Mein neues Buch: Fackeln in der Dämmerung
Texte aus vier Jahrzehnten
Nun erscheint mein neues Buch: Fackeln in der Dämmerung, „Texte aus vier Jahrzehnten“. Illustrationen:  Livius Bootz, Vorwort & Nachwort: Wolfgang Luley, Felix M. Kielstein, Hagen Ernst
Der Herausgeber schreibt: Tanja Krienen – umstritten und streitbar. Das allein sind 2 Gründe ihr neues, fast 400 Seiten starkes Werk zur Hand zu nehmen. Die Politikerin, Publizistin und Aktivistin fasste vier Jahrzehnte zusammen und erlaubt Rückschlüsse auf das Weltenleben in der Zukunft.
Krienen ist auch hier streitbar, hält ihre linke Gesichtshälfte – von DKP bis Linkspartei – und ihre rechte Wange – AFD – hin, während sie aufzeigt, wie sehr sich die Welt in 40 Jahren wandelte. Dabei müssen wir allerdings feststellen, dass die politische Menschheit in all diesen Jahren nichts gelernt hat.
Für politische Querdenker ist das Buch ein Muss! Auch, nein gerade weil, man nicht immer mit der Krienen eins sein muss oder will. Es liefert Widersprüche und Argumente, für ein Pro und ein Contra. Für mich ist „Fackeln in der Dämmerung“ ein Grundlagenwerk, zur Findung eigener Positionen, zur Findung eigener Meinungen und zum Verstehen der politischen Fehltritte. Selbst die Aphorismen und Reimwerke bieten für diesen Prozess die Gelegenheit.
Das abschließende Interview, geführt von Wolfgang Luley, ist ein Auftrag für den Leser. Nicht nur mit der Krienen’schen Sichtweise sich auseinander zu setzen, sondern eine eigene zu bilden. Und dabei über den Tellerrand zu schauen! http://preussischer-anzeiger.de/2015/06/28/neu-und-die-naechsten-tage-exklusiv-auf-romowe/
Tanja Krienen, umtrieben und weitsichtig in politischen Fragen, legt hier ein fast 400 Seiten starkes Buch vor. Ihre Artikel, Satiren und Aphorismen aus vier Jahrzehnten erschienen ursprünglich in Zeitschriften, Zeitungen und Blogs. Die Beiträge sind zeitlos und aktuell. Man wird an ihnen die Zeitgeschichte auch in Jahren noch ablesen können. Obwohl sich die Erde weiterdrehte, stehen wir noch immer am Anfang. Da tut es gut, die Weitsicht der Journalistin und Autorin, der Politikerin und Streiterin zu erkennen. http://romowe.de/laden/product_info.php?products_id=36
DAS INTERVIEW ZUM BUCH!!!
„Der Mensch sucht sich seine Vorbilder nach seinen Neigungen.“
Frage: Tanja, Du bist eine interessante Person, die man als widersprüchlich bezeichnen muss. Du schreibst Artikel für linke Blätter, zum Beispiel: Spiegel und taz, dann aber auch für rechte Magazine, wie das von eigentümlich frei. Kannst Du Dich nicht für eine politische Richtung entscheiden?
Tanja Krienen: Widersprüchlich wäre ich, wenn sich meine Positionen widersprechen würden. Dies geschieht aber selten, maximal dann, wenn der Zeitstrom völlig andere Konstellationen bringt und etwas, das in einer anderen Zeit richtig war, modifiziert werden muss, weil die handelnden Parteien, Personen, Staaten oder Gruppen ihren Charakter änderten. Die erdrückende Anzahl meiner getätigten Meinungsäußerungen sind von der Richtung ihrer Aussagen gleich geblieben, wie man in meinem neuen Buch „Fackeln in der Dämmerung – Texte aus vier Jahrzehnten“ sehen kann. Da sich die Rahmenbedingungen stark veränderten, ordnen sich bestimmte Äußerungen bisweilen in ein anderes politisches Schema ein als in früheren Jahren oder Jahrzehnten. Ich habe immer dort veröffentlicht, wo mir die Chance dazu ermöglicht wurde und es bei entsprechender Toleranz passte, denn manche Medien sind, resp. waren diskussionsfreudiger als man denkt. Mein Ehrgeiz hat aber abgenommen und ich bemühe mich kaum noch um Veröffentlichungen, nicht zuletzt, weil es auch andere Möglichkeiten gibt seine Meinung unzensiert zu veröffentlichen. Das war ja auch ein Grund für die Herausgabe meines Magazins „Campo de Criptana“.
Frage: Wer Deine Texte liest, weiß, dass Du Aphorismen, Gedichte und Artikel schreibst. Du vereinigst in Deinen Werken Poesie und Politik, was widersprüchlich ist. In der Regel sind Autoren eher Poeten, also an Politik wenig interessiert; wie ist diese Mischung zustande gekommen?
