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6. März 2005

Aus den Augen, aus dem Sinn

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 10:06

von Katharina Rutschky

Psychische Erkrankungen scheinen genau so typisch für Frauen zu sein, wie andere Leiden, für die Männer schon vor Generationen die Frauenheilkunde erfunden haben. Erst neuerdings ist man darauf gekommen, dass auch das männliche Geschlecht Spezialisten braucht, die sich seiner Probleme annehmen. Besser gesagt,bräuchte; denn damit die männlichen Bedürftigen den Weg zu ihnen in vergleichbarer Zahl wie die weiblichen finden, müssen wohl noch einige Barrieren fallen. Den traditionellen Weg des männlichen Minnedienstes will der Hollywood-Star Will Smith eingeschlagen: Er liest jede Menge psychologischer Ratgeber mit dem Ziel, Frauen besser zu verstehen. An einschlägiger Literatur herrscht ja kein Mangel.Seit den feministischen siebziger Jahren hat die Flut von Klagen und Anklagen,Bekenntnissen und Geständnissen weiblicher Autoren nicht aufgehört zu steigen. Wir Frauen können längst beanspruchen, das „Rätsel Weib“, das der engagierte Frauenversteher Will Smith für sich nun auch noch lösen will, selbsttätig enthüllt zu haben- wie peinlich diese Offenbarungen auch oft waren und immer wieder sind, weil das Persönliche eben nicht immer politisch und damit bedeutsam ,sondern allzu oft eben nur peinlich und privat ist. Will Smith würde ich trotzdem gern fragen, ob sein Verständnisdrang im Hinblick auf Frauen von einem ebenso starken auf Selbsterkenntnis vorbereitet worden ist? Oder will er die Frauen nur deshalb besser verstehen, um sie auf politisch korrekte Art da zu erwischen, wo er sich als Mann beweisen kann? Frauen sind ja immer noch von Natur aus Frauen- Männer aber Konstruktionen, denen das anatomische Schicksal nichts diktiert, aber auch nichts schenkt, sondern, ganz im Gegenteil, ein Extra an Eigenleistung abverlangt.

Wer ein Mann sein will in einer Männerwelt, in der inzwischen auch immer mehr Frauen Fuß fassen und Männer zusätzlich ängstigen, kann sich schon lange nicht mehr auf seine Genitalien verlassen, wie der Schlicht-Feminismus à la Schwarzer es uns immer weis machen wollte.Es waren ja immer Männer, die mit anderen Männer konkurrieren mussten und entweder niedergemacht wurden oder fürchteten, andere niedermachen zu müssen. Wenig wissen wir über das Innenleben von Männern- so viel lässt sich aber doch sagen : Nicht die Frauen geben heute noch Rätsel auf, wie man so lange dachte- sondern die Männer! Bis heute haben sie es nicht geschafft haben, ihr sexuelles Innenleben mit den moralischen Ansprüchen zusammenzubringen, die sie doch auch formuliert haben. Es waren schliesslich keine Frauen, die in Königsberg oder Berlin die grossen Lehrstühle innehatten und die massgeblichen Ethiken schrieben…„Männer sind Schweine“, sang eine(rein männliche) Popband vor Jahren und hat sie nicht recht bis heute? Auf dem Sexmarkt, ob in den Kleinanzeigen, im Nachtfernsehen oder gegenwärtig als Folge der Visa-Affäre, die angeblich Zuhälter begünstigt hat, erscheinen Frauen immer nur als Opfer oder Dienstleistende und Männer als zahlende, aber skrupellose Kunden und Täter. Ja, Männer sind Schweine! Aber das Unheimliche ist: Keiner weiss das besser als die Männer selber, auch wenn sie darüber um keinen Preis reden wollen.

Beispiel und eigentlicher Auslöser meiner schon ein wenig erbitterten Anfrage an die Männerwelt und die Bitte um Enthüllung ihrer Geheimnisse ist der Fall jenes 28jährigen, der gerade als Wiederholungstäter in München einen Neunjährigen aus sexuellen Motiven ermordet hat.Das Schema , das hier wie in anderen Fällen quasi zur Tatverhinderung nach der Tat abgespult wird, ist seit Jahren bekannt.Man fragt sich 1.Ist diese Tat nicht unmenschlich und unbegreiflich? 2.Wen können wir verantwortlich machen? 3.Welche Gesetze müssen verschärft werden? Die Antwort lautet nein,niemanden und keins. Der Münchner Kindesmord lädt allerdings nachdrücklich dazu ein, dem Schwein im Manne nachzuforschen. Warum hat keiner zugehört, als der 18jährige Mörder eine Tat eingestand, für die ihn keiner angezeigt hatte? Wie konnten Gutachter ihn für verantwortlich erklären- einen Jugendlichen, dessen sexuelles Triebschicksal mit der grässlichen Ermordung eines Elfjährigen doch schon so evident geworden war ? Nun, es waren Männer, die verlangten, dass ein Mann sich über seine pubertäre Schweineexistenz erhebt. Mit der Gleichberechtigung mögen sich alle abgefunden haben, aber noch lange nicht damit, dass es auch für Männer - Männerleiden gibt.

Katharina Rutschky, mit freundlicher Genehmigung - Erstabdruck in der WELT

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