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14. November 2013

Stasi-Opfer Wolf-Dietrich Krause und die harten Fakten

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 09:08

Ein Vortrag in Soest und ein Interview zu Biermann, Meinungsfreiheit und seiner Partei, der „Alternative für Deutschland“

Mit circa 30 Zuhörern war der Vortragssaal im Soester Petrushaus gut gefüllt, als am gestrigen Abend, auf den Tag 37 Jahre nach dem „Kölner-Konzert“ von Wolf Biermann, Wolf-Dietrich Krause als Referent des Geschichtsvereins über die „Jugendliche Opposition gegen das SED-Regime“ sprach. Wegen „staatsfeindlicher Hetze“ wurde er 1977 zu zwei Jahren Haft in der DDR verurteilt, aber 1978 von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft.

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Wolf-Dietrich Krause spricht meistens in Schulen, wo die Jugendlichen nicht selten zum ersten Mal mit dem Alltagsleben in der DDR konfrontiert werden und es oft nicht fassen können, wie dieser Staat auf deutschem Boden noch vor wenigen Jahren organisiert war. Für das durchweg ältere Publikum in Soest hingegen waren die Umstände in der Regel bekannt und dennoch erschütterte es einmal wieder mit einigen Filmausschnitten auf unerträgliche Zustände hingewiesen zu werden, wie z.B. den Wehrkundeunterricht oder Fahnenappelle, Feuersprüche und Handzeichen beim Kinderdrill. Besonders eindruckvoll waren die persönlichen Schilderungen Krauses aus seiner Haftzeit, die mit Demütigungen und Willkür einhergingen und u.a. von Verrat und Gewalt gekennzeichnet waren.

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Der 1954 geborene Wolf-Dietrich Krause, erlebte schon 1961 nach dem Mauerbau die Verhaftung seines Vaters, weil dieser sich kritisch über das Regime äußerte. Infolgedessen wurde er als Kind ausgegrenzt und die ganze Familie unter Druck gesetzt. 1975 stellte er den er den ersten Ausreiseantrag. Als Wolf Biermann am 16. November 1976 ausgebürgert wurde, war dies für alle Andersdenkenden in der DDR eine Initialzündung. Krause protestierte mit einem Brief an die Staatsführung und legte die Arbeit nieder. Die Folge waren Verhaftungen, Verhöre und letztlich ein Berufsverbot. Aber nichts konnte ihn daran hindern, das „Kölner Konzert“, das er auf Tonband ausgezeichnet hatte, weiter zu verbreiten und private Abende zu organisieren, in denen man sich alles gemeinschaftlich anhörte und darüber diskutierte.

Im Westen angekommen machte sich Wolf-Dietrich Krause weiter für verfolgte Menschen in der DDR stark und wurde Mitglied der CDU. Beim Honeckerbesuch in Trier konfrontierte er den DDR-Staatschef direkt mit Plakaten zur Ausreise seiner Angehörigen. Nach der Wende engagierte sich Krause für die „Stiftung Aufarbeitung“, um besonders bei Jugendlichen weitgehend totgeschwiegene politische Zustände ins Bewusstsein zu rücken.

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Ich nutzte die Gelegenheit, um mit Wolf-Dietrich Krause ein Gespräch zu führen über Biermann, die Linke, aber auch über seine neuen Partei, die „Alternative für Deutschland“ (deren Landesverband NRW wir ja einst in Rommerskirchen gemeinsam gründeten) -

Frage: Wann haben Sie Wolf Biermann zum ersten gehört oder etwas von ihm gelesen?

WD Krause: Von Wolf Biermann hatte ich so erstmals Ende 1975 von Freunden gehört, die ebenfalls mit den Verhältnissen in der DDR unzufrieden waren. Gesehen und gehört habe ich Wolf Biermann dann am 16.11.1976 im Fernsehen bei dem Konzert in der Kölner Sporthalle. Da ich von der Ausbürgerung schon wusste, nahm ich dieses Konzert auf einem Tonband auf, um es selbst und im Freundeskreis nochmal anhören zu können. Am 17.11.1976 habe ich einen Protestbrief gegen die Ausbürgerung Wolf Biermann an Honecker geschrieben und diesen Brief auch an den SFB in Westberlin geschickt. Gleichzeitig hatte ich meinem Arbeitgeber (Mitropa) schriftlich mitgeteilt, dass ich am 19.11.1976 wegen der Ausbürgerung Biermanns für einen Tag die Arbeit niederlege.

Frage: Welches ist die größte Lehre aus dem Fall Biermann?