Tanja Krienen: Och, die meisten Literaten haben doch sowohl Gedichte als auch Aphorismen geschrieben und von Zeit zu Zeit auch eine andere Form zur Veröffentlichung genutzt. Karl Kaus, Kurt Tucholsky, Bertolt Brecht – die klassischen großen Alten der neuen Form haben dies getan, aber auch Philosophen wie Friedrich Nietzsche oder sogar Karl Marx, dichteten neben ihrem eigentlich Werk oder, wie der erstgenannte, komponierte sogar. Günter Grass oder Wolf Biermann konnten ebenfalls die ganze Angebots-Palette abrufen: Werke, Gedichte und Artikel. Bei Letzterem kommt noch der politische Gesang hinzu. „Allrounder“ sind meine Vorbilder und da ich durch keine Journaillenschule schmal kanalisiert und abgetötet wurde, versuche ich mich traditionell an allem. Die ersten Geschichten habe ich mit 13 geschrieben, sie sind aber verschollen. Was vielleicht auch gut ist. Nein, ganz bestimmt sogar. Vorbild ist auch einer, wie Richard Huelsenbeck, der nicht nur eine Kunstform mit entwarf, sondern dichtete, Pamphlete schrieb und im Hauptberuf später als Psychoanalytiker eine Praxis in New York betrieb. Oder Georg Kreisler, der nicht nur gereimte Texte schrieb, sondern auch Artikel, Satiren, hauptsächlich aber sang und vielerlei komponierte. Im Bereich der Sprache wäre auch noch Hanns-Dieter Hüsch zu nennen, der, ähnlich wie Kreisler, Wortakrobatik, Politik und Unterhaltung vorbildlich verband. Unter den fremdsprachigen Autoren muss hier noch Tom Lehrer erwähnt werden, obwohl ich zu ihm erst relativ spät gelangte.
Frage: Der marxistische Philosoph Herbert Marcuse prägte den Begriff der Repressiven Toleranz, also einer Toleranz, die Herrschaft unterstützt. Wie stehst Du als Autorin und Publizistin dazu? Akzeptierst Du die Meinung von Marcuse oder hast Du, bezüglich von Toleranz, eine andere Meinung? Wie drückt sich die in Deinen Büchern aus?
Tanja Krienen: Marcuses Essay ist klug, aber auch sperrig, einseitig, verengt und autoritär. Daneben finden sich manch richtige einzelne Aussagen. Der Rahmen in dem Marcuse denkt, resp. den er sich setzte, ist ein linksradikaler und hat sich völlig verändert. Für ihn war allein die „Klassenfrage“ entscheidend und alle Vorgänge reduzierte er darauf, ob sie dem linken Kollektiv nutzen oder schaden. In seinem Sinne war die Toleranz gegenüber jeder abweichenden Meinung, die er rechts einordnete, falsch, ja sogar böse. Es gibt innerhalb seines verengten Weltbildes dennoch eine Option zur tatsächlichen Weltverbesserung und eine gewisse Schnittmenge, die er mit säkularen und aufgeklärten Menschen teilt. Und an dieser Stelle hat er ganz abstrakt recht: Die Politik, bzw. die Gesellschaft, schafft viele Ventile zur Ablenkung und zur kollektiven Identitätsstiftung, die letztlich ein falsches „Wir“ erzeugt und die eigentliche Probleme nicht erkennt oder sie verleugnet, in dem sie alle Äußerungsformen als gleich und wichtig belässt. Marcuse kannte den Begriff der Postmoderne noch nicht. Fakt ist, dass er, der sich als Dialektiker versteht, wie so viele scheinbar dialektisch Denkende, den letzten Sprung zur Wahrheitsfindung um jeden Preis ablehnt und zugunsten einer politischen Propaganda verwirft. Er ist kein typischer Vertreter der Frankfurter Schule. Ich bin ebenfalls der Meinung, dass Toleranz kein endgültiger Wert sein kann, nur beziehe ich diese Trennschärfe auf ganz andere und heute aktuelle Themen. Ob Marcuse zu ihnen gelangt wäre, vermag ich nicht sagen.
Frage: Erzähl doch mal, über welche Themen Du genau schreibst?
Tanja Krienen: Solange ich denken kann kreisen meine Gedanken um die Politik und die damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Fragen, aber auch um Musik, Kunst und Literatur. Ebenso bin ich an Philosophie interessiert und an der Psychologie, die ich mit der Beschreibung unzähliger Verhaltensweisen in Satiren und Polemiken auf eine greifbare Ebene herunterbreche und dadurch ihre Wirkung auf den Menschen aufzeige.
Frage: Wer sind Deine literarischen Vorbilder und warum genau die?
Tanja Krienen: Der Mensch sucht sich seine Vorbilder nach seinen Neigungen. Fast alles fügt sich automatisch zusammen. Am Anfang standen die klassischen deutschen Gedichte, die mir mein Vater, ein Mauer, als Kind aus dem Gedächtnis vortrug, noch ehe ich lesen konnte. Unbehagliches Empfinden am Lernstoff in der Schule, löste sich vorsichtig, als ich Wolfgang Borchert oder auch im Ansatz Brecht gewahr wurde. Als Arbeiterkind musste ich mir Wissen erst durch eigenes Interesse erarbeiten, zumal ich in der Schule fast nichts für das Leben lernte. So war es dann ein Glücksfall, dass ich frühzeitig mit der Linken in Berührung kam, z.B. später die konkret las und durch Gremlizas Neigung zu Karl Kraus, neugierig wurde. Sodann erschloss sich vor allem ein Faible für die Art und Weise des Schreibens. Der Rhythmus, die respektlose Herangehensweise, der hintergründige Witz, die Tempowechsel und die raffinierte Auflösung verschachtelter Sätze, die artifiziell zu nennenden Satzkompositionen, letztlich der Spaß an der Bedeutungssuche mir unbekannter Fremdworte und abseitiger, hingeworfener Informationen, ließen mich in den Sprachgarten eintauchen und versinken. Der Wiedererkennungswert bei Nietzsche war sehr groß. Wann immer ich die linken Vorbilder nenne, so meine ich heute nicht ihre konkrete Ausformung, ihre bisweilen immer nur in klassischen Feindbildern verharrenden Bilder, sondern ihre Methodik, die ich wie vorgestellt charakterisierte. Von den alt-konservativen Schreibern, vereinfacht gesagt, fesselt mich allein Schopenhauer.
