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18. August 2005

Der arme Ritter aus der Mancha: Auf den Spuren des tragischen Helden Don Quijote

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 17:42

Von und mit Tanja Krienen, die auch den Text schrieb und die Welt abbildete

Neu und umfassend illustriert – Vergleich zur Print-Variante –
ArtikelCBZ

Abenteuersuche

Abenteuer müssten unbedingt der wahren Liebe gewidmet sein, meinte Don Quijote nach der Lektüre unzähliger Ritterromane. Ein fahrender Ritter ohne Liebe, sei „ein Baum ohne Blätter und Frucht“, ein „Körper ohne Seele.“ Wenn er nun auf einen Riesen stoße und ihn mit einem Sperrstoß nieder zwinge, besiege oder gar töte, so solle dies deshalb im Namen der schönsten Frau geschehen, die ihm je begegnete, der Prinzessin „Dulcinea von Toboso“.

Ob es den Don Quijote tatsächlich gegeben hat? Nun, der Dichter Cervantes bezog sich in seinem Buch auf einen fiktiven(?) Junker, der „an einem Orte der Mancha, an dessen Namen ich mich nicht erinnern will“ gelebt und Quijada geheißen habe. Ursprünglich als Parodie konzipiert, wurde die Geschichte des „Ritters von der traurigen Gestalt“ ein Epos, dessen Hauptfigur Thomas Mann geradezu enthusiastisch „symbolisch-menschlichen Rang“ zusprach. Cervantes beschrieb den Junker, der sich als fahrender Ritter gefällt, zunächst sehr ironisch und doch, - war er nicht selbst ein Abenteurer, der an sich und seinen Idealen scheiterte?


Aus “Baedeker Madrid”: Miguel de Cervantes y Saavedra (* 29. September 1547 in Alcalá de Henares; † 23. April 1616 in Madrid) in Alcala wurde der Wagen der Attentäter vom 11. März gefunden, siehe auch Testfall Madrid

1547 in der Nähe Madrids geboren, wurde seine linke Hand, während einer Seeschlacht im Mittelmeer gegen die Türken, schwer verstümmelt; zu diesem Zeitpunkt war er 24 Jahre alt. 1575 geriet er mit seinem Bruder in algerische Gefangenschaft und musste anschließend Galeerendienst und Sklaverei bestehen. Nach einem Ausbruchsversuch legte man ihn Monate lang in Ketten - insgesamt verbrachte er fünf Jahre in der Sklaverei. Veruntreuungen von Steuergeldern, zogen wiederholt Gefängnisstrafen nach sich. Doch in der Haft – wahrscheinlich in Sevilla - entstand schließlich Anfang des 17. Jahrhunderts, der erste Teil des insgesamt über 1000 Seiten starken Werkes „Der sinnreiche Don Quijote von der Mancha“. Cervantes starb 1616 in Armut.


Der sinnreiche Junker DON QUIJOTE von der Mancha, 1176 Seiten, Verlag Artemis & Winkler

Der Kampf gegen die Windmühlen

Der Abenteuer suchende Junker, inspiriert von den Phantasien der Ritterromane, kämpfte mit sich und seinen Gegnern, naiv und heroisch, aber stets der Logik seiner selbst gewählten Rolle als „Helfer der Bedrängten“ gehorchend. Während seiner grotesk-phantastischen Erlebnisse, wurde er von einem Knappen, dem auf einem Esel reitenden, gutmütig-bauernschlauen Sancho Pansa, begleitet. War dieser Don Quijote wirklich verrückt, oder stemmte er sich gegen die Realität als Zeichen des Widerstandes? Der unglücklich agierende Ritter stieß oft in seiner Naivität an die Grenzen des Menschlichen - das verleiht ihm eine tragisch-komische Wirkung. Aber konnte er etwas dafür? So half er z.B. einem Jungen, der von seinem Herrn geschlagen wird. Letzterer gelobt heuchlerisch Besserung - und schlug anschließend den Jungen umso mehr, nachdem Don Quijote weiter seines Weges zog. Er befreite einen Häftlingstreck, doch statt von diesen Banditen Dank zu erfahren, verprügelten sie ihn. Seine Verwandten vernichteten seine Bücher und heuerten einen ausgebildeten Kämpfer an, um ihn von weiteren Taten und Abenteuern abzubringen - den Spiegelritter! Doch ausgerechnet diesen, besiegte der Don im offenen Kampf!