WD Krause: Dass Biermann auf dem besagten Konzert in Köln, offen die Wahrheit über die DDR gesagt und damit die SED-Führung kritisiert hat. Biermann, der selbst an das Projekt einer sozialistischen Gesellschaftsordnung geglaubt hat, war aber selbst durch die Gefahr einer Ausbürgerung nicht bereit, auf sachliche Kritik zu verzichten und sich verbiegen zu lassen. Dieses Verhalten hat sehr vielen Menschen in der ehemaligen DDR Kraft und Zuversicht gegeben. Eine Lehre war, dass die SED-Machthaber Biermann und vor allem die Wirkungen auf die Menschen unterschätzt haben.

Frage: Gibt es heute noch ein politische „Links-Rechts-Schema“ und hat die Linkspartei noch einen besonderen Stellenwert darin?

WD Krause: Aus meiner Sicht gibt es nur ein Links-Rechts-Schema. Alles was politisch gesagt und getan wird, wird entweder nach links oder nach rechts eingeordnet. Dabei bleibt die Mitte der Gesellschaft auf der Strecke. Wir sind doch eine offene Gesellschaft mit ganz unterschiedlichen Meinungen und Lebensentwürfen. Ich sehe die Mitte unserer Gesellschaft sozialdemokratisch bis wertkonservativ. Dafür gab es die großen Volksparteien SPD und CDU. Diese beiden Parteien haben ihre Profile und wesentliche Standpunkte aufgegeben und versuchen gemeinsam mit nur marginalen Unterschieden in der Mitte der Gesellschaft anzukommen. Kommen sie aber nicht, wie die Wahlergebnisse sehr deutlich zeigen. Von daher könnte die “Linke” schon einen Stellenwert haben. Was wir ganz sicher nicht brauchen ist eine extreme Rechte und eine extreme Linke, denn diese stehen für Diktatur und nicht für Demokratie und Menschenrechte….

Frage: Steht die Linkspartei für Sie nicht mehr in der Tradition dieses doktrinären Sozialismus?

WD Krause: Natürlich sehe ich die “Linke” noch in der Tradition des doktrinären Sozialismus. Die starken Kräfte aus dem “Osten” und damit die alten SED-Mitglieder dominieren die “Linke”. Sie muss endlich ihre Vergangenheit offen aufarbeiten und sich bei den Genossen, die ehrlich an den Sozialismus geglaubt haben, entschuldigen. Entschuldigen muss sie sich vor allem auch bei den Opfern der SED-Diktatur.

Frage: Sie engagieren sich heute in der AfD. Ist dies eine Folge ihrer Vergangenheit und inwieweit glauben Sie, wird von ihren Parteifreunden das Wirken und vor allem die Auswirkung der Person Wolf Biermanns begriffen?

WD Krause: Meine Mitgliedschaft in der AfD ist ganz sicher eine Folge meiner Vergangenheit. Nun nicht nur aus der Vergangenheit in der DDR, als vielmehr aus der Vergangenheit und meinen Erfahrungen in der Bundesrepublik seit 1978. Ich war in den achtziger Jahren bis zum Honecker-Besuch 1987 aktives CDU-Mitglied im Kreis Aachen und dem Land NRW. Schon damals waren nicht alle Themen, wie z.B. die Ostpolitik, überall in der CDU beliebt. Ich konnte nicht immer und überall meine Meinung offen vertreten. Und wenn doch, dann gab es hinter dem Rücken einen Tritt in den Hintern. Ein offenes Visier war schon damals eine Seltenheit. In den letzten 20 Jahren haben sich die so genannten Tabuthemen (Umgang mit der Nazi-Vergangenheit, Zuwanderung, Integration und Euro) erheblich zugenommen. Der einzelne Bürger wird aus meiner Sicht nicht mehr ernst genommen und muss befürchten, dass er durch seine sachliche Meinungsäußerung Nachteile erleidet. Aber gerade die Meinungsfreiheit ist ein sehr hohes Gut unserer Demokratie. Ich bin zur AfD gegangen, weil ich diese freie Meinungsäußerung zunehmend vermisst habe. Unterschiedlich Meinungen schaffen erst ein demokratisches Miteinander. Ob die AfD was mit Biermann zu tun hat und wer von den Mitgliedern mit Biermann überhaupt etwas anfangen kann, weiß ich nicht. Da muss man auch erst mal noch abwarten bis sich die Strukturen gefestigt haben und auch andere Themen wie der Euro ernsthaft diskutiert werden. Ich hoffe sehr, dass die AfD eine Alternative zu den etablierten Parteien wird.

Herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen!

2 Kommentare »

  1. http://www.spiegel.de/einestages/ns-taeter-in-der-ddr-wie-die-stasi-ss-leute-aus-auschwitz-erpresste-a-987462.html

    Kommentar von Campo-News — 25. August 2014 @ 06:29

  2. Stasi-Agenten inszenierte rechte Anschläge und saugen den politischen Saft daraus - https://www.tagesschau.de/inland/stasi-neonazis-101.html

    Kommentar von Campo-News — 13. August 2015 @ 12:30

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