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28. Juni 2005

Terroristische Gewalt lohnt sich wieder

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 13:29

Zum 616. Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld

Von Daniel L. Schikora

“Die Soldatenfriedhöfe und die Narben der beiden Weltkriege haben den Völkern Europas, besonders dem deutschen Volk, eine andauernde Pflicht auferlegt: Rassismus, Antisemitismus und totalitären Ideologien zu widerstehen. Unsere demokratischen Ziele heißen Freiheit, Gerechtigkeit und ein würdiges Leben für alle – in Frieden, ohne religiösen Hass, ohne nationalen Hochmut und politische Verblendung. Wir setzen auf das Erbe der Aufklärung, auf Toleranz und auf die tröstliche Schönheit der europäischen Kultur. Diese Ziele zu retten, war und bleibt der Auftrag des 6. Juni 1944.

Europa hat seine Lektion gelernt, und gerade wir Deutschen werden sie nicht verdrängen. Europas Bürger und ihre Politiker tragen Verantwortung dafür, dass auch anderswo Kriegstreiberei, Kriegsverbrechen und Terrorismus keine Chance haben.”

Gerhard Schröder zum 60. Jahrestag des D-Day, 6. Juni 2004

„Israel könnte das nächste Opfer einer Nato-Attacke werden.“

Ariel Scharon, israelischer Außenminister, im Frühjahr 1999

Israels Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland, Shimon Stein, stellte hinsichtlich israelischer und arabischer Reaktionen auf den Empfehlungskatalog, den die USA den beiden Konfliktparteien durch den Mitchell-Report unterbreitet hatten, fest:

„In der Woche nach der Veröffentlichung des Berichts und nachdem Israel die einseitige Waffenruhe erklärt hatte, folgten über einhundertdreißig Aktionen palästinensischen Terrors gegen Israelis.

Wie kann man dieses Paradoxon erklären? Die Antwort ist einfach: Das Ziel der Palästinenser ist es, eine internationale militärische Intervention - wie etwa auf dem Balkan - zu erzwingen.“

Der Repräsentant des jüdischen Staates läßt keinen Zweifel daran, daß Israel sich nicht bereit zeigen würde, sein Schicksal in die Hände einer ihm indolent bis feindlich gegenüberstehenden „internationalen Völkergemeinschaft“ zu legen:

„Israel lehnt solch ein Szenarium ab, in der Überzeugung, daß alle Probleme durch die Konfliktparteien selbst gelöst werden können und müssen. Das ist die einzige Garantie dafür, daß diese Lösung dauerhaft und stabil sein wird.“

Im April 2001 hatte Stein kategorisch erklärt, Palästinenser-Präsident Arafat könne erst dann als Gesprächspartner anerkannt werden, wenn er „eindeutig und in arabischer Sprache dem Terror und der Gewalt eine Absage“ erteilt haben würde. „Es ist ein Fehler, mit Terroristen zu sprechen“, so zitiert er den EU-„Außenminister“ Javier Solana, der der makedonischen Regierung von Konzessionen gegenüber ultranationalistischen albanischen Freischärlern abgeraten hatte. Als Diplomat beruft sich Stein auf die Worte Solanas als des Sprechers der westeuropäischen NATO-Verbündeten der Vereinigten Staaten; als Realpolitiker weiß er jedoch, warum er auf die aktive Einmischung des interventionsfreudigen Nordatlantik-Bündnisses lieber verzichtet.

Eine dauerhafte und stabile Lösung, wie sie sich Stein im Nahen Osten erhofft, scheint auf der Balkanhalbinsel dank den Interventionen der NATO-Führungsmacht USA gegenüber Jugoslawien und Makedonien - die wie Israel von expansiven, vor terroristischen Methoden nicht zurückschreckenden ethnoextremistischen oder islamistischen Verbänden in ihrer territorialen Integrität bedroht sind - in weite Ferne gerückt. Daß die NATO, die im April 1999 offiziell von einer Verteidigungs- in eine Interventions-Allianz - die „Neue NATO“ - umgewandelt wurde, nicht nur in Tel Aviv, sondern auch in der makedonischen Hauptstadt Skopje im allgemeinen nicht als verläßliche Verbündete gegen den (arabischen resp. großalbanischen) Terrorismus gilt, hat seine Ursache darin, daß das westliche Bündnis mit guten Gründen für die prekäre Situation verantwortlich gemacht wird, in der es sich nun von der makedonischen Regierung als Retter ins Land bitten ließ.

