiner politischen Interessen für ihn dann am Ende stehen sollte. Da gab es also ‘ne ganze Masse von Gleichgesinnten von Brecht, Eisler über Heinrich Mann… Sie können also da die ganze Garde dieser linken Leute nehmen, die damals hierher gekommen sind, mit denen er da in einer Gemeinschaft war. Und dann haben die irgendwann gemerkt: Oh Gott, das geht ja völlig gegen den Baum hier. Also das geht in eine andere Richtung, als sie eigentlich wollten. Das war Anfang der 50er Jahre, wo die dann merkten: Jetzt entsteht hier etwas, was wir kennen und was wir eigentlich nicht wollen. Das kennen wir erstens aus dem Dritten Reich, sie haben es nicht so laut gesagt, aber ‘n paar Strukturen waren ja irgendwo da […]. Ich weiß das aus vielen Gesprächen mit alten Leuten, die in dieser Zeit bewusst Einfluss gehabt haben, also jetzt keine Staatsfunktionäre oder so, aber alte Leute von der Weltbühne und so. […] Die haben sich in eine sogenannte “Innere Emigration” zurückgezogen, haben nur in ihren eigenen Zirkeln ihre Sachen, ihr Unverständnis geäußert und haben natürlich nach außen hin immer versucht, irgendwo ‘n bisschen noch die Fahne hoch zu halten. Aber eigentlich waren sie da schon zum größten Teil enttäuscht. Zum Beispiel: Wie Busch 1953 enteignet wurde, ging ja voraus die gesamte Zeit 1950/51/52, als er von der Kunstkommission irgendwie reglementiert wurde, die also in seine Produktionspläne reingeredet haben, die gesagt haben: “Also, das machen Sie bitte nicht!”, und so wat alles. Das ist ja auch dokumentiert, wo Eisler dann geschrieben hat: “Lieber Ernst, lass Dir das doch nicht gefallen!”…

    Ist das denn richtig, die Formulierung “enteignet”? War es denn wirklich so, wollte das Busch nicht sowieso abgeben?
    Nö, nö, das kann man schon sagen.

    War es nicht in seinem Sinne?
    Es war so: Er hat ‘46 von der sowjetischen Militäradministration die Lizenz gekriegt, und er war Geschäftsführer […], er hatte, weiß ich nicht, 100 Prozent Anteile, war ja ‘ne GmbH. […] Er war natürlich kein Geschäftsmann, und irgendwann wurde ihm das schon zu viel. Ich meine, er hätte es schon gerne abgegeben, aber er hätte es natürlich als Besitzer weiter geführt, das hätte er schon gerne gemacht. Denn aufs Geld hat er auch immer ‘n bißchen geguckt.

    Als wir am Telefon gesprochen haben, haben Sie Carola Neher erwähnt, mit der Ernst Busch ja befreundet war. Sie sagten, selbst da sei ihm nichts aufgegangen, und das fänden Sie heute auch schwierig, und das könnte man schwer nachvollziehen… Es war doch Carola Neher, die unter Stalin…
    …irgendwo verschwunden ist in Arbeitslagern, ja. Er war sehr mit ihr befreundet. Ja, das ist eben etwas, wo man ihn nicht mehr befragen kann, wo ich eben auch so meine Zweifel habe: Wieso hat er nicht irgendwie selbst begriffen, was da läuft? Oder wie stark war sein Glaube an diese kommunistische Idee, dass er so wat weggesteckt hat und gesagt hat: “Okay, das sind eben so Opfer auf’m Weg”, oder so. Oder wieso hat er 1949 noch Lieder über Stalin gesungen? Er hat ja so ‘ne ganze Serie gemacht, mindestens zehn Lieder oder so…

    Bringen Sie die auch raus?
    Da ist nur noch ein Teil erhalten, die anderen sind weg.

    Wieviele haben Sie?
    Ungefähr vier oder so.

    Bringen Sie die raus?
    Ja, klar.

    Mit Kommentar?
    Mit normalem Kommentar, mit Text.
    […]
    […] Man kann ihn nicht mehr befragen, und man weiß nicht, was in diesen Leuten vorging. Ich meine, Sie können ja heute noch alte Leute fragen, die damals schon in der Weimarer Republik gelebt haben und die jetzt vielleicht noch übrig geblieben sind, und die immer noch zu diesem Staat (der DDR, JV) gehalten haben, was die für ‘n Verhältnis dazu haben. Ich glaube schon, dass die DDR für die immer noch der Staat ist.

    Sie meinen die Leute, die drei verschiedene deutsche Systeme, oder jetzt sogar vier, erlebt haben?
    Ja. Es sind so viele Sachen, die passiert sind… Wobei man hat ja selber so viele Dinge erlebt, wo man sagt: Meine Güte, eigentlich hätte man da irgendwann auch mal eingreifen müssen. Ich meine, Sie sind vielleicht noch nie in so ‘ne Verlegenheit gekommen…

    Nee.
    Aber das sind so Sachen, die passieren einem auf ‘m Weg durchs Leben. Er hat ja zum Beispiel seinen Zoff mit der Partei auch gehabt, weil er gesagt hat “Ich will jetzt endlich mal wissen, warum mir 1941 nicht ein Visum für die Sowjetunion erteilt worden ist, als ich in Paris darum gebeten habe!” Dann wär ihm nämlich das alles nicht passiert. Aber ihm wurde das damals abgelehnt von der sowjetischen Botschaft. Und sie haben ihn ja dann ‘41 in Frankreich verhaftet, und daraufhin ist er ja erst ins Zuchthaus gekommen.
    […]
    […] Ich glaube es waren auch sehr viele persönliche Dinge, die damals ‘ne Rolle spielten.
    […]

    Und da beschimpfen mich die “Ostler” von so einem “SED/PDS”-gestützten Verlag, als ich allzuviele freche Bemerkungen gemacht hatte, ihre Ex-Frauen ganz extrem zutraulich zu mir wurden weil ich nicht dauernd so besoffen war wie ihre Ex-Gatten, und ich dann mit Sprüchen wie wie “du bist draussen, das ist doch Pornografie, was du redest”, und “ja, der nimmt uns die unsere Frauen weg” und “pünktlich ist der auch nie” und was noch so alles plötzlich mir entgegenschlug, sogar Hacksfreund Jochen Berg nannte mich einen “Franzosenknecht” und die ganzen “Weiber” waren sowieso extrem verschüchtert und haben daraufhin mal lieber nicht mehr mit mir geredet, weil ihre Männes ihnen den Weg gewiesen hatten.

    Das stimmt alles tanja!

    Kommentar von hegelxx — 26. April 2006 @ 14:27

  2. Danke für das Auskramen des schönen, sehr schönen und aufschlussreichen Interviews.

    Ja, auch Louis Fürnberg war kein dogmatischer Idiot, er hat hübsche Lieder geschrieben und das sehr einfache, aber so herzzerreißende “Auch du kannst auf der Sonnenseite leben”, mit Klavier-Phrasierungen, die ich sonst NOCH NIE UND NIE WIEDER in einem “Volkslied” zu nennenden Songs hörte, ist vielleicht mein Lieblingslied. Diese Lieder haben die Herzen der Menschen erreicht, sie sind der Grund, warum die Emotionalität der frühen Jahre der DDR, trotzallem, so gefangen hält - zumindest jene, die dafür empfänglich sind. Das schmerzt noch mehr, weil halt so vieles komplett danebenging. Aber die Kunst - sie ist ein Meilenstein und sollte nicht verloren gehen.