Frage: Lass uns ein wenig über Dein Leben reden. Manches erinnert mich an Nietzsche, der mit dem Hammer philosophieren wollte. Bist Du ein weiblicher Nietzsche?
Tanja Krienen: Meine Affinität zu ihm teile ich mit vielen anderen künstlerisch interessierten Menschen, denen das herrschende Korsett zu eng ist und die sich selbst eine Fähigkeit zur Meinungsbildung attestieren. Mein Hang zur „Besserwisserei“, wie es manche Außenstehende vielleicht empfinden, liegt darin begründet, viele Fakten anzusprechen und tatsächlich verschiedene Enden miteinander zu einer neuen Sichtweise zu verknüpfen. Da sie aber wenig metaphysische Elemente besitzt, kann sie die Massen nicht nebulös einspannen und bleibt zu schroff. Sie versucht nie die Massen für sich zu gewinnen, hasst aber ebenso verschrobenes und elitäres Denken einzelner und selbstgerechter kleiner Könige. Da bedarf es manchmal auch des Hammers. Blass-Bürgerlicher-Background steht bis heute im Gegensatz zur „Hemd-aus-der-Hose-und-Hände-in-der-Tasche“-Haltung. Für den Hammer muss man die Hand aus der Tasche nehmen. Und beide Hände benötigt man oft beim Reden!
Frage: Du schreibst auch manchmal über Deine Art von Sexualität - ist Sexualität politisch? Ich meine, ist Deine Art der Sexualität Dein Antrieb auf das Gebiet der politischen Bühne?
Tanja Krienen: Überhaupt nicht. Ich hege keinerlei alternative Gedanken, sie sich aus irgendeiner sexuellen Sichtweise speisen. Da empfinde ich mich als Norm, als absolut mittig. Es ist tragisch, dass ich oft in Ecken gestellt werde, in denen ich mich nicht einmal bei Nacht wage. Wenn ich etwas konstatieren muss, dann vielleicht eine gewisse Empfindlichkeit, weil man mich für etwas nimmt, was ich nicht bin und einsortiert. Mein Interesse für Psychologie und eine gewisse Erfahrung machen mich kundiger als der Schnitt und mein Mut Klartext zu reden und mich zu positionieren, angreifbarer. Das geht jedem so, der sich vorwagt und eine abweichende Meinung äußert und sei es auch nur in Teilbereichen.
Frage: Mir fällt auf, dass Du in verschiedenen Parteien warst, angefangen von der erzlinken DKP, über die konservative CDU, bis hin zur rechtskonservativen AfD. Wie kam das?
Tanja Krienen: Als Linke startete ich aufgrund meines Elternhauses und manch frühen kindlichen Erfahrungen im Alltag. Die gesellschaftlichen Schichten waren vor 50 Jahren viel stärker als heute voneinander getrennt, denn die Menschen lebten in völlig unterschiedlichen Welten. Über die Unzufriedenheit mit der regierenden SPD, der Lektüre von Marx und Engels und dem Kennenlernen von Wolf Biermann und seiner kritischer Sicht auf die DDR aus linker Überzeugung, sah ich mich vom Frühjahr 1974 an, also um meinen 17.Geburtstag, als der kommunistischen Bewegung zugehörig. Verstand und Gefühl folgend, lief auch hier viel über die Musik und besonders über die Lieder des für mich bis heute einzigartigen Sängers Ernst Busch. Er traf genau den Ton, den ich mochte: klar, direkt, intelligent in der Umsetzung. Ein deutscher Johnny Cash! Ein mexikanischer Jorge Negrete! Wir hatten in den 70er Jahren viele nette Ideen und ich analysierte bereits 1982, also drei Generalsekretäre vor Gorbatschow, dass sich objektiv nicht nur das Meiste erfüllt hatte, sondern manche Forderungen weit über das Ziel hinaus schossen. So verließ ich die DKP. Philosophisch blieb ich Materialistin, Atheisten und Anhängerin der Modernen. Ich blieb stehen, die ganze Meute aber rauschte irgendwann links an mir vorbei, forderte Absurdes, das wir einst nur den Abenteurern, Trotzkisten, Maoisten, Anarchisten oder regelmäßigen Drogenkonsumenten zugeignet hatten. Von diesem ultralinken Standpunkt erscheint meiner nur in Teilen liberal und vielfach auch konservativ, sogar reaktionär. Wenn man die Ausführungen der Philosophen des 19. Jahrhunderts als Maßstab nimmt und an weite Bereiche als immer noch zutreffend, dann muss man halt das Etikett „rückwärtsgewandt“ annehmen, selbst wenn man es moderner präsentiert. So will es das Gesetz, das von jenen bestimmt wird, die nie über den viel älteren Marx oder die Sagengestalt Jesus herauskamen.
