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1. September 2007

Verschollener Ruhm

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 08:59

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Foto: Tanja Krienen

Depressionen von Menschen, ganzen Nationen oder aber auch ideellen Gemeinschaften, haben sowohl objektive, als auch subjektive Gründe, Motive. Lassen wir das im Detail, es würde nur aufregen, neue Missverständnisse schaffen, Unverständnis auslösen, nur, weil einige noch nicht dort sind, wo andere auch gar nicht hinwollen, aber schneller als jene schon morgen weiter gehen werden.

 

Immer wieder muss ich in der letzten Zeit an Brechts „New York-Gedicht“ denken, das natürlich auch ein Psychogramm der amerikanischen Gesellschaft eingangs der 30er Jahre darstellt. Dem entgegengesetzt hatte er in einer Mixtur aus politischen Kalkül, Infamie, Naivität und „letzter Hoffnung“, das Gedicht über die „Inbesitznahme der großen Metro durch die Moskauer Arbeiterschaft am 27. April 1935“. Beide Gedichte sind auch heute noch zum einen durch die Interpretation Helen Weigels mittel des Prinzips des beinahe linearen Herunterlesens als besondere Dokumente zu hören, aber auch, weil diese Töne in ihrer Schlichtheit ganz und gar einfache und zugleich auf erschütternde Weise, vorgetragen im Brechtschen Diktum, zeigen, wie viel auswegloser wir heute dastehen, weil: ohne Hoffnung.

 

So möchte ich einmal Brechts Gedicht über New York einstellen. Man wird sehen, warum.

 

Verschollener Ruhm der Riesenstadt New York (1930)
Bertolt Brecht

Wer erinnert sich wohl noch an den Ruhm der Riesenstadt New York in dem Jahrzehnt nach dem großen Krieg?
Welch ein episch gefeiertes Becken war doch dieses Amerika damals!
God’s own country!
Nur mit den Anfangsbuchstaben seiner Vornamen genannt: USA
Wie unser jedermann bekannter, unverwechselbarer Jugendfreund!

Dieses unerschöpfliche Becken, hieß es, nahm alles auf, was hineinfiel, und verwandelte es in zweimal zwei Wochen bis zur Kenntlichkeit!
Alle Rassen, an diesem lustvollen Kontinent gelandet, gaben sich eifrigst auf, ihre eingewurzelten Eigenarten vergessend wie schlechte Gewohnheiten, um schleunigst so zu werden wie die hierorts so sehr Anwesenden!

Die aber nahmen sie großzügig und unbesorgt auf wie allzu unterschiedliche
(Unterschiedlich nur durch die Unterschiedlichkeit ihrer kümmerlichen Existenzen!)
Wie ein guter Sauerteig fürchteten sie nicht
Jede auch noch so große Masse von Teig: sie wussten: sie durchdrangen alles!
Welch ein Ruhm! Welch ein Jahrhundert!

Ach, diese Stimmen ihrer Frauen aus den Schalldosen!
So sang man (bewahrt diese Platten auf!) im goldenen Zeitalter!
Wohllaut der abendlichen Wasser von Miami!
Unaufhaltsame Heiterkeit der über nie endende Straßen schnell fahrenden Geschlechter!
Machtvolle Trauer singender Weiber, in Zuversicht
Breitbrüstige Männer beweinend, aber immer noch umgeben von breitbrüstigen Männern!

Seltene Menschenexemplare stellten sie zusammen in ganzen Parks, fütterten sie sachkundig, badeten sie und ließen sie wiegen, damit ihre unvergleichlichen Bewegungen im Lichtbild festgehalten würden
Für alle Nachkommenden.

Ihre riesigen Bauwerke führten sie auf mit unvergleichlicher Verschwendung besten Menschenmaterials.
Vollkommen offen, vor aller Welt holten sie aus ihren Arbeiter heraus, was in ihnen war
Schossen mit Flinten in die Kohlenschächte und warfen ihre abgebrauchten Knochen und vernutzten Muskeln auf die Straßen mit gutmütigem Lachen.
Aber mit sportlicher Anerkennung berichteten sie von der gleichen groben Unerbittlichkeit der Arbeiter bei den Streiks mit homerischem Ausmaß.

Armut galt dort für schimpflich!
In den Filmen dieser gesegneten Nation verübten Männer, ins Unglück geraten, beim Anblick von Armenwohnungen, die Klavier und Ledersofas enthielten, kurzerhand Selbstmord.