Seine Abenteuer verlebte Don Quijotes im Kernland der La Mancha, genau dort, wo die vier Provinzen des Landes „Castilla-La Mancha“ zusammentreffen: Albacete, Cuenca, Toledo und Ciudad Real. Wer auf den Spuren Don Quijotes wandeln will und von Alicante oder Valencia aus startet, muss mit einem Weg von etwa 300 Kilometern rechnen, der dann eine gute Autostunde vor Madrid endet. Der Aufwand lohnt sich jedoch. Wer die Tour plant, sollte sie nicht an einem Montag durchführen und stets bedenken, dass nachmittags während der Siesta, die Museen geschlossen sind (und leider manchmal nicht nur dann).


Aus „Geo“

Das bekannteste Abenteuer des Ritters kennt wohl jedes Kind: Der Kampf gegen die Windmühlenflügel, die er für Riesen hält! „Bedenkt doch, Herr Ritter“ versuchte Sancho zu bremsen, „die dort sich zeigen, sind keine Riesen, sondern Windmühlen.“ Der Don lässt sich nicht beirren und entgegnet: „Wohl ist´s ersichtlich, dass du in Sachen Abenteuer nicht kundig bist.“ Wie es ausging, wissen wir: Don Quijote griff mit dem Speer die erste Mühle an, verfing sich unglücklich im Flügel und stürzte - mitsamt seines Pferdes Rosinante - zu Boden. Dieser Kampf soll nahe des Ortes Campo de Criptana stattgefunden haben.

Heute stehen hier noch immer 10 Mühlen, von denen drei tatsächlich aus der Zeit Don Quijotes bzw. Cervantes stammen. Acht der „Molinas de vienta“, beherbergen kleine Museen: Ein kleines Lyrikmuseum befindet sich hier; eine Ausstellung zur Schauspielerin Sara Montiel, die, aus Campo de Criptana stammend, sogar in Hollywood Karriere machte; ein Malereimuseum richtete man ein und u.a. wird der Weinanbau in der La Mancha – das größte Gebiet dieser Art in Europa – vorgestellt. Wir

Der unglückliche verliebte Ritter

Von Campo de Criptana aus, ist es nur ein halber Tagesritt, resp. eine knappe halbe Stunde mit dem Auto, bis man in El Toboso, der kleinen Stadt der sagenhaften Dulcinea eintrifft. Die Fahrt geht durch beinahe menschenleeres Gebiet – die La Mancha zeigt sich hier von ihrer sprödesten Seite. Lediglich eine Straußenfarm, die sich mehrere Kilometer entlang der „Ruta de Don Quijote“ zieht, bietet mit sicherlich über 1000 Exemplaren dieser Riesenvögel, ein wenig Abwechslung. Um sich das Bild der Mancha zu vergegenwärtigen, stelle man sich ein Gebiet größer als das Bundesland Bayern vor, mit nicht einmal soviel Einwohnern wie die Stadt Hamburg!

Wie wir ja schon erfuhren, ward des Ritters Hoffnung, der geliebten Dulcinea von Toboso einen Riesen zu opfern, dahin – doch seiner Liebe zur verehrten Dame seines Herzens, tat dies keinen Abbruch. Vor den Toren Tobosos sprach er zu Sancho Pansa: „ Sancho, mein Sohn, sei du der Führer zu Dulcineas Palast.“ „Derjenige, worin ich Euere Hoheit sah, war nur ein kleines Häuschen“, versuchte der Knappe abzulenken. Don Quijote scheute den Einzug in die Stadt, die beiden „Helden“ beschlossen irgendwann den Rückzug in ein Wäldchen unweit des Dorfes, - Dulcinea blieb unerreichbar. Der unglückliche Ritter verzehrte sich deshalb immer wieder in der Sehnsucht nach der großen Liebe:

Euch zum Trotz, ob man auch spotte
Hat geweint hier Don Quijote
Weil ihm fern war Dulcinea von Toboso

Doch das Haus der Dulcinea kann sich durchaus sehen lassen. Es ist ein – für die damalige Zeit - überdurchschnittliches großes Stadthaus und wenn es auch Zweifel gibt, ob hier tatsächlich Ana Zarco wohnte, die mit der im Roman erwähnte Aldonza Lorenzo identisch sein soll, welche als Vorlage für die Dulcinea diente, ja gar, ob es eine Person dieses Namens überhaupt gab, - es ist beinahe egal. Präsentiert wird jedenfalls ein Haus, weitestgehend in der originalen Ausstattung aus dem 16. Jahrhundert, das allein schon den Besuch lohnt, falls man sich für fast ein halbes Jahrtausend alte Behausungen begeistert. Gegenüber des Hauses, kann der interessierte Besucher allerhand Andenken käuflich erwerben, oder sogar in der Rüstung und Ausstattung unseres ungleichen Gespannes posieren.