Frage: Bei der AfD hast Du das Handtuch geworfen, obwohl Du den Ortsverband gegründet hast und zur Sprecherin bestimmt wurdest. AfD und Tanja Krienen - ein Missverständnis?
Tanja Krienen: Ich habe die AfD schon richtig verstanden. Es war übrigens der Kreisverband den ich mitgründete, so wie auch den Landesverband NRW! Die AfD ist nicht das, was sie vorgibt, sondern eine weitgehend unideologische Wutbürgerpartei ohne echte Analysefähigkeit, die meist genauso grummelt wie die linke Basis. Von einer Partei, welche angeblich die alte Formel von der liberal-konservativen Richtung vertreten will, wie sie z.B. der Publizist Gerhard Löwenthal postulierte, der übrigens auch ehedem ein Linker war (Jude dazu)l, ist die Partei meilenweit entfernt. Aber nur so eine Partei wäre ein echter Widerpart zum Allparteipool, in den man die AfD wohl mit hineinwerfen darf. So ist sie das, was es schon längst gibt.
Frage: Um noch einmal auf den hauptsächlich als Kabarettist bekannten Georg Kreisler zurückzukommen, mit dem Du einen regen Briefwechsel geführt hast. Wie hast Du ihn kennengelernt? Über welche Themen habt ihr euch ausgetauscht und letztlich: Du hast herausgefunden, dass sich Kreisler mal mit Hanns Eisler getroffen hat. Was ist an diesem Treffen so interessant gewesen?
Tanja Krienen: Ich sah ihn häufig auf der Bühne und sprach auch schonmal nach der Vorstellung mit ihm. Doch die elf Jahre dauernde Brieffreundschaft begann, als mir bei einer Recherche auffiel, dass an Charlie Chaplins „Monsieur Verdoux“ sowohl Hanns Eisler, als auch Georg Kreisler mitgearbeitet haben sollen, obwohl in den einzelnen Biographien nichts von einer gemeinsamen Arbeit zu lesen war. Sollte es sich um einen Irrtum handeln? Kr(eisler), sehr kurios. Und doch: Chaplin wollte zu seinem Film die Musik schreiben, konnte aber keine Noten. So pfiff er Kreisler die Melodien vor, der notierte sich alles und machte sich dann auf nach Malibu, wo Hanns Eisler im Exil wohnte, der dann die Vorlagen in Orchestermusik umsetze. Zwei Juden, die beide in Hollywood überlebten, der ältere schon sehr erfolgreich, nicht nur wegen seiner Arbeit mit Brecht, und der jüngere, grad 22, der sich seinen Namen noch erarbeiten musste.
Frage: Du hast einige Briefe beigesteuert zu dem Buch von Dr. Nikolaus Topic-Matutin, das den Titel hat: „Georg Kreisler – Doch gefunden hat man mich nicht“. Das Buch veröffentlichte Texte, Gedichte und Briefe, die bisher noch unbekannt waren. Kann man noch mehr von Dir über Kreisler erwarten – etwa in Buchform?
Tanja Krienen: Das wohl nicht, doch der Verlust schmerzt noch immer. Gern würde ich jedoch einen Spielfilm über sein Leben anregen wollen, das unfassbar viele Anekdoten bereithält und mit der Weltgeschichte verknüpft ist. Zum Beispiel, wie Hitler Kreislers Onkel Julius Plakate für eine Werbeaktion gegen Schweißfüße malte oder wie er auf der Flucht 1938 auf einem Schiff das Kosher-Nostra Mitglied Bugsy Siegel (eigentlich Benjamin Siegelbaum) traf und mit ihm Schach spielt und auch später bei dessen Erschießung in der Nähe weilt oder als er 1945 als Mitglied der „Ritchie Boys“ u.a. Hermann Göring, Julius Streicher und Ernst Kaltenbrunner als Dolmetscher mitverhört u.v.m.
Frage: Was planst Du für die Zukunft?
Tanja Krienen: Falls es sie gibt: Seit zwei Jahren sammele ich Stoff für einen Roman und habe schon fragmentarisch einige Szenen erarbeitet. Wenn es gelingt, wird es mit Abstand zum bösesten Werk, das ich je verbrach. Mein Arbeitstempo hat sich verlangsamt, ich werde sicher noch zwei, vielleicht auch drei Jahre zur Vollendung benötigen. Ansonsten halte ich es mit Brecht:
Ja, mach nur einen Plan!
Sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch’nen zweiten Plan
Gehn tun sie beide nicht.
Das Interview mit Tanja Krienen führte Wolfgang Luley, Redakteur und Lektor des Romowe-Verlages. http://preussischer-anzeiger.de/…/neu-und-die-naechsten-ta…/
http://romowe.de/laden/product_info.php?products_id=36
http://www.amazon.de/Fackeln-D%C3%A4mmerung-Te…/…/1512277193
Was macht das jetzt mit mir?