Welch ein Ruhm! Welch ein Jahrhundert!
Ach, auch wir verlangten solche breitspurigen Anzüge aus groben Stoffen
Mit den Wattewülsten an den Schultern, welche die Männer so breit machen
Dass drei von ihnen den ganzen Gehsteig beanspruchen.
Ach wir versuchten, unsere Bewegungen zu bremsen
Die Hände langsam in die Taschen zu stecken und uns aus den Stühlen
In denen wir (wie für alle Ewigkeit) gelegen hatten,
langsam herauszuarbeiten
Wie ein ganzes Staatswesen, das sich umwälzt.
Und auch wir stopften uns den Mund voll Kaugummi, von dem es hieß, dass er die Kinnladen auf Dauer vortrieb und saßen mit ewig mahlenden Kiefern wie in unaufhörlicher Fressgier.
Auch unseren Gesichtern wünschten wir jene gefürchtete Undurchsichtigkeit zu verleihen
Des “Pokerface Man”, der sich seinen Mitbürgern als unlösliches Rätsel aufgab.
Auch wir lächelten ständig wie vor oder nach guten Geschäften
Die der Beweis einer gut funktionierenden Verdauung sind.
Auch wir tappten unseren Gegenübers (lauter zukünftigen Kunden)
Gerne an die Arme, Schenkel und zwischen die Schulterblätter
Ausprobierend, wie man solche Burschen in die Hand bekommt
Mit schmeichelnden und zupackenden Griffen wie nach Hunden.
So eiferten wir diesem berühmten Menschenschlag nach, welcher bestimmt schien
Die Erde zu beherrschen, indem er sie vorwärts brachte.

Welch eine Zuversicht! Welch ein Ansporn!
Diese Maschinenhallen: die größten der Welt!
Zeugungspropaganda betrieben die Autofabriken: sie bauten schon Autos (auf Abzahlung)
Für die Ungeborenen! Denen, die beinahe ungebrauchte Kleidungsstücke wegwarfen (aber so
dass sie sofort verdarben, am besten in Kalk!) wurden Prämien bezahlt!

Diese Brücken: blühendes Land verbanden sie mit blühendem Land!
Endlos! Die längsten der Welt!

Diese Hochhäuser: Die so hoch ihre Steine geschichtet hatten, dass sie alles überragten, betrachteten von ihrer Höhe sorgenvoll die Neubauten die eben erst aus dem Boden wuchsen und die ihren Mammutbau überragen würden. (Manche befürchteten schon, das Wachstum dieser Städte könnte nicht mehr gestoppt werden, sie müssten ihre Tage beschließen mit zwanzig Etagen anderer Städte über sich und würden in Särgen verstaut, die übereinander eingegraben werden!)

Aber sonst: welche Zuversicht! Selbst die Toten
Wurden geschminkt und mit wohligem Lächeln versehen
(Ich verzeichne solche Züge aus dem Gedächtnis, andere habe ich vergessen), nicht einmal
Den Entronnenen wurde Hoffnungslosigkeit gestattet!
Was für Menschen! Ihre Boxer die stärksten!
Ihre Erfinder die praktischsten! Ihre Züge die schnellsten!
Auch die bevölkertsten!
Und das alles schien 1000 Jahre zu dauern
Sprengten doch die Leute der Stadt New York selber aus:
Ihre Stadt sei auf Felsgrund gebaut und also unzerstörbar!
Wahrlich, ihr ganzes System des Gemeinlebens war unvergleichlich.
Welch ein Ruhm! Welch ein Jahrhundert!

Allerdings dauerte dies Jahrhundert
Nur knappe acht Jahre.
Denn eines Tages durchlief die Welt das Gerücht seltsamer Zusammenbrüche
Auf einem berühmten Kontinent, und seine noch gestern gehamsterten Geldscheine wurden wie faule, stinkende Fische mit Ekel weg gewiesen.
Heute, wo es sich herumgesprochen hat, dass diese Leute bankrott sind, sehen wir auf den anderen Kontinenten (die zwar auch bankrott sind) allerhand anders, wie es uns vorkommt, schärfer.

Was ist das mit den Hochhäusern?
Man betrachtet sie kühler.
Was für verächtliche Schuppen sind Hochhäuser, welche keine Miete mehr abwerfen!
So hoch hinauf voller Armut? Bis unter die Wolken voll von Schulden?
Was ist das mit den Eisenbahnzügen?
In den Eisenbahnzügen, die rollenden Hotels gleichen, heißt es, wohnt jetzt oft kein Mensch. Er fährt nirgends hin mit einer unvergleichlichen Schnelligkeit!
Was ist das mit den Brücken? Sie verbinden (die längsten der Welt!) Schuttplätze jetzt mit Schuttplätzen!

Und was ist jetzt mit den Menschen?

Immer noch, hören wir, schminken sich diese, aber jetzt: Um Stellen zu ergattern.