Das real-phantasierte Haus der Dulcinea in Toboso

Ein dreiminütiger Fußweg über die pittoreske Dorfstraße, führt zum „Centro Cervantino“, einer Bibliothek, die auf drei Ebenen eine Palette aller nur denkbaren Buchausgaben des „Don Quijotes“ darbietet. Cervantes Buch wurde nämlich in mehr als 70 Sprachen übersetzt! Auch deutsche Ausgaben finden wir hier, allesamt signiert von ihren Lesern: Paul von Hindenburg und Walter Scheel, Adolf Hitler neben Klaus Kinkel. Auch König Juan Carlos hinterließ ein höchstpersönlich unterschriebenes Exemplar, ebenso Benito Mussolini, Juan Peron, Ronald Reagan, der amtierende spanische Ministerpräsident Jose Maria Aznar oder der Schauspieler Alec Guinness - ja selbst der libysche Staatschef Ghaddafi und viele andere. In einem großen Gästebuch im Untergeschoss, kann sich auch der Besucher verewigen – ob mit einem Kugelschreiber oder der bereitstehenden Schreibfeder.


Auch der Duce las den Don Quijote

Noch viele Schauplätze, an den Don Quijote Abenteuer erlebte, laden zur Besichtigung ein, wie z.B. das Schloss Belmonte und der Ort Puerto Lapice, wo sich der Junker zum Ritter schlagen ließ, - doch drängt die Zeit schon nach der Besichtigung der wichtigsten Stationen, wenn eine Übernachtung nicht eingeplant wurde.

Das Ende und ein ermutigendes Fazit

Wie aber erging es nun Don Quijote und Sancho Pansa zuletzt? Nach vielen Prügeleien, Demütigungen, Enttäuschungen und Misserfolgen, welche der tragische Held und sein ständiger Begleiter – oft melancholisch anmutend - mit Mut und Stolz ertrugen, kehrten sie in ihr Heimatdorf zurück. Der Abenteurer Don Quijote starb ganz profan in seinem Bett.


Das Denkmal für den Don und seinen Gefährten Sancho Pansa in Madrid – dahinter sitzend: Cervantes

Sprechen wir heute vom „Kampf gegen Windmühlenflügel“, so meinen wir damit Handlungen, welche ohne Aussicht auf Erfolg, gegen etwas scheinbar Übermächtigem angehen. Doch schwingt dabei auch oft Anerkennung über diese Haltung mit, da sie beinhaltet, was nur wenigen Zeitgenossen gegeben ist, - der Mut, dies zu tun, die Kraft, das Unmögliche zu wagen! So wurde aus dem scheinbar tragischen Held, durchaus ein Vorbild für couragiertes Handeln, gleich einer Demonstration, niemals zu entmutigen.


Auf dem Hügel im Hintergrund sind schwach die Mühlen zu erkennen

Viele Literaten adaptierten dieses Prinzip „Der Aussichtlosigkeit zum Trotz“. „Dann blas´ ich Euch zu Riesen auf“, höhnte Wolf Biermann einst über seine Gegner, - die bekannten politischen und geistigen Zwerge der Stasi und der Partei.“ Der Kabarettist und Schriftsteller Georg Kreisler brachte es in seinem Lied „Begräbnis der Freiheit“ auf den Punkt:
„Ihr Grab liegt hinten, in der Nähe Don Quijote´s –
und ich besuch es manchmal, heimlich, - und aus Trotz!“
Wir wissen heute zudem, dass auch der Philosoph Nietzsche mit der „Donquijoterie“ kokettierte, - er selbst war ja ein „Aussteiger“, ein Suchender.

Don Quichottes Kampf also, will bisweilen geführt sein. Der Schriftsteller Vladimir Nabokov („Lolita“) meinte sogar: „Er steht für alles, was edel ist, rein, selbstlos und ritterlich.“ Ein bisschen naiven Idealismus sollten wir uns alle bewahren dürfen und wenn man sich auch manchmal eine blutige Nase dabei holt – die Geschichte des Don Quijote beweist: Ohne Mut wird niemand unsterblich! Sein Kampf in Campo de Criptana war demnach nicht umsonst…

Anhang: Wolf Biermann in „CAMPO de Criptana“

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