Der sukzessiv zu vernehmende, wohlig törichte Stoßseufzer „Was macht das jetzt mit mir?“, wäre wohl, falls diese Kategorie gäbe, der Unsatz der letzten Jahre. Im realen Leben traut sich niemand, weshalb er nur im Fernsehen zu sehen ist, meist, wenn die Reporterin des WDR oder auch privater Krawallkanäle, aus irgendwelche gepiercten, vollschlanken Frauen (zu 99% sind die „Was-macht-das-mit-mir“-Frager Fragerinnen) eine Befindlichkeit herausquetschen wollen, die in 99,9% der Fälle entweder selbst verbockt oder aber eingebildet wurde, und zwar so, dass Fremdschämen geradezu – quasi programmgenetisch – als Bestandteil des Horrors garantiert ist. Wie gelangt man in diesen Zustand? Treudoof, verantwortungslos und bar jeder Fähigkeit zur Vorausschau, stellt man den Gesichtsausdruck auf Durchzug bei gleichzeitiger höchstmöglichster Leidensmine, signalisiert gleichzeitig: auch du kannst dümmer, als die Polizei bis circa 1999 erlaubte, sein.
Beispiel:
Candida Savannah Kapitulinski war stockbesoffen, als sie während des Fischmarktes auf Djamal Dschalala traf, kurz darauf mit ihm „schlief“ und sagt nun: „Als ich hörte, ich bin schwanger (O-Ton selbstverständlich), dachte ich nur: Was macht die Schwangerschaft jetzt mit mir?“ Man muss hinzufügen, dass der Satz „Was macht das jetzt mit mir?“ oft durch die konkrete Benennung des Ereignisse ergänzt wird. Jedenfalls: nun sitzt sie da betroffen und wartet, was es mit ihr macht. Ein Zustand zeitloser, temporärer Glückseligkeit.
Die Frage: „Was macht das mit mir“ stellt sich aber in vielerlei Gestalt.
Karl Friedrich Buck, 62 aus Unterwegs, war vorhin war ich bei der Frauke und wollte ihr das Rechnen beibringen. Da sagte sie ihm, er könne ja gar nicht rechnen. Da rief er sehr erstaunt: „Was macht das jetzt mit mir?“
Effi Briese, 44, aus Haan-Hochdahl stellt sich manchmal auf die Zuggleise und spricht dann leise: „Wenn ich jetzt hier stehen bleibe: Was macht das jetzt mit mir?“
Anna-Marie Fettelfritz, 23, aus Gelsenkirchen, schaut seit langer Zeit nicht mehr in den Spiegel, sie sagt: „Wenn ich das täte, was macht das dann mit mir?“
Und du aus Unbekannt, fragst dich jetzt auch nach dem Lesen dieses Textes: „Was macht der jetzt mit mir?“ Du wirst schon sehen
Kommentar von Campo-News — 6. Juli 2015 @ 08:15
“Fackeln in der Dämmerung†von der Jungen Freiheit rezensiert
Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 16:34 Bearbeiten
Zur Freiheit, zur Sonne. Die streitbare Autorin Tanja Krienen dokumentiert in einem Essayband ihren langen Marsch zum Antitotalitarismus. Von Marc Zoellner
Tanja Krienen ist nicht mehr nur ein Name. Im Kreise des nonkonformen Journalismus gilt er schlichthin bereits als Institution.
Seit den frühen Achtzigern des vergangenen Jahrhunderts bemüht sie redlich ihre Schreibfeder, beliefert im Akkord die Redaktionen der deutschen Medienlandschaft; angefangen bei der linksalternativen taz über libertäre Magazine wie dem eigentümlich frei bis hin zum konservativen Preußischen Anzeiger.
Die Wahl der Themen glich dabei seit je dem wechselvollen Kurs ihrer eigenen Vita. Als Punk trat sie in Jugendjahren erstmalig öffentlich in Erscheinung auf, als Anarcho-Trotzkistin, welche die aufkommende Neue Deutsche Welle gegen Faschismusvorwürfe ihrer eigenen Genossen verteidigte und letztere wiederum nach fünfjähriger Mitgliedschaft in der Deutschen Kommunistischen Partei aufgrund deren Verherrlichung der inneren Zustände der DDR-Diktatur den Rücken kehrte.
Wolf Biermann stand ihr schließlich nahe; der Vertriebene, der - wie sie – scheinbar keine politische Heimat finden konnte. Seine erzwungene Emigration war fortan Bestandteil unzähliger von Krienens Kolumnen, seine Ausbürgerung Titel einer bei Ullstein publizierten Essaysammlung, zu welcher auch Krienen Texte beitrug. Ein Mutualismus zu beidseitigem Vorteil: Denn neben linken und liberalen Koryphäen wie Wagenknecht, Röhl und Broder waren es auch Biermanns Beiträge, die Krienens Zeitschrift “Campo de Criptana†– benannt nach jenem mittelspanischen Dörfchen, vor dessen Toren der tragische Held Don Quijote sich zum Kampf gegen die Windmühlen anschickte – zu Rang und Namen verhalf.
Mit “Fackeln in der Dämmerung†beliefert der frisch gegründete Romowe-Verlag, ein Derivat des PA, seine Leser nun, zwischen Buchdeckel gepresst, mit einer 376 Seiten umfassenden Sammlung von Krienens in den letzten vier Jahrzehnten verfassten Essays, Kolumnen und Kommentaren, ihrer Aphorismen und Gedichte. Im Rückblick gelesen, stellen Krienens Aufsätze dabei mehr als nur einen flüchtigen Streifzug durch die Geschichte der Republik dar. Sie gewähren auch tiefe Einblicke in ihr eigenes Leben: Ihren biografischen Sollbruch mit Kommunisten, Konservativen – der CDU – und der AfD, ihrer Abneigung totalitärer Denkweisen gegenüber, ihrem Patriotismus jenseits schwarzweißer Strukturen sowie natürlich auch der schönen, der angenehmen Seiten von Kunst, Kultur und Literatur.