Die 22jährigen Frauen schnupfen jetzt Kokain, bevor sie sich anstellen einen Platz an der Schreibmaschine für sich zu erobern.
Ganze Familien jagen den Töchtern das Gift in die Schenkel, das sie feurig aussehen macht.

Noch werden Schallplatten verkauft, freilich wenige
Doch was erzählen uns diese Ziegen eigentlich, die nicht Singen gelernt haben?

Was ist der Sinn dieser Gesänge?

Was haben sie uns eigentlich vorgesungen all diese Jahre lang?
Warum missfallen uns jetzt diese einstmals gefeierten Stimmen?
Warum machen uns diese Lichtbilder der Städte so gar keinen Eindruck mehr?
Weil es sich herumgesprochen hat, dass diese Leute bankrott sind!

Ihre Maschinen nämlich, heißt es, liegen in riesigen Haufen (den größten Welt)
Und rosten, wie die Maschinen der alten Welt (in kleineren Haufen).

Noch finden Weltmeisterschaftskämpfe vor ein paar zerstreut sitzen gebliebenen Zuschauern statt: Der jeweils stärkste Mann kommt nicht auf gegen das geheimnisvolle Gesetz, das die Menschen aus den gestopft vollen Läden treibt!
Ihr Lächeln festhaltend (nichts sonst mehr!), stehen die ausgedienten Weltmeister
den paar letzten verkehrenden Trams im Wege.

Drei dieser breitspurigen Leute füllen den Gehsteig,

Aber was wird sie füllen, vor die Nacht kommt?
Nur die Schultern wärmt Watte denen, die in unaufhörlichen Zügen
Tag und Nacht die leeren Schluchten der leblosen Steinhaufen durcheilen.
Ihre Bewegungen sind langsam wie die hungriger und geschwächter Tiere.
Wie ein ganzes Staatswesen, das sich umwälzt arbeiten sie sich langsam aus den Gossen heraus, in denen sie zu liegen scheinen wie für die Ewigkeit.
Ihre Zuversichtlichkeit, heißt es, ist noch da; sie begründet sich auf die Hoffnung, dass der Regen morgen von unten nach oben fließen wird.
Ihre Heiterkeit, heißt es, ist unaufhaltsam, wenn sie ein Stück Fleisch in einer Auslage hängen sehen.

Aber etliche, hören wir, können immer noch Arbeit finden: da, wo man den Weizen in ganzen Zuglagen in das Meer schüttet, welches das pazifische genannt wird.
Und die auf den Parkbänken übernachten, hören wir, sollen mit ganz unerlaubten Gedanken
diese leeren Hochhäuser sehen vor dem Einschlafen.

Welch ein Bankrott! Wie ist da ein großer Ruhm verschollen!

Welch eine Entdeckung: dass ihr System des Gemeinlebens denselben jämmerlichen Fehler aufwies wie das bescheidenerer Leute!

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18 Kommentare »

  1. Hallo,
    kenne das Gedicht gar nicht. Hast Du es selber geschrieben. Zutrauen könnte man es Dir.
    Gruss Kewil

    Kommentar von kewil — 1. September 2007 @ 15:39

  2. Natürlich könnte man mir das nicht nur zutrauen, sondern auch zueignen - zumindest was die Diktion und Qualität angeht. Doch steckt im Detail jener Pferdefuß, dem mancher Pferdekuss zugefügt, welcher Ross und Reiter niemals zu benennen vermag.

    Dass du dieses Gedicht nicht kennst, wundert mich nicht (der Schatz der guten deutschen Prosa ist nur bei wenigen aufgehoben und bei noch wenigeren bekannt). Es wäre in der Sache aber hilfreich, wenn du ein paar eigene Worte zu deiner Bemerkung beisteuern könntest, warum man mir dieses (Degicht *lol*) zutrauen könnte.

    Kommentar von Campo-News — 1. September 2007 @ 16:51

  3. Wieder keine Antwort.

    Nun, da will ich aber noch den schon oben angesprochenen “Gegenentwurf” einstellen

    Inbesitznahme der großen Metro durch die Moskauer Arbeiterschaft am 27. Mai 1935

    Wir hörten: 80.000 Arbeiter
    Haben die Metro gebaut, viele noch nach der täglichen Arbeit
    Oft die Nächte durch. Während dieses Jahres
    Hatte man immer junge Männer und Mädchen
    Lachend aus dem Stollen klettern sehen, ihre Arbeitsanzüge
    Die lehmigen, schweißdurchnässten, stolz vorweisend.
    Alle Schwierigkeiten -
    Unterirdische Flüsse, Druck der Hochhäuser
    Nachgebende Erdmassen - wurden besiegt. Bei der Ausschmückung

    Wurde keine Mühe gesparrt. Der beste Mamor
    Wurde weit hergeschafft, die schönsten Hölzer
    Sorgfältig bearbeitet. Beinahe lautlos
    Liefen schließlich die schönen Wagen
    Durch taghelle Stollen: für strenge Besteller
    Das Allerbeste.

