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9. Juli 2005

Pazifistische Heuchelei

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 10:15

Von Ulrich Sahm

Nachtrag zur CAMPO-Umfrage Wahlumfrage

Gerhard Schröder hatte die entscheidenden wenigen Stimmen Vorsprung durch seine populistische Äußerung gewonnen, Deutschland keinesfalls an dem Irakkrieg zu beteiligen, gleichgültig was passiert und was die Umstände sind. Damit hatte er öffentlich eine Linie festgelegt, die schon zu dem Zeitpunkt gelogen war: Die deutsche Marine ist am Horn von Afrika aktiv. Später schickte er Fuchs-Panzer nach Kuwait und um die Amerikaner während des Krieges zu entlassen (sei es personell oder finanziell) wurden 7000 Bundeswehrsoldaten abgestellt, US-Basen in Deutschland zu bewachen. Und die deutschen Soldaten in den Awacs Aufklärungsflugzeugen über der Türkei während des Krieges haben gewiss nicht nur Tee getrunken.

Dieser politische Pazifismus war und ist eine Heuchelei, der Deutschland und seiner Wirtschaft mehr geschadet denn genutzt hat. Die deutsche Bevölkerung wiegt sich in “Frieden” und verschließt die Augen vor einer bitteren Wirklichkeit in dieser Welt. Die Erkenntnis, dass dieses friedliche Deutschland als Ruheplatz und Vorbereitungsort für den 11.9. missbraucht wurde, hätte spätestens zeigen müssen, dass solcher Pazifismus bei befreundeten Nationen tausende Menschenleben kosten kann.

Diese Heuchelei spiegelt sich auch im Verhalten Deutschlands im Nahen Osten wieder. Obgleich Deutschland zusammen mit der EU die Hamas-Organisation auf die “Terror-Liste” gesetzt hat, nachdem die mit Selbstmordattentaten hunderte Zivilisten umgebracht haben, waren es deutsche Diplomaten, die als Erste “auf niedriger Ebene” mit der Hamas Kontakte aufgenommen haben, ohne von dieser Organisation eine klare und schriftliche Verflichtung zu erhalten, dem Terror ein Ende zu setzen. Pazifismus und stillschweigende Duldung von Terror lassen sich nicht vereinbaren. Und wenn dem dann auch noch naive Aufrufe zu “Versöhnung”, “Dialog” und Ähnliches folgen, weil das angeblich dem Frieden förderlich ist, dann sollte die deutsche Regierung konsequent sein: Dann hätte damals die RAF, die doch in diesem Sinne nur “legitimen Widerstand” geleistet hat, eingeladen worden sein, sich an der deutschen Regierung zu beteiligen, anstatt sie strafrechtlich zu verfolgen. Und wie wäre es in diesem Sinne doch sinnvoll und versöhnlich, Osama Bin Laden und seinen Organisationen einen Beobachterstatus bei der UNO und die Einrichtung einer Repräsentanz in Deutschland anzubieten.

Deutschland sollte sich auf seine wahren Interessen rückbesinnen. Es mag ja durchaus im Interesse Deutschlands gewesen sein, sich NICHT am Irakkrieg zu beteiligen, doch das hätte diplomatisch vorgetragen werden können, ohne gleichzeitig den amerikanischen Verbündeten vor den Kopf zu schlagen und eine Konfrontation innerhalb des Westens künstlich und mit einer falschen Ideologie zu konstruieren. Es mag auch jetzt im Interesse Deutschlands sein, Kontakte mit der Hamas aufzunehmen, aber das darf nicht auf Kosten des Verbündeten Israels gehen und am Ende wieder Menschenleben kosten. Deutschland hat mit großem Erfolg als “wirtschaftlicher Riese und politischer Zwerg” eine einzigartige Vermittlerrolle zwischen dem Westen und so manchen problematischen Kandidaten im Nahen und Mittleren Osten gespielt, etwa in Teheran oder im Libanon bei der Hisbollah. Doch bisher geschah das immer in voller Absprache mit seinen Verbündeten und nicht gegen Amerika, Israel oder andere.

Auch 60 Jahre nach dem 2. Weltkrieg täte Deutschland gut daran, seine wirtschaftliche Größe nicht in politisches Machtbestreben zu verwandeln. Das kann in falsche Richtungen gehen , wenn ideologisch begründet, etwa durch einen weltfremden Pazifismus, der genau so schnell in Gewalt umschlagen kann wie Kriegstreiberei. (Die RAF und andere gewalttätige Organisationen sind schließlich aus den anti-Vietnam-Krieg Bewegungen hervorgegangen, also aus einem “Pazifismus”, der sich allein gegen die Amerikaner richtete, nicht aber gegen die andere Kriegspartei, damals der Vietcong)

Abschließend ein bisher kaum bekanntes Detail, das manche Deutsche, die dem populistischen Pazifismus anhängen, vielleicht nachdenklich stimmen könnte. Ausgerechnet ein israelischer Politiker, der berühmte Mosche Dayan, hat vor etwa 25 Jahren einer deutschen diplomatischen Delegation ganz offen gesagt, dass Deutschland, wie es sich für eine große friedfertige Macht geziemt, doch eigentlich die Atombombe besitzen sollte, um so seine friedfertige Politik mit entsprechendem militärischen Nachdruck durchsetzen zu können. Hätte Deutschland den Ratschlag Dayans beherzigt, wäre ihm vielleicht heute ein Sitz im UNO-Sicherheitsrat gewiss. Es muss hier nicht ausgeführt werden, wie gefährlich derartige Gedankenspiele eines Mosche Dayan sein können und die in anderer Form vielleicht auch in den Köpfen mancher deutscher Politiker schwirren, wenn sie von einem “anderen Weg” träumen, den Deutschland gehen sollte.

(PS. Wir waren Ohren und Augenzeuge jener Unterredung einer deutschen Delegation bei Mosche Dayan. Selbstverständlich hieß es gegenüber der Presse nach dem Gespräch nur, dass die “konstruktive Unterredung in freundschaftlicher Atmosphäre” stattgefunden habe)

Es sei hier ausdrücklich festgestellt, dass wir hier über die “Erwartungen an die Bundestagswahlen” geschrieben haben und keine politische Meinung über eine bestimmte Partei oder einen Kandidaten geäußert haben.

Ulrich Sahm, 1950 in Bonn als Sohn eines deutschen Diplomaten geboren. Aufgewachsen in London, Paris, Bonn, Heppenheim (1968 Abitur an der Odenwaldschule), Moskau und Ankara. Studium der evangelischen Theologie, Judaistik und Linguistik in Bonn, Köln und an der kirchlichen Hochschule in Wuppertal. Ab 1970 Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 Nahost-Korrespondent für deutsche Medien mit Sitz in Jerusalem. Empfehlenswert seine hoch interessante Website: Ulrich Sahm

2 Kommentare »

  1. Ulrich Sahm: “(Die RAF und andere gewalttätige Organisationen sind schließlich aus den anti-Vietnam-Krieg Bewegungen hervorgegangen, also aus einem “Pazifismus”, der sich allein gegen die Amerikaner richtete, nicht aber gegen die andere Kriegspartei, damals der Vietcong)”

    Allerdings würde es in der Logik eines biedermännischen “Pazifismus”, der sich prinzipiell durch eine wohlfeile Äquidistanz gegenüber Opfer und Aggressor auszeichnet, gelegen haben, die von den USA und ihren regionalen Verbündeten ausgehenden Greuel gegen die vietnamesische (sowie die kambodschanische und laotische) Zivilbevölkerung und die vietnamesische Gegenwehr gleichermaßen als “kriegstreiberisch” zu brandmarken - wie Ulrich Sahm es implizit tut, wenn er die vietnamesischen Souveränisten souverän für “die andere Kriegspartei” erklärt.* In diesem Kontext sollte nicht unbeachtet bleiben, daß diese “andere Kriegspartei” im Westen sogar als “Aggressor” gebrandmarkt wurde, als sie die Kambodschaner von dem atavistischen Terrorregime der Roten Khmer befreite. Wenn Moshe Dayan im Auge gehabt hätte, daß der Häuptling der bundesrepublikanischen Pol Pot-Verehrer, Joscha Schmierer, seit Mai 1999 als Mitglied des Planungsstabes des Auswärtigen Amtes deutsche “Friedenspolitik” rot-grüner Varianz programmatisch mitgestaltet, würde er eine Äußerung wie die zitierte wohl kaum gemacht haben.

    * Um Mißverständnisse zu vermeiden: Die peinliche pro-totalitaristische Ikonographie, wie sie in den Demonstrationen der deutschen Nachkriegslinken auch in Gestalt der Verehrung des kommunistischen Staatschefs Ho Chi Minh zum Ausdruck gebracht wurde, liegt mir fern, und menschenrechtlich motivierte Kritik an der freiheitsfeindlichen Praxis staatssozialistischer Regime ist stets geboten (gewesen). Freilich erschiene es als abwegig, dem Handeln der Vereinigten Staaten und der (diktatorisch) Regierenden Südvietnams einen Schein der Legitimität zu verleihen (nämlich als Kriegspartei, die scheinbar gegenüber der “anderen Kriegspartei” das ius ad bellum für sich in Anspruch nehmen konnte), indem die KRIEGSHANDLUNGEN der unabhängigen vietnamesischen Nationalisten mit denen ihrer Kriegsgegner auf eine Stufe gestellt werden.

    Kommentar von Digenis Akritas — 10. Juli 2005 @ 17:36

  2. Buddhist und Pazifist sind positiv besetzt, warum auch immer?

    “In der Nachbarschaft heißt es laut „News-Press“, dass das Opfer als Buddhist und Pazifist bekannt war, während der Täter als gefährlich und aggressiv gilt. Bei dem Streit ging es offenbar um eine mobile Hütte, die auf dem Grundstück des Täters aufgebaut worden war.” Focus

    https://www.achgut.com/artikel/laesst_frankfurt_eine_beschimpfte_juedin_im_stich

    Kommentar von Campo-News — 7. März 2015 @ 08:37

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