    Jürgen Schebera übrigens, der mir seinerzeit bei der Eisler-Kreisler-Chaplin- Recherche durch seine Auskünfte half, hat ja die bekannteste Sammlung von Busch-Produktionen heraus gebracht - unter dem Barbarrossa-Label, hier steht etwas von Schebera


    Trauerfeier Buschs, in der Mitte rechts kann man Günther Gaus und Schalck-Golodkowski (!) erkennen.

    Kommentar von Campo-News — 26. April 2006 @ 14:53

  3. Nichts zu danken, Tanja,

    das habe ich gerne für dich gemacht. Ich lerne ja auch immer noch dazu, wenn ich deinen “Kram” so lese. Und witzele halt manchmal, vielleicht übers “schnarchen im Hotel” oder was mir halt sonst so einfällt… ich wäre gerne so cool wie beispielsweise Granach, aber dafür habe ich wohl glücklicherweise zu wenig erlebt…

    Mir reicht das auch so schon.

    Grüsse

    Kommentar von hegelxx — 26. April 2006 @ 15:50

  4. Welchen Granach, den alten oder Broders Granach? Wie gesagt, Granach und Busch sind ja hier z.B. zusammen zu sehen:

    Aber dir ist wahrscheinlich der Granach so am Liebsten, oder?

    Kommentar von Campo-News — 26. April 2006 @ 16:09

  5. Auf den “alten” Granach hast du mich erst gebracht, Tanja,

    der “Junge” hat da mit 90 so einen Spruch abgelassen von Identität und Namen, der war wirklich gut.

    Ich jedoch hatte nur Augen für die:

    http://www.annette-postel.de/presse/presse_fotos/01.jpg

    http://www.capitol-mannheim.de/

    Kommentar von hegelxx — 26. April 2006 @ 17:20

  6. Was aber, wenn bald der Islam diese von Harich avisierte Aufgabe übernimmt? Im Islam gilt bekanntlich Zinsverbot, das heißt, der Entfesselung der Wirtschaft (und der Gier) sind Grenzen gesetzt, und der Schutz der Schöpfung ist eine dem frommen Muslim auferlegte Pflicht. Für die Entwicklung der Technosphäre, die sich wie ein gewaltiger Parasit auf den Planeten gelegt hat, kann man die Muslime eher wenig verantwortlich machen. Ihre Religion heiligt die Arbeit nicht. Der fromme Muslim verspürt nicht den Drang, sich unbedingt in Werken verewigen zu müssen; stattdessen zeichnen ihn Gottergebenheit und Lässigkeit im Umgang mit der Zeit aus. Es muss doch irgendeinen tiefen gottgefälligen Sinn haben, wenn dieser Glaube derzeit am stärksten wächst. Warum nicht der Rückbau der Industriegesellschaft? Damit wüchse dem Islam heilsgeschichtlich eine völlig neue, welterlösende Bedeutung zu, und für die deutschen Grünen und deren Wähler würde er auf einmal noch „anschlussfähiger“ als ohnehin schon, wobei sie ihre eigenen ökologischen Fußabdrücke schon deutlich reduzieren müssten. Und was die Vermehrung angeht, könnten die Muslime wiederum von den Grünen lernen. Denn ohne ständiges Wirtschaftswachstum sowie immer neue Technologien der Nahrungs- und Energieerzeugung sollte die Erdbevölkerung im Sinne des finalen ewigen Friedens besser schrumpfen. http://ef-magazin.de/2017/03/10/10653-wolfgang-harich-heute-der-islam-als-vollendung-des-oeko-stalinismus

    https://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1647679/

    Kommentar von Campo-News — 10. März 2017 @ 11:48

  7. Also zum Beispiel Kanzlerin und Bundespräsident im vollgepfropften Berliner Ensemble (so eine Art Virus-Wandlitz) zu Wolf Biermanns fünfundachtzigstem Geburtstag. Während die Hausarrest-Pläne fürs gemeine Volk schon in der Schublade lagen https://www.achgut.com/artikel/die_anti_corona_mogelpackungs_industrie

    Kommentar von Campo-News — 6. März 2022 @ 06:46

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