    Als nun die Bahn gebaut war nach den vollkommensten Mustern
    Und die Besitzer kamen, sie zu besichtigen und
    Auf ihr zu fahren, da waren es diejenigen,
    Die sie gebaut hatten.
    Es waren da Tausende, die herumgingen
    Die riesigen Hallen besichtigend, und in den Zügen
    Fuhren große Massen vorbei, die Gesichter -
    Männer, Frauen und Kinder, auch Greise -
    Den Stationen zugewandt, strahlend wie im Theater, denn die Stationen
    Waren verschieden gebaut, aus verschiedenen Steinen
    In verschiedener Bauart, auch das Licht
    Kam aus immer anderer Quelle. Wer in den Wagen einstieg
    Wurde im fröhlichen Gedränge nach hinten geschoben
    Da die Vorderplätze zur Besichtigung der Stationen
    Die besten waren. An jeder Station
    Wurden die Kinder hochgehoben. Möglichst oft
    Stürmten die Fahrenden hinaus und betrachteten
    Mit fröhlicher Strenge das Geschaffene. Sie befühlten die Pfeiler
    Und begutachteten die Glätte. Mit den Schuhen
    Fuhren sie über die Steinböden, ob die Steine
    Auch gut eingefügt seien. zurückströmend in die Wagen
    Prüftend sie die Bespannung der Wände und griffen
    An das Gras. Immerfort
    Wiesen Frauen und Männer - unsicher, ob es die richtigen waren -
    Auf Stellen, wo sie garbeitet hatten: das Gestein
    Trug die Spuren ihrer Hände. Jedes Gesicht
    War gut sichtbar, denn es gab viel Licht
    Vieler Lampen, mehr als in irgendeiner Bahn, die ich gesehen habe.
    Auch die Stollen waren beleuchtet, kein Meter Arbeit
    War unbeleuchtet. Und all dies
    War in einem einzigen Jahr gebaut worden und von so vielen Bauleuten
    Wie keine andere Bahn der Welt. Und keine
    Andere Bahn der Welt hatte je so viele Besitzer.

    Denn es sah der wunderbare Bau
    Was keiner seiner Vorgänger in vielen Städten vieler Zeiten
    Jemals gesehen hatte: a l s B a u h e r r e n d i e B a u l e u t e !
    Wo wäre dies je vorgekommen, dass die Frucht der Arbeit
    Denen zufiel, die da gearbeitet hatten? Wo jemals
    Wurden die nicht vertrieben aus dem Bau
    Die ihn errichtet hatten?
    Als wir sie fahren sahen in ihren Wagen
    Den Werken ihrer Hände, wussten wir:
    Dies ist das große Bild, das die Klassiker erstmals
    Erschüttert voraussahen.

    Kommentar von Tanja Krienen — 2. September 2007 @ 07:39

  4. Der Text über die Moskauer U-Bahn ist wirklich schön. Eine Vision vom Kommunismus als einer Gesellschaft freier Menschen, denen gemeinschaftlich alles gehört, was sie mit ihrer Arbeit aufbauen, und was sie zur Befriedigung ihrer Bedüfrnisse mögen. Und das sind nicht nur elemantare Bedürfnisse wie Transport, sondern auch weitergehende Bedürfnisse wie Schönheit und Pracht.
    Leider ist es ja in der Sowjetunion dann doch nicht so gekommen, denn an Stelle eines freien Kommunismus übernahm Parteidiktatur die Herrschaft. Aber die Vision eines solchen Kommunismus besteht fort.
    Sehr schön zu lesen, gerade in einer Zeit, in der immer mehr gesellschaftliches Eigentum zum Privatbesitz von immer weniger Menschen gemacht wird, und der Mehrheit immer mehr weggenommen wird.
    Erstaunlich, so etwas hier zu lesen, wo doch sonst Neoliberalismus vorherrscht.

    Kommentar von Strauch — 4. September 2007 @ 16:06

  5. Strauch - Ja, BEIDE Texte sind schön und ich habe ja erklärt, dass ich sie bewusst einmal gegenübergestellt habe.

    Von Brecht oder über Brecht konntest du aber hier schon einiges lesen. Prinzipiell ist ja auch die Utopie einer “gerechten Gesellschaft” mit sinnvoller Arbeit keine schlechte Utopie. Man darf nur - siehe das bekannte Nietszchewort - die “Gerechtigkeit” nicht als Mittel zum bösen Zwecke verstehen, so, wie es in der Geschichte des Sozialismus gemacht wurde und auch noch geschieht.