Krienens oftmals überschwängliche Polemik muss man dabei nicht unbedingt mögen. “Wenn einer mir sagt: Ich komme mit jedem gut ausâ€, gesteht sie gern selbst ein, “so läge mir schon sehr daran, ihm das Gegenteil zu beweisen.†Das meint sie durchaus ernst. Doch gerade dadurch hebt Krienen sich lesenswert ab von der grauen Masse der deutschen Publizisten.
Tanja Krienen: Fackeln in der Dämmerung. Texte aus vier Jahrzehnten. Romowe, 2015, 376 Seiten, 20,95 Euro.
Kommentar von Campo-News — 10. November 2015 @ 08:25
154. Austritt aus der DKP
An den Kreisvorstand der Deutschen Kommunistischen Partei!
Hiermit möchte ich meinen Austritt aus der DKP erklären. Nach einer längeren Phase intensiven Nachdenkens, fasste ich diesen, mir nicht leicht gefallenen Entschluss, da man eine Partei nach fast fünf Jahren Mitgliedschaft und achtjähriger weitgehender Identifizierung mit ihr, nicht so einfach verlässt. Dennoch musste ich diesen Schritt, schon aufgrund meiner persönlichen Glaubwürdigkeit, ausführen. Zunächst beabsichtigte ich meinen Entschluss ausführlich bis in alle Einzelheiten zu begründen und zum Ende meiner Parteimitgliedschaft, eine Analyse der gescheiterten DKP-Politik zu erstellen. Von diesem Vorhaben rückte ich allerdings ab, als ich mir überlegte, welchen Sinn es überhaupt noch hat, mit der DKP zu diskutieren. Außerdem kann ich mir sehr gut eure Reaktionen auf ein derartiges Papier vorstellen. Es wären die gleichen Reaktionen geworden, die ihr wahrscheinlich beim Lesen dieser Austrittserklärung zeigt nur in wesentlich extremer Form. Die Reaktionen vieler Genossen stellen sich wahrscheinlich dar, in der bunten Palette abrufbarer Reizäußerungen, beginnend beim einfachen Kopfschütteln, bis hin zum bornierten ideologisch geprägten Insiderlächeln nach dem Motto: “Na ja, wir haben ja schon immer gewusst, dass sie - trotz proletarischer Herkunft und zeitweiligen Standes - die kleinbürgerlichen anarchistisch-trotzkistischen
Denkkategorien niemals überwunden hatte.”
Trotz alledem werde ich es mir nicht nehmen lassen, einige Punkte, die unter vielen anderen die Gründe für meinen Austritt sind, im Folgenden darzustellen. Da wäre als wichtigster und erster Punkt, das allseits bekannte blinde Verhältnis der Deutschen Kommunistischen Partei zum sog. real existieren-den Sozialismus. Nicht das ich grundsätzlich etwas gegen diese Defensivformel scheinsozialistischer Umgestaltung hätte, nein, vielmehr habe ich etwas gegen eben jenen Scheinsozialismus selbst, der mit platten Phrasen künstlich einen revolutionären Anstrich erhält. Nun mag an dieser Stelle gleich wieder der berüchtigte Einwand kommen: „Aber die DDR hatte doch die schlechtere Ausgangslage… Amen!
Aber ja, - die DDR ist revolutionär!
Die Intershops sind revolutionär, - weil man dort die schmarotzende, dekadente westliche Welt nicht nur sehen, sondern auch noch kaufen kann (natürlich gegen schmarotzende, dekadente Westdevisen).
Die 42 1/2 Stundenwoche ist revolutionär, -weil sie dem Klassenfeind tagtäglich zeigt, dass die Mehrwerttheorie eben nur eine Theorie ist.
Das stundenlange Warten vor Restaurants ist revolutionär, - weil dadurch der Mangel rationeller verwaltet, die Solidarität unter den Leuten gefördert und das Ellenbogenverhalten ganz sicher gemindert wird.
Der Mangel an Lebensmitteln (sprich Luxusgüter) ist wiederum revolutionär, - weil man ohne das Empfinden des Mangels gar nicht mehr wüsste, wie viel Luxus schon vorhanden ist!
Die dreckigen Toiletten sind revolutionär, - weil der westliche ausländische Nichtdeutsche nicht glauben soll, alle Deutschen seien penibel sauber.
Die niedrigen Renten sind revolutionär, - weil die Alten (sprich nichtproduktive Kräfte), gerne in den Westen abhauen dürfen, tun die revolutionären Neuigkeiten im Westen anzuwenden und den
Imperialismus damit zu zersetzen.
Die Kindererziehung ist revolutionär, - weil auch Kinder schon über die marxistisch-leninistische Ästhetik des Krieges frühzeitig etwas erfahren sollen.
Der Zustand der Häuser ist revolutionär, - weil Hausbesetzer angesichts der Fülle zu besetzender Häuser völlig frustriert aufgeben und Wohnsilos (Neubaugebiete), ohnehin praktischer, kostengünstiger, quadratischer.. - eben so richtig DDR-revolutionär sind.
Die Behandlung der DDR-Bürger im sozialistischen Ausland als Bürger zweiter Klasse ist revolutionär, - weil Devisen eben Devisen sind!
Das Herausstehlen von Waren aus Paketen, wohlgemerkt auch Waren, die man im Intershop erwerben kann, ist revolutionär, weil - siehe oben.
Die verwahrlosten asozialen Ferienlager sind revolutionär, weil man als Ausländer in einem DDR-Ferienlager einen hervorragenden Eindruck der gesamtgesellschaftlichen Zustände in kompakter Form dargeboten bekommt.
Dass DDR-Bürgern die Rechtsanwaltslaufbahn verweigert werden kann, wenn ein Verwandter im Westen wohnt, ist revolutionär, - weil die Propaganda der 100 Milliarden Mark Schaden durch Abwanderungen spezialisierter Arbeitskräfte immer noch gefressen wird und somit zur Stabilisierung der DDR beiträgt.
Dass die meisten Qualitätsprodukte exportiert und deshalb von der eigenen Bevölkerung nicht gekauft werden können ist revolutionär, - weil die Bevölkerung daraufhin neue Gegenpläne erstellt um die Vorjahreszahlen zu erhöhen, damit noch mehr Waren exportiert werden können, die wiederum auch nicht in den landeseigenen Geschäften auftauchen!
Ihr könntet ja nun fragen, was denn dieses alles mit der DKP zu tun hat?! Die Antwort darauf ist ganz einfach: Weil Ihr den ganzen Kram verteidigt! Ihr sagt dann, es gäbe sicher einige “Einzelerscheinungen“ in der DDR, die Euch auch nicht passen, das „große Ganze’ wäre aber doch in Ordnung. Ich jedoch möchte diesen Satz umdrehen und behaupten, dass das “große Ganze” einen Dreck wert ist, wenn nicht die elementarsten Bedürfnisse der Menschen befriedigt werden können.
So muss man einmal einige Passagen in einem, in der DDR erschienenen Buche durchlesen, um sich als Kommunist wie-der einmal kräftig schämen zu können. Der Gipfel der Lächerlichkeit wurde erreicht, als man DDR-Bürgern einen Aufnäher von der Jacke riss, auf dem ein sowjetisches Geschenk (!) an die UNO abgebildet ist (Schwerter zu Pflugscharen). Ich befürchte beinahe, dass so etwas nur in einem Land möglich ist, in dem selbst der Text der eigenen Nationalhymne nicht gesungen werden darf Doch die DKP schafft es, verkrampft hier “Frieden schaffen ohne Waffen” und da “Der Frieden muss bewaffnet seid’ zu verkünden. Die Rolle der DKP in der Friedenbewegung ist deshalb heuchlerisch, weil sie sich in der BRD gegen schleichenden Militarismus wendet, in der DDR aber militaristische Erziehung im Kindesalter für korrekt hält. Das Verhalten der DKP in der Friedenbewegung, obwohl ich hierbei nur ein paar herausstechende Fakten angeführt habe, ist somit der zweite Kritikpunkt.
Der dritte Punkt betrifft die Frage der Ökologie. Ganze 50 Zeilen widmet die DKP in ihrem Programm, den Fragen der Energiepolitik und des Umweltschutzes, während sie hingegen 54 Zeilen benötigt, um den eigenen Mitgliedern zu erklären, was denn so ein richtiger Kommunist eigentlich alles so macht; geschehen in dem hübsch übertitelten Kapitel “Was Kommunist sein heißt?”. Ihr seid jetzt erbost und sagt: “Das ist doch wieder nur die Form, die du da kritisierst, die Inhalte sind aber doch entscheidend!” Na gut, sehen wir uns die Inhalte an…
Im Parteiprogramm heißt es: Deshalb ist sie (d.h. die DKP), auch grundsätzlich für die friedliche Nutzung der Kernenergie. ” Davon abgesehen, dass wohl niemand grundsätzlich für die unfriedliche Nutzung der Kernenergie ist, so zeigt dieser Punkt besonders das uneingeschränkte Wachstumsdenken, welches in der marxistischleninistischen Philosophie begründet ist.
Dieser Punkt dokumentiert das fatale Schicksal des zweiten deutschen
Staates, lässt sich doch die DDR, den Konsum und
Produktionswettbewerb wunschgemäß aufzwingen und sieht nicht, dass die ökologische Katastrophe auch auf sozialistischen Sohlen heranschleicht. Zu all den bisher aufgeführten Themen,
könnte ich wesentlich detaillierte Aussagen treffen, dann allerdings wurde es eben jene Analyse werden, die ich doch so gerne vermeiden wollte. Aber ganz fertig bin ich noch nicht! Denn da wäre noch die Frage des Geistes und der Kunst.
1925 schrieben George Grosz und Wieland Herzfelde den Text: “Die Kunst ist in Gefahr. Ein Orientierungsversuch.” Ich möchte aus der
Passage über den Dadaismus kurz zitieren: “Diese deutsche DadaBewegung hatte ihre Wurzeln in der Erkenntnis, die manchen Kameraden und auch mir gleichzeitig kam, dass es vollkommender Irrsinn war zu glauben, der Geist oder irgendwelche Geistige regierten die Welt. Heute weiß ich und mit mir alle anderen Begründer des deutschen Dadaismus, dass es unser einziger Fehler war, uns mit der sogenannten Kunst überhaupt ernsthaft beschäftigt zu haben. Der Dadaismus war der mit Grölen und höhnischen Gelächter vollzogene
Durchbruch aus einem engen, überheblichen und über-schätzten
Milieu, das, zwischen den Klassen in der Luft schwebend, keinerlei Mitverantwortung dem Leben der Allgemeinheit gegenüber kannte. Wir sahen die irrsinnigen Endprodukte der herrschenden
Gesellschaftsordnung und brachen in Gelächter aus.”
Dem ist nur hinzuzufügen, dass sich die derzeitige Situation kaum anders präsentiert. Goethe in Ost und West; feudalistische Soldschreiber wie Mozart oder Bach in Ost und West - plus sogenannte Arbeiterkonzerte der DKP; Puhdys und Karat in Ost und West; Wagner in Ost und West; Roy Black in Ost und West; Martin Luther in Ost und West; Karl May in Ost und West - und das Standbild Friedrich des Großen in Berlin - (Ost) !
So komme ich zum letzten, besonders hervorzuhebenden Kritikpunkt an der DKP, den man überschreiben könnte: Mystische Verklärung des Faktors Arbeit! Vor wenigen Stunden hätte ich das Wort mystisch vielleicht in meiner Polemik weg-gelassen, doch da gelangte ein Artikel mitsamt der UZ auf meinen Mittagstisch, - ein Report: 7000 km durch Jakutien, dritter Teil eines Berichtes des Korrespondenten Helmut Weinand, mit der Überschrift “Wie die Söhne der Nomaden heute leben”. Dieser “interessante” Artikel über das tapfere kleine Völkchen der Ewenen, das, wie eindringlich geschildert wird, sein heutiges Dasein nur dem Sieg der großen sozialistischen Oktoberrevolution zu verdanken hat, dieses kleine Volk also, zeigt uns, wie der Faktor Arbeit, die Lebenserwartung steigen lässt! Die 28-jährige Ärztin Olga Starostina, aus dem Ort Topolino, in dem Dank der sozialistischen Gesellschaft jetzt sogar die Wölfe mit Helikoptern vertreiben werden, sagt uns als Fachärztin für innere Medizin und Mutter zweier
Topolinos, angesichts des Umstandes, dass die Menschen
hier vor der Revolution nur 22 Jahre und nun 70 Jahre im Schnitt werden: “Es ist die Arbeit! Die Arbeit und ein ausgefülltes Leben in der freien Natur. In unserer Sowchose gibt es nur alle Arbeit. Vertane Zeit kennen wir nicht! Und wer will kann auch noch mit 90 zupacken.”
Ich rechne: 65 Jahre Oktoberrevolution - 90 minus 22 - macht 25. Der Mann hätte bei Ausbruch der Oktoberrevolution schon drei Jahre tot sein müssen! Wenigstens im Schnitt… Aber deshalb heißt es wohl im Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Philosophie, unter dein Stichwort “Charakter der Arbeit”: Mit dem Übergang vom Sozialismus zum Kommunismus nimmt die Arbeit allmählich kommunistischen Charakter an, d.h. sie wird zum ersten Lebensbedürfnis des
Menschen!”
Ihr werdet nun wieder sagen, dass alles, was Du bisher geschrieben hast, ist doch durchdrungen vom Antikommunismus. Nun. wenn das, was Ihr vertretet, die kommunistische Ideologie ist, dann bin ich in der Tat Antikommunist. Geworden!!! Bei meinem Eintritt in die DKP habe ich ihren Stand-punkt geteilt, und dieses sogar manchmal ziemlich blauäugig. Wer hat mich also zum “Antikommunisten” gemacht? Wer hat überhaupt die gesamte Bevölkerung zu “Antikommunisten’ gemacht? Ist daran nur die Meinungsmanipulation des Groß-kapitals schuld, wie es auf Seite 29 im DKP-Programm steht? Noch mal aus dem Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Philosophie, Stichwort
“Antikommunismus”: „Wesenszug der imperialistischen Ideologie und
Politik, der alte ihre Formen durchdringt. So einfach ist das!“
Weiter heißt es in dem Buch: “Die antikommunistische Propaganda bedient sich dabei mit Vorliebe revisionistischer und sozialdemokratischer Theorien (vom freiheitlichen, demokratischen, menschlichen Sozialismus). Eine zentrale Rolle spielt der Pluralismus, als eine Theorie, die…die einheitliche marxistisch-leninistische Weltanschauung mit bürgerlichen Theorien durchsetzt, um die Einheit der sozialistischen Weltbewegung zu zerstören.” Unter dem Stichwort des bösen Pluralismus liest man dann: “Einen besonders ausgeprägten Charakter besitzt der Pluralismus in der Ideologie des
Sozialdemokratismus. Im gegenwärtigen Revisionismus bildet die Pluralismuskonzeption in weltanschaulicher, politischer und ökonomischer Hinsicht ein konzeptionelles Zentrum der Verfälschung und Revision des Marxismus-Leninismus sowie des antikommunistischen Angriffs auf den Sozialismus. Die revisionistischen Auffassungen vom ideologischen, politischen und ökonomischen Pluralismus, richten sich gegen die einheitliche Theorie des Marxismus-Leninismus, gegen die Einheit und Geschlossenheit der kommunistischen Weltbewegung, gegen die führende Rolle der Arbeiterