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9. September 2005

Warum ich nicht auf Tischen tanze!

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 18:48

Von Tanja Krienen

Das Altea-Portal hat einen Bericht geschrieben Bla bla hier meine Antwort.

Sehr geehrte Frau Frölich!

Ich weiß nicht wo Sie waren, bei der Veranstaltung können Sie eigentlich nicht gewesen sein, wenn doch: Wer waren Sie? Die Dünne links in der Mitte, oder die Dicke rechts oben? Egal.

1. Die Veranstaltung wurde sicher nicht in bester Laune von den beiden Podiumsleuten absolviert, denn nach der äußerst kurzfristigen Absage der ehemaligen Bürgerrechtlerin Lengsfeld war klar, das wir nur ein „Notprogramm“ absolvieren konnten. Dieses jedoch konnte sich sehen lassen.

2. Die Veranstaltung war zuvor glänzend organisiert und wie dann so etwas wirkt, hängt allein vom Zustand des Publikums ab: objektiv war sie inhaltlich auf sehr hohem Niveau, schon durch den sehr kenntnisreichen Eingangsvortrag des Herrn Schikora, denn jeder der ihn kennt, weiß, dass man ihm niemals eine Schwäche im Ausdruck oder eine auch nur ansatzweise vorhandene Unkenntnis vorwerfen kann. Diese ist dem Publikum zu attestieren, wenn es sich z.B. nicht für die Ausführungen zur Frage des EU-Beitritts der Türkei und der EU-Verfassung als Grundlage des gemeinschaftlichen Lebens interessiert. Wer da rausrennt, hätte meinetwegen direkt ins Meer rennen können: Schade, wenn der Mut fehlte.

3. Sie müssen ihre Schnappschüsse früher machen, nicht, wenn der Saal sich so darstellt (vorausgesetzt Sie hätten gute Absichten). Auch waren es sicher „unter dem Strich“ mehr als 30 Leute, die den Weg ins Kulturhaus fanden. Es hätten noch mehr werden können, wenn Teile der Presse nicht gemauert hätten. Traurig ist allein, dass es so wenige Leute gibt, die sich für so eine Veranstaltung interessieren, obwohl ca. 70 000 Zeitungsexemplare mit der Ankündigung der Veranstaltung abgesetzt wurden – keiner trägt daran die Verantwortung außer - die Uninteressierten, Unpolitischen, die Nicht-Denker allein, also die, die sagen: „Der kleine Mann kann sowieso nichts machen“, „Die sind ja doch alle gleich“, „Politik ist ein schmutziges Geschäft“. Sie sehen, für die „kleinen Nöte“ des „kleinen Mannes“ fühle ich mich nicht zuständig und „gerecht“ ist nicht mal der Tod, - zudem halte ich es mit Nietzsche „Die Schwachen und Missratenen sollen zugrunde gehen: erster Satz unserer Menschliebe. Und man soll ihnen noch dazu helfen.“ Bevor Sie jetzt empört reagieren, holen Sie mal Luft, bleiben locker, denken mal nach, und zwar richtig, und sogleich wird sich die extrem menschenfreundliche Philosophie dieses Satzes erschließen.

4. Es ist klar, dass die Ankündigung einer schrillen Polonäse mit Sangriasaufen, Tischtänzen und nackten Hintern das Haus zum Bersten gefüllt hätte. Doch dazu waren weder Herr Schikora, noch meine, traditionell in solchen Dingen zurückhaltende, Person weder willens, noch fähig. Ob Frau Lengsfeld dazu bereit gewesen wäre, weiß ich nicht, es war wohl ein Fehler – mein einziger – dass ich Sie nicht fragte (aber das Problem hatte sich ja von selbst gelöst). Laden Sie doch mal jemanden von der Linkspartei ein, die machen alles, wenn sie dafür die Option auf einen erneuten Mauerbau erhalten. Auch die berühmte Alpencombo „Geschwister Enzian und die Edelweißchen“ hätte bestimmt die Sache so richtig krachen lassen, wie stets der Calper Carnevalsverein. Besonders voll hätten sie in Calpe den Laden wahrscheinlich bekommen, wenn Sie „Schwuler heiratet seinen längjährigen Hund“ angekündigt hätten – so was zieht immer.

5. Von Polemik war da keine Spur. Ich habe mehrere dumme Angriffe freundlich, aber bestimmt, abgewehrt. Zunächst kam die sinnfreie Bemerkung, man habe gedacht, dass sei keine Unions-Veranstaltung (obwohl die Presse dies unmissverständlich schrieb), dann sei der Samstag ungünstig (als wäre der Montag oder der Donnerstag besser) und das Thema EU wäre auch nicht das Wahre (es blieb offen, ob „Führt die „Klimakastrophe“ zu Tropenstürmen in der Mongolei?“ oder „Wie betanke ich mein Auto“, für spanische Residenten interessanter gewesen wären).

6. Noch mal zurück zum Thema: Wir wollten über die Grundlagen der EU sprechen und dann, wie sich diese auswirken. Um mal das Bild zu bemühen: Sie möchten nur darüber reden, wie die Ampel an der Kreuzung funktioniert, wir hingegen wollten über die Energiepolitik an sich reden. Aber nicht mal, wie wir nach dem unsäglichen Verzicht der Wasserleitung aus dem Norden, der quasi von Al quaida eingesetzten, aktuellen spanischen Regierung, zu unserem Wasser kommen sollen, interessierte irgendjemand, in diesem „neuen Spanien“, welches nicht meines ist. Unzählige Anregungen liefen ins Leere. Weder gab jemand einen Ton zur beabsichtigten Unionsumsetzung der Gesetze 1:1 ab (als Beispiel nannte ich das überzogene Diskriminierungsgesetz), noch schien der Vergleich der Gesundheitsmodelle zu interessieren. Fehlanzeige auch bei den Themen Sprachenstreit, Diskriminierung von „uns Ausländern“ oder Regionalismus. Und über was hätte man sich nicht alles unterhalten, auch aufklären lassen können (sogar den angesprochenen scheinbaren Widerspruch zwischen dem Fakt, dass ich für die Christdemokraten zuständig bin, aber eine bekennende Atheistin sei, löste nicht mal mehr als dumme Gesichter aus).. Doch nicht einer erkundigte sich konkret zum Programm der Union, jeglicher meiner Ansätze verpuffte in den müden Gesichtern Sonnenhungriger, Sangriadürstiger, Sensationsheischender.

7. Mehrfach habe ich – auch um die Penetranz einer Partei-Propagandashow gar nicht erst aufkommen zu lassen – davon geredet, dass hier keine Dogmatiker auf dem Podium säßen, sondern Leute, die nicht zu jedem Punkt ein abschließendes Urteil abgeben könnten, resp. wollten. So nannte ich es ausreichend, wenn man zu 50% der Programmpunkte ein klares „Ja“, zu 40% ein „Ja vielleicht“, und nur zu 10% „Nein“ sagen kann. Diese Offenheit, diesen Undogmatismus als Schwäche auszulegen, ist der reine Blödsinn. Und so war die ganze Sache eben auf eine Diskussionsrunde ausgelegt und nicht über 1 ½ Stunden auf Frontalvorträge. Herr Schikora hat es bei ca. 20 Minuten belassen – anschließend habe ich die oben genannten Themen angesprochen, ohne auf ein nenneswertes Interesse zu stoßen.

8. So habe ich es dann als positiv registriert, dass im Publikum ein echter organisierter Rentenexperte saß, einer, der seit Jahren an der Costa Blanca in dieser Frage aktiv ist, und auch absolute Neuigkeiten zu berichten wusste. Erwarten Sie ernsthaft, es könne sich jemand so auskennen, wie der anwesende Herr? Ich vermute, dass selbst eine normale Abgeordnete des Europäischen Parlamentes da hätte passen müssen. Ich bin Journalistin und Autorin, partiell auch in der Politik aktiv, und gerne erzähle ich ihnen etwas über die angesprochenen Themen, inklusiver philosophischer Ausflüge – doch diese so vielschichtige Sache, hätte ihnen nicht mal der Kanzler fehlerfrei erklären können. Schauen Sie mal in die aktuelle CBN. Dort sehen Sie, wie darüber und z.B. auch über die Steuerfragen für Ausländer (übrigens falsch, weil man die wahren Pläne der Grünen verharmlosend darstellte) diskutiert wird – und die wirklichen Fakten sind kaum aufzulisten, zumal in den Parteien momentan kreuz und quer debattiert wird. Hätten Sie zum Beispiel ernsthaft von mir hören wollen, wie die Steuerpolitik der Union demnächst aussehen wird? Ich vermute, dass dies selbst Frau Merkel nicht genau weiß. Unsere offene Haltung zu der Meinung der Bürger, die selbst meinungsbildend für uns sein sollte, war völlig richtig, prinzipiell unaufgeregt, freundlich gemeint, sehr ehrlich und sachlich.

9. Was ist die PP denn sonst als eine Schwesterpartei der Union? Abgesehen davon, dass ich gar nicht weiß, in welchem Zusammenhang der Begriff gefallen sein soll, so kann nur der Anstoß daran nehmen, der Erbsenzählen für den wahren Sinn natürlicher Lebenszusammenhänge hält. Die Union und die PP sind beide in derselben EU-Parlamentsfraktion und beide fußen auf einem postuliertes „christlich-konservativen Menschenbild“. Basta.

10. In der Tat, das besagte eine, auch durchaus wichtige Thema interessierte, sonst: nichts! „Die etwas fragen, die verdienen Antwort“ heißt es in Brechts Gedicht über die Entstehung des Buches Taoteking, und weiter „Denn man muss dem Weisen seine Weisheit erst entreißen“ – im Umkehrschluss heißt das – und da pflege ich durchaus meine literarisch-marxistische Arroganz: Wer nicht fragt bleibt dumm und: er bleibt es zurecht! An den Fragen sollt ihr sie erkennen – wer keine hat, bekommt auch keine Antwort. Und was hätte man uns nicht alles entlocken können, wenn man gefragt hätte, wozu wir gekommen waren. Sie haben angeblich nichts mitgenommen – selbst schuld, denn wir hätten es gern dort behalten.

11. Ob Sie sich etwas merkeln wollen oder nicht: Wie auch bei der Bewertung des Fernsehduells vor einer Woche, bei dem für die Masse Schröder „besser“ war, spielt die Volksmeinung keine Rolle, zumindest kann sie nicht zum Maßstab genommen werden, weil der Masse die Kriterien zur Scheidung von „Gut“ und „Schlecht“ komplett fehlt – wie man an dem besagten Duell sah. Das Volk kann das Gute nicht erkennen, es wird grölen, saufen und klatschen wollen, anstatt zuzuhören, asketisch zu sein und den Mund aufzumachen, wenn es berechtig ist, oder, um mit Nietzsche zu schließen: “Wo das Volk isst und trinkt, selbst wo es verehrt, da pflegt es zu stinken.” Mir stank es am Samstag gewaltig.

P.S. Ach ja, Sie haben ja schon einmal einer alten SED-Schriftstellerverbands-Suse im Streit mit mir süffisant eher Recht, als dem Verstand eine Chance gegeben – so was können sie, siehe auch Tanja riss es vom Stuhl. Sie zeigte, dass ihre bauchfreie Jugendkleidung nicht nur Erinnerung an die Kampfzeit der Gewerkschafts-Jugendvertreterin von vor 30 Jahren war Gut zu wissen. Ich wusste es schon vorher.

Tanja Krienen

4 Kommentare »

  1. Nach drei Jahren lese ich diesen Text wieder: wie schön, ihn noch immer treffend und richtig zu finden.

    Kommentar von Campo-News — 11. Juli 2008 @ 15:01

  2. Oh je, Vera L.

    Und die andere, Halina W., war seinerzeit (2001) Administratorin im Internet-Forum der P”D”S, als die Morddrohung des Kurden gegen mich gepostet wurde. Der Arsch vom Asch.

    Kommentar von Campo-News — 11. August 2009 @ 09:29

  3. FOCUS Online: Sie sind als Mensch in der DDR auf besonders schlimme Weise verraten worden.

    Lengsfeld: Sicher. Das System der DDR hat Menschen hervorgebracht, die bereit waren, ihre Nächsten zu verraten.

    Kommentar von Campo-News — 30. September 2010 @ 14:09

  4. Halina Wawzyniak , 36, erst PDS-Mitglied, nun Vizechefin der Linken, und Vera Lengsfeld, einst DDR-Bürgerrechtlerin, heute CDU-Mitglied, haben überraschend zu friedlicher Koexistenz gefunden. “Hut ab”, erklärt die Linke zum umstrittenen Wahlplakat der Konkurrentin beim Kampf um ein Bundestagsmandat in Berlin-Kreuzberg-Friedrichshain. So viel Humor hätte sie Frau Lengsfeld nicht zugetraut. Für derlei Nettigkeit revanchiert sich die CDU-Kandidatin mit den Worten, Frau Wawzyniak habe nicht nur “A… in der Hose” - wie die Linke per Plakat wissen lässt -, sie stehe auch für eine neue Diskussionskultur, die “argumentiert und nicht niedermacht”. Beide Frauen freuen sich über ihren PR-Erfolg, versichern sich gegenseitig via Internet-Blog “Respekt” und versprechen einander, sich mit ihren aktuellen Wahlplakaten zu beschenken.

    Kommentar von Campo-News — 16. Mai 2011 @ 19:03

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