    Einer sinnlosen Arbeitshatz habe ich übrigens nie das Wort geredet, aber die Sache ist unendlich komplizierter. Der ganze Komplex der Verantwortung für den privat Produzierenden, die Frage der Freiheit AUCH etwas zu unternehmen im buchstäblichen Sinne usw. - dies alles kommt in der Diskussion meistens nicht vor. Das muss es aber… TK

    Kommentar von Campo-News — 4. September 2007 @ 16:29

  6. Nun,
    Dein ganzes Blog wird zunehmnd lyrisch, habe ich, der ich alle Schaltjahre mal hereinklicke, den Eindruck!
    Gruss K

    Kommentar von kewil — 9. September 2007 @ 15:05

  7. Hm, mag sein, ich lese ja grad die Geschichte der Romantik und stieß heute auf Goethes Ablehnung der franz. Revolution hinsichtlich ihrer Begleiterscheinungen, die das Denken bis ins Kleinste vorzugeben versuchte - bei Verlust des denkenden Kopfes. Goethe zog sich deshalb phasenweisen stärker auf die Lyrik und Prosa zurück, weil sie abseits der Alltagspolitik zu bestehen vermochte. Andere machten es zu anderen Zeiten nicht anders. TK

    Kommentar von Tanja Krienen — 9. September 2007 @ 16:50

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    Pingback von Verschollener Ruhm — 27. November 2007 @ 10:36

  9. Tja.

    Kommentar von Campo-News — 9. Oktober 2008 @ 08:19

  10. Bertolt Brecht hat wie kein anderer den Sozialkitsch entlarvt. In der “Dreigroschoper” zeigt er minutiös auf, wie der Bettlerkönig Peachum “Die fünf Grundtypen des Elends, die geeignet sind das menschliche Herz zu rühren” ausstaffiert und kalkuliert auf die Menschen ansetzt. Brecht stellt voran: “Um der zunehmenden Verhärtung der Menschen zu begegnen, hatte der Geschäftsmann J. Peachum einen Laden eröffnet, in dem die Elendsten der Elenden jenes Aussehen erhielten, das zu den immer verstockteren Herzen sprach.“ Der großartige Fritz Rasp spielt in der Verfllmung von 1931 den Peachum, der grandiose Ernst Busch als Moritatensänger läutet ein. Ab 42.50 UNBEDINGT ansehen, zumindest zwischen 44.30 und 47.30 - die ganze Szene geht bis 49.50. Wie Reich-Ranicki oder auch Biermann sagten: Brecht war nie ein Kommunist, die Ideologie bildete lediglich das Hintergrundrauschen für seine Kunst. So ist es. https://www.youtube.com/watch?v=eUgkrlL8GkE

    Kommentar von Campo-News — 2. September 2015 @ 12:58

  11. Es gibt Meschen, die kämpfen einen Tag, und sie sind gut.
    Es gibt andere, die kämpfen ein Jahr und sind besser.
    Es gibt Menschen, die kämpfen viele Jahre und sind sehr gut.
    Aber es gibt Menschen, die kämpfen ihr Leben lang:
    Das sind die Unersetzlichen.

    Bertolt Brecht

    Kommentar von Campo-News — 29. März 2016 @ 16:35

  12. Der Kommentar zum Tage von Bertolt Brecht:

    Ach, diese Stimmen ihrer Frauen aus den Schalldosen!
    So sang man (bewahrt diese Platten auf!) im goldenen Zeitalter!

    Noch werden Schallplatten verkauft, freilich wenige
    Doch was erzählen uns diese Ziegen eigentlich, die nicht Singen gelernt haben?

    Was ist der Sinn dieser Gesänge?

    Welch ein Bankrott! Wie ist da ein großer Ruhm verschollen!

    Kommentar von Campo-News — 15. Mai 2016 @ 13:12

  13. http://www.spiegel.de/einestages/uebersetzer-eric-bentley-bertolt-brecht-und-hanns-eisler-schwere-jahre-im-us-exil-a-1110414.html

    Kommentar von Campo-News — 30. Dezember 2016 @ 15:08

  14. Eingeordnet in das durchprüfte System

    Eingeordnet in das durchprüfte System meiner Beziehungen
    Ein elastisches Netz, vermeide ich seit langem
    Neue Begegnungen. Emsig bemüht, niemals
    Durch Belastungen meine Freunde zu erproben
    Oder ihnen besondere
    Funktionen zu geben
    Halte ich mich an das Mögliche.
    Solange ich nicht falle
    Werde ich nicht das Unmögliche verlangen
    Solange ich nicht schwach werde
    Werde ich der Schwäche nicht begegnen.
    Aber die neuen Leute mögen
    Von anderen geschätzt werden.
    - Bertolt Brecht