Die Belehrung Makedoniens durch Javier Solana, terroristischen Erpressungsversuchen dürfe nicht nachgegeben werden, mußte den Makedonen als purer Hohn erscheinen. War es doch die NATO unter ihrem damaligen Generalsekretär Solana gewesen, die im März 1999 den Nachbarstaat Makedoniens, die Bundesrepublik Jugoslawien, militärisch angriff, weil der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic zwar der Gewaltandrohungspolitik des „Westens“ insoweit nachgegeben hatte, als er sich zu Verhandlungen auch mit dem terroristisch agierenden Flügel der albanischen Sezessionisten* der Provinz Kosovo in Rambouillet bereit erklärt, sich jedoch geweigert hatte, das (nur von den Kosovo-Albanern akzeptierte) „Abkommen von Rambouillet“ zu unterzeichnen. In diesem „Abkommen“ sollte Jugoslawien nicht nur verpflichtet werden, eine Amnestie für sezessionistische Straftaten auszusprechen und dem Kosovo eine „substantiel le Autonomie“ (aus der zwangsläufig eine albanische Dominanz gefolgt wäre) zuzugestehen, sondern auch, die Freizügigkeit militärischer NATO-Einheiten im gesamten Staatsgebiet der jugoslawischen Bundesrepublik zu gewährleisten.

Die eigenmächtige Gewaltanwendung der NATO wurde mit der Notwendigkeit begründet, einen angeblich drohenden Völkermord an Albanern zu verhüten und die Rückkehr der albanischen Bürgerkriegsflüchtlinge zu garantieren. Tatsächlich aber leistete insbesondere die US-Regierung Clinton durch eine massive militärische Aufrüstung der faschistoiden albanischen Terrororganisation UCK als einer Landarmee gegen die legale serbische/jugoslawische Hoheitsmacht den bestialischen Verbrechen Vorschub, wie sie die UCK-Milizen nach dem Abzug der serbischen Verbände an Slawen und Roma begingen. Der VN-Sicherheitsrat, der durch den militärischen Alleingang der NATO gegen Jugoslawien kaltgestellt worden war, wich einerseits vor dem aggressiven Hegemonialanspruch der „westlic hen“ Mächte auf dem Balkan insoweit zurück, als er dem angegriffenen Staatswesen seine Hoheitsrechte über das Kosovo entzog und die serbische Verwaltung durch ein Protektorat der Vereinten Nationen substituierte. Andererseits wurden die durch die VN eingesetzten Hoheitsträger verpflichtet, die UCK-Verbände zu entwaffnen, um den Schutz aller Einwohner der serbischen Provinz garantieren zu können. Doch die unter der Ägide der führenden NATO-Mächte stehende Kfor-Verwaltung des Kosovo weigerte sich, dieser Verpflichtung nachzukommen. Die UCK vermochte in der gesamten Provinz einen Archipel von Folterlagern einzurichten, der großalbanische Mob mordete auf offener Straße wehrlose Roma-Kinder, während der SPD-Politiker Koschnick offen erklärte, die Entwaffnung der UCK-Milizen sei schlicht unmöglich, und Bundesaußenminister Fischer die unter Kfor-Hoheit verübten genozidalen Verbrechen durch den Vergleich mit deutsch-französischen Animositäten in der Nachkriegsära bagatellisierte.

Dieser Zynismus „westlicher“ Politiker, der an die „Rechtsauffassung“ des international verurteilten afrikanischen Diktators Mugabe erinnert, welcher angesichts der Pogrome gegen weiße Siedler von einem berechtigten Anliegen der Täter sprach und den Opfern staatlichen Schutz verweigerte, läßt die Brandmarkung des „Schlächters“ Milosevic in einem anderen Licht erscheinen: Was sie dem jugoslawischen Präsidenten zum Vorwurf machten: daß unter der Hoheit seiner Regierung Verbrechen an unschuldigen Zivilisten begangen worden seien, fällt nun auf die Regierungen der an der Kfor-Verwaltung beteiligten Staaten zurück, die durch Nichtentwaffnung der UCK Wehrlose dem völkischen Vernichtungswahn aussetzten.

Ermuntert durch die Passivität der Kfor-Verwaltung gegenüber dem großalbanischen Nationalismus im Kosovo, formierten sich radikalnationalistische Albaner im Frühjahr 2001 auch im Nordwesten Makedoniens, wo sie - nach dem Vorbild der UCK-Terroristen auf serbischem Territorium - „befreite“ Zonen einrichteten und Angehörige der slawischen Mehrheitsbevölkerung Makedoniens gewaltsam vertrieben. Obgleich die albanisch-makedonische Terroristenformation der UCK vom Kosovo sowie von Albanien aus aufgerüstet wurde, befand der deutsche Verteidigungsminister Scharping, die Bekämpfung des großalbanischen Terrorismus sei eine „innere Angelegenheit“ Makedoniens. Nach dieser Auffassung ist Makedonien, tatsächlich Opfer einer bewaffneten albanischen Irredenta, für deren Erfolge die NATO-Staaten als zeitweilige „Luftwaffe der UCK“ (Egon Bahr) eine Mitverantwortung tragen, aus selbstverschuldeter Schwäche destabilisiert, und so verwundert es nicht, daß der existenziell bedrohten Republik Makedonien von NATO und EU in zynischer Weise militärische (und wirtschaftliche) Hilfe nur unter der Bedingung, daß durch einen Friedensvertrag mit der albanischen Minorität den Terroristen unter den Albanern der Wind aus den Segeln genommen werde, zugesagt wurde. Die in Ohrid vereinbarte Verfassungsreform zugunsten der albanischen Minorität ist das bisher letzte Zeugnis einer massiven Einmischung des „Westens“ in die Innenpolitik nominal souveräner Balkanrepubliken.

Auch wenn die makedonische Regierung die NATO-Truppen selbst zu Hilfe gerufen hat, um UCK-Terroristen mit deren Einverständnis zu entwaffnen: Unsere Streitkräfte werden von der Mehrheit der (slawischen) Makedonen als Hilfstruppen einer skrupellosen Welthegemonialmacht betrachtet, die - nachdem sie terroristische Aktivitäten nach Kräften förderte - sich als Feuerwehr präsentiert. Das Leben deutscher Staatsangehöriger für die „Bündnistreue“ zu einer solchen Macht zu riskieren, die aufgrund eigener geopolitischer Interessen die Entmündigung der jungen Nationalstaaten Südosteuropas gezielt vorantreibt, erscheint aus der Sicht des Souveränitätspostulats deutscher Außenpolitik als äußerst fragwürdig. Doch anstatt sich den kritischen Einwänden einer (parteiübergreifenden) oppositionellen Minderheit zu stellen, drohte SPD-Generalsekretär Müntefering den SPD-Abgeordneten, die gegen die Entsendung deutscher Truppen nach Makedonien stimmten, als „Abweichlern“ offen Sanktionen in Form eines Mandatsverlusts an und offenbart somit ein Demokratieverständnis, das zum mindesten insoweit dem eines Napoléon III. Bonaparte entspricht, als es Willensäußerungen des Demos (oder von dessen Repräsentanten) lediglich als Bekräftigung des Willens der Regierung begreift, nicht aber - gemäß den Prinzipien einer parlamentarischen Demokratie - als Auftrag an die Regierung.

Allerdings werden auch solche Manöver eine demokratische Gesellschaft nicht dauerhaft davon abhalten, nicht nur den Makedonien-Einsatz kritisch zu reflektieren, sondern die gesamte Balkan-Politik einer Bundesregierung, die - nach der Auffassung des früheren Vizepräsidenten der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, Willy Wimmer (CDU) - Bundestag und Öffentlichkeit systematisch irreführte, um sich eine breite Zustimmung zu der von ihr verantworteten Beteiligung Deutschlands an einem Angriff auf einen souveränen Staat zu sichern. Der Bundestagsabgeordnete Wimmer ist vom prinzipiellen Aufklärungswillen einer kritischen Öffentlichkeit überzeugt:

„Der nächste Ausschuß, den es im Deutschen Bundestag geben wird, heißt Kosovo.“

Anders als im Untersuchungsausschuß Leuna/„Fuchs“ wird der Gegenstand eines solchen Ausschusses der Tod unschuldiger Menschen sein, die einer „humanitären Friedensoperation“ zum Opfer fielen.

*Die ethnonationalistische albanische UCK hatte ab 1997 nicht nur serbische Polizisten, sondern auch Zivilisten – ob Serben, Roma oder loyale jugoslawische Staatsbürger albanischer Zunge – ermorden lassen.

(Der vorliegende Artikel beruht im wesentlichen auf einem im September 2001 verfaßten Text)

1 Kommentar »

  1. Ich kann dem Artikel weitgehend zustimmen. Wo ich allerdings Einwände habe, bezieht sich das auf die Rolle der USA unter Clinton. Ich gehe davon aus, dass eine Bushadministration anders gehandelt hätte. Worauf ich hinweisen will: letztendlich war diese “Friedensaktion” eine weitgehend europäische Angelegenheit, und Deutschlands Aussenministerium unter Ostohr Genscher hat maßgeblich zur Eskalation beigetragen. Depp Scharping hat dann nur noch Deppentum unter Beweis gestellt, q.e.d.
    Aber es gibt ja eine historische Traditionslinie der “Freundschaft” deutscherseits zu Kroatien und auch zu Albanien. Wer anderes weiss, möge mich aufklären.

    https://www.focus.de/sport/fussball/rockgruppe-thompson-manuel-neuer-groelt-im-kroatien-urlaub-lied-von-rechtsextremer-skandal-band_id_12201606.html

    Kommentar von hegelxx — 29. Juni 2005 @ 12:41

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