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1. März 2005

Frühlings-Gedankensplitter

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 09:44

Der metereologische Frühling hat begonnen, doch draußen herrscht die Kälte und politisch taut es auch nur hier und da. Georg Kreisler sagt warum…

Gedankensplitter

Wir sind alle Wozzecks: Der hilflose Arzt, der den Tanz exekutierte, den er gelernt hat. Nun ja, die Technik ist besser geworden, jedes Jahr ein neues Modell. Der Rechtsanwalt, der schon alles gesehen hat, aber was er am besten kennt, ist die Schwäche, die er verstecken muss. Der Bühnen –und Filmstar, dessen Spielsucht seine Droge ist, der er immer wieder unterliegt, nach Träumen haschend, die nicht in Erfüllung gehe können. Ganz weit oben die Firma, Kafkas Schloß, man kennt die Bewohner, man liebt sie nicht und wird nicht wiedergeliebt, überhaupt Liebe!

Ja, wir sind glücklich, weil wir unsere Lähmung anzuerkennen, unser täglich Blutverlust gib uns heute. Es ist angenehm, die anderen hinter sich zu lassen, während man einem anderen der anderen, womöglich einem Unbekannten, hinterher fährt. Der Doktor macht seine Experimente mit uns, der Hauptmann führt uns auf seinen Vulkan, und wer weiß schon, was die Frau denkt, die hilflose Ärztin, die besserwisserische Rechtsanwältin, die kreischende Schauspielerin oder die eigene Frau in ihrer Wut? Soll man sie heiraten? Will sie überhaupt? Warum will sie nicht? Warum will sie? Hackfleisch, wohin man schaut!

Die Politiker bleiben unter sich. Die Gemeinheit, mit der sie Konzessionen machen, kennt man. Man sollte sie dem Erdboden gleich machen, in Trümmer legen, keine neuen nachwachsen lassen. Kies darüber! Klar, wenn man sie persönlich sieht, jubelt man ihnen zu, mitgerissen, mitverschissen. Denn es ist schön zu jubeln, es macht Hoffnung. Sonntagskinder analysieren dann die Resultate. Die Amerikaner sind Patrioten geblieben, das ist uns allen längst vergangen, wir wollen in Ruhe gelassen werden, hoffentlich ist die Altersrente sicher.

Schröder, Bush, Rumsfeld, Chrirac, Goethe, Merkel, Joschka, Schumi, die Kinder, was macht man mit den Kindern? Wie bringt man es ihnen bei? Im Süden ist man klüger, da läßt man die Sonne scheinen. Pfingsten war ein Traumwetter, wir sind alle in den Park gegangen, sind glaubwürdig in der Sonne gelegen, haben vom Benzinpreis geschwiegen, wenn man nur ohne Auto auskommen könnte, haben wir gedacht. Die Wörter zerflossen, die Ohnmacht der Sprache breitete sich aus. Gibt es nichts, was man reparieren könnte? Das war Pfingsten.

Aber es ist nicht alles hoffnungslos. Etwas regt sich. Es ist das Pulverfaß, das auf den Funken wartet. Die Kommunisten sind allerdings gestorben, vielleicht hätte man sie leben lassen sollen, vielleicht hätten sie einen Ausweg gewusst. Manche reden ja noch immer von der DDR, dass es dort besser war, aber wieso ist sie dann umgekippt? Wieso konnte man dort nichts kaufen? Wieso mußte man eine Mauer bauen? Alles Quatsch, es ist, wie es ist. Die DDR war Quatsch, gute Absichten vielleicht, aber miserable Auswirkungen. Anderseits, wer hat heutzutage schon gute Absichten? Wir zahlen die Miete, bis sie wieder erhöht wird, dann weiß ich nicht. Zum Übersiedeln haben wir keine Zeit.

Das ist das Einundzwanzigste Jahrhundert im Westen, im Osten ist es anders, keine Ahnung wie anders. Die Israelis, die Araber, wer kann die einschätzen? Da kommt nichts Gutes, aber von uns kommt auch nichts Gutes. Trotzdem, eine gewisse Würde muß uns bleiben, wir sind so erzogen worden. Ja, es gibt kluge Leute, die das anders sehen, was haben wir davon! Wir haben die Demokratie, und wir führen im Großen und Ganzen ein gutes Leben. Harte Arbeit, aber Urlaub in der Karibik. Ungerechtigkeiten, aber das eigene Häuschen. Hypotheken, aber wir hungern nicht. Wir können uns einiges leisten, man fragt sich nur, warum man sich immer noch mehr leisten will. Wieso ist man zufrieden, aber unzufrieden? Vielleicht nur eine Laune, eine Überflüssigkeit, oder wir sind undankbar, das ist es, undankbar. An und für sich, ist alles in Ordnung. Europa war eine gute Idee, andere Ideen gab es ja nicht.

Was ist die Lösung? Die Lösung ist unmöglich. Man müsste alles umkrempeln, Profit abschaffen, Geld abschaffen, alle umerziehen, das wertvolle Leben fördern, Musik, Sprache, Kunst, das alte Griechenland, obwohl es dort ja Sklaven gab, siehst du? Bei uns gibt es keine – oder doch? Jedenfalls, so eine Umwälzung schaffen wir nicht. Im Ostblock haben sie es geschafft, in ein paar Wochen war alles anders, ohne Menschenverluste, nicht wie im Irak. Aber im Westen sind die Hindernisse zu groß, Honecker war ein Zwerg, bei uns gibt´s ja nur Riesen, die Industrie, das Öl, der Tourismus, alles abschaffen, wie macht man das? Ausgeschlossen, vergiß es, es geht dir doch gut, und sterben müssen wir alle. Weiß das der König von Schweden?

Georg Kreisler

Der Text erschien im CAMPO Nr. 6

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