    Wer A sagt, muß nicht B sagen. Er kann auch erkennen, daß A falsch war.
    - Bertolt Brecht

    Sie sägten die Äste ab, auf denen sie saßen
    Und schrieen sich zu ihre Erfahrungen,
    Wie man schneller sägen könnte, und fuhren
    Mit Krachen in die Tiefe, und die ihnen zusahen,
    Schüttelten die Köpfe beim Sägen und
    Sägten weiter.
    - Bertolt Brecht, Exil, III

    Kommentar von Campo-News — 8. Juni 2017 @ 12:36

  15. Weil dieser Text NIRGENDWO im Netz zu finden ist, habe ich ihn einmal aufgeschrieben, da er doch so schön in die Zeit passt!

    Lied des Speichelleckers

    Meine Seele kommt in Aufruhr
    Alles in mir revoltiert
    Wenn ich einen Menschen sehe
    Der mit recht von jedermann gemieden wird.
    Er hat es sich selbst zuzuschreiben
    Daß er nicht mehr da ist für die Stadt
    Soll ich mit ihm auf dem Grußfuß bleiben
    Den die Obrigheit gezeichnet hat?
    Nein, das ist mir nicht möglich!
    Nein, das ist mir nicht möglich!

    Was er immer auch getrieben
    Darauf kommt es gar nicht an
    Er ist oben nicht gut angeschrieben
    Damit ist er für mich abgetan.
    Jedes andere Gefühl hat da zu schweigen
    Er ist oben unbequem!
    Soll ich ich in seiner Nähe zeigen?
    Soll man sagen. der sprach auch mit dem?
    Nein, das ist mir nicht möglich!
    Nein, das ist mir nicht möglich!

    Warum hat er sichs verdorben?
    Hätt er besser aufgepasst!
    Solch ein schlechter Ruf ist schnell erworben
    Und dann ist man eben oben dann verhaßt
    Nein, wer meinen guten Herrn beleidigt
    Wer ihm frech die Stirne bot
    Soll man von mir sagen, ich habe den verteidigt?
    Soll man von mir sagen, auch ich sei so?
    Nein, das ist mir nicht möglich!
    Nein, das ist mir nicht möglich!

    Bertolt Brecht, 1937

    https://www.focus.de/finanzen/boerse/boersencrash-als-guenstigen-einstieg-nutzen-finanzprofi-glaubt-dax-wird-noch-tiefer-fallen-aber-das-ist-egal_id_11762006.html

    https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2020/usa-schmelztiegel/

    Kommentar von Campo-News — 2. August 2017 @ 08:41

  16. Tanja Krienen
    13. November um 16:28 ·
    Mit Öffentlich geteilt
    Plädoyer für Selbstoptimierungen im dialektischen und humanen, auch notwendigem Sinne, grad und besonders in coronalen Hysterie-Zeiten, die für uns revolutionäre sein sollten.
    Brechts „Lehrstück“ „Die Maßnahme“ muss immer herhalten, um in halbgaren Aufsätzen das Böse im Denken des Dichters aufzuzeigen, da er doch damit stalinistische Säuberungen angeblich vorweg nahm. Doch das ist alles grober Unfug. Warum? Weil –
    Abgesehen davon, dass ein Film, ein Stück oder ein Buch selten bis niemals die Wirklichkeit 1:1 abbildet oder eine direkte Anleitung zum Handeln darstellt, weil es immer nur Wahrheiten in sublimierter Form zeigt und ihr Wesen auch fast immer nur ein Artifizielles ist, so kann kaum ein Dichter oder Filmemacher für einen Inhalt und dessen Wirkung verantwortlich gemacht werden. Darum existiert auch ein großes Laissez-faire gegenüber der „Kunstfreiheit“. Manche jenen Intellektuellen oder Kulturschaffenden unterstellten Absichten, sind plumpe Dummstellereien von Vertretern meist deutlich fürchterlicherer Absichten.
    Warum aber soll die Brechtsche Maßnahme überhaupt Anstößiges beinhalten, geht es dabei doch nur um vier Studenten, die bei ihrer Agitation auffallen und dann einen der Ihren als Gefährder aller anderen töten – mit seinem Einverständnis!.? Das Problem ist sicherlich der konkrete Bezug, also die geplante Revolution und der Parteiauftrag. Jedoch ist die Konstellation abzüglich der Politik eine Ursituation. Nehmen wir einmal einen ganz normalen Western, wie wir ihn bestimmt alle kennen. Da sitzen Jack, John und Jim beratschlagend um Sam herum, der schwer verletzt daniederliegt, weil er, der Tollpatsch, der unkonzentrierte Luftikus, sich im Salon von Old Tucker in „Quickshoot-Town“ auf tölpelhafte Art produzieren musste, - was die Austreibung der vier Helden zur Folge hatte. Doch Sam, weil er schwer aufs Pferd kam, hatte es erwischt. Der Vieren Vorsprung betrug nur etwa zehn Minuten, der Staub der Verfolger war schon am Horizont zu sehen, da gab es folgenden Dialog:
    Sam: „Ich kann, aaahrg, nicht mehr. Reitet ohne mich weiter.“
    Jack: „Nein, ich werde dich nicht hier zurücklassen, Sam.“
    John: „Wir empfangen sie hier und dann…“
    Jim: „Sie sind 20, wir haben keine Chance. Sam hat recht.“
    Sam: „Macht euch keine Gedanken. Nur bitte, lasst mir einen Colt hier, ich habe meinen verloren.“
    Jack: „Sam!? Ich!…—“
    John: „Es ist das Vernünftigste.“
    Jack: „Oh Sam!“
    Sam: „Grüß mir Anna bitte, sage ihr“…In der Ferne wird geschossen, man hört jetzt das Trappeln der Pferde. “Sage ihr…sage ihr…“
    Jim: „Es wird Zeit! Vorwärts.“ Er entfernt sich.
    „Ach, sagt ihr besser….nichts…aaahhrrrgg“
    John: „Hier hast du die Pistole. Machs gut, Sam. Alter Sam, mein Freund.“ Sam stöhnt. Auch Jack und John sitzen auf und reiten schnell davon. Sie sind nicht einmal um den nächsten Kaktus, da hören sie einen Schuss.
    Oder: In einer Dystopie (nach irgendeinem kosmischen Ereignis, irgendeiner von Menschen gemachte Tragödie oder irgendeinem Monstererweckungsdrama mit totaler Ausrottung), kämpfen die letzten Überlebenden gegen andere letzte Überlebenden, doch in der zweiten Gruppe läuft Mad-Paddy mit, der zwar nicht ganz so verschlagen, großmäulig und plump wie sein Bruder Sad-Paddy ist, aber durch Überschätzung und risikoreiche Aktionen die Gruppe mehrfach in Schwierigkeiten bringt. Es geht streng biblisch motiviert zu, wenn Sad-Paddy sagt: „Du dachtest immer nur an dich, schon damals, als Mutter noch lebte.“
    Mad-Paddy äfft: „Äjäjä, als Mutter noch lebte.“
    Sad-Paddy: „Ja, du warst neidisch, weil ich schneller laufen konnte, weil ich mehr Äpfel erntete. Und nun bringst du uns mit deinem Hass, deinem negativen Übereifer in Gefahr. Esthers Tod geht auf dein Konto. Dabei…(er lacht höhnisch)“
    Mad-Paddy: „Geht auf dein Konto. Hähä, Hochwohlgeboren. Das hättest du nicht sagen sollen. Lügner!“ Er nimmt einen Stein in die Hand und stürmt auf Sad-Paddy zu, dann fällt ein Schuss. Silly Joe hat ihn abgegeben und Mad-Paddy tödlich getroffen. „Es war nötig“, brummt er.
    Sad-Paddy steht wie angewurzelt und kann sein Glück nicht fassen, dann stürzt er sich auf Silly Joe. Beide wälzen sich zwei, dreimal herum, dann fällt ein weiterer Schuss. Peter Doomsday, der Logistikmann der Gruppe stürmt herein. „Alles klar Joe?“ Der nickt: „War besser so.“ Beide Paddys werden in eine Kalkgrube geworfen…die Gruppe packen ihr Brot zusammen, nehmen ihre Gewehre und ziehen zielgerichteter als zuvor weiter.
    Stalinistische Aktionen? Mitnichten. Eher Notwendigkeiten, Zwänge, Zufallsdramen…Und doch stellt sich die Frage, wie wir uns in Krisenzeiten verhalten!? Sollten. Zivilisiert und zielgerichtet, wachsam und den Blick auf den Feind gerichtet, aber auch mit angemessener Empathie, ja sogar kameradschaftlich gegen die eigene Gruppe, dennoch ein feines Gespür dabei habend, wer wie Gefahren heraufbeschwört oder blind für sie ist. Entscheider sein zu können, zumindest die Qualität zu besitzen, ist das erstrebenswerte Ziel.
    Gibt es historische Phasen, in der Familien als Ganzes durch die Krise gebracht werden? Selten. Meist teilten sich in Zeiten historischer Kakophonien selbst enge Familienbande in zwei oder drei Kleingruppen – oder Einzelpersonen auf, wenn sie sich selbst rettend durch die Zeit bewegten. Allzu große Sentimentels führen oft in die Katastrophe. Müssen also Überlebende „Lonesome Riders“ sein? Nicht zwangsläufig, aber es schadet auch nicht, sofern es einen Gruppenbezug oder einige wenige verlässliche andere Individuen gleiches Schlages gibt. Also: werft ab, spaltet zur eigenen Gesundung, seid egozentrisch, bejaht „Maßnahmen“, sofern sie den Feind schwächen. Und befasst euch mit Kopfmaterial. Verbessert euch! Seid Kämpfer!

    Kommentar von Campo-News — 10. Dezember 2021 @ 17:48

  17. An die Gleichgeschalteten
    Bertolt Brecht

    Um sein Brot nicht zu verlieren, in den Zeiten zunehmender Unterdrückung, beschließt mancher, die Wahrheit über die Verbrechen des Regimes bei der Aufrechterhaltung der Ausbeutung nicht mehr zu sagen, aber auch die Lügen des Regimes nicht zu verbreiten, also zwar nichts zu enthüllen, aber auch nichts zu beschönigen.

    Der so Vorgehende scheint nur von neuem zu bekräftigen, dass er entschlossen ist, auch in den Zeiten zunehmender Unterdrückung sein Gesicht nicht zu verlieren, aber in Wirklichkeit ist er doch nur entschlossen, sein Brot nicht zu verlieren. Ja, dieser sein Entschluss, keine Unwahrheit zu sagen, dient ihm dazu, von nun an die Wahrheit zu verschweigen. Das kann freilich nur eine kleine Zeit durchgeführt werden. Aber auch zu dieser Zeit, während sie noch einhergehen in den Ämtern und Redaktionen, in den Laboratorien und auf den Fabrikhöfen als Leute, aus deren Mund keine Unwahrheit kommt, beginnt schon ihre Schädlichkeit. Wer mit keiner Wimper zuckt beim Anblick blutiger Verbrechen, verleiht ihnen nämlich den Anschein des Natürlichen. Er bezeichnet die furchtbare Untat als etwas so Unauffälliges wie Regen, auch so unhinderbar wie Regen.

    So unterstützt er schon durch sein Schweigen die Verbrecher, aber bald wird er merken, dass er, um sein Brot nicht zu verlieren, nicht nur die Wahrheit verschweigen, sondern die Lüge sagen muss. Nicht ungnädig nehmen die Unterdrücker ihn auf, der da bereit ist, sein Brot nicht zu verlieren. Er geht nicht einher wie ein Bestochener, da man ihm ja nichts gegeben, sondern nur nichts genommen hat.

    Wenn der Lobredner, aufstehend vom Tisch der Machthaber, sein Maul aufreißt und man zwischen seinen Zähnen die Reste der Mahlzeit sieht, hört man seine Lobrede mit Zweifeln an. Aber die Lobrede dessen, der gestern noch geschmäht hat und zum Siegesmahl nicht geladen war, ist mehr wert. Er ist doch der Freund der Unterdrückten. Sie kennen ihn. Was er sagt, das ist, und was er nicht sagt, ist nicht. Und nun sagt er, es ist keine Unterdrückung. Am besten schickt der Mörder den Bruder des Ermordeten, den er gekauft hat, zu bestätigen, dass ihm den Bruder ein Dachziegel erschlagen hat.

    Die einfache Lüge freilich hilft ihm, der sein Brot nicht verlieren will, auch nicht lange weiter. Da gibt es zu viele seiner Art. Schnell gerät er in den unerbittlichen Wettkampf aller derer, die ihr Brot nicht verlieren wollen: Es genügt nicht mehr der Wille zu lügen - das Können ist nötig und die Leidenschaft wird verlangt. Der Wunsch, das Brot nicht zu verlieren, mischt sich mit dem Wunsch, durch besondere Kunst dem ungereimtesten Gewäsch einen Sinn zu verleihen, das Unsagbare dennoch zu sagen. Dazu kommt, dass er den Unterdrückern mehr Lob herbeischleppen muss als jeder andere, denn er steht unter dem Verdacht, früher einmal die Unterdrückung beleidigt zu haben.

    So werden die Kenner der Wahrheit die wildesten Lügner. Und das alles geht nur, bis einer daherkommt und sie doch überführt früherer Ehrlichkeit, einstigen Anstands, und dann verlieren sie ihr Brot.

    Kommentar von Campo-News — 8. April 2022 @ 12:10

  18. https://www.focus.de/auto/elektroauto/news/29-e-autos-in-gigantischem-kaelte-test-am-ende-faehrt-nur-noch-eines_id_185274354.html

    Kommentar von Campo-News — 13. Februar 2023 @ 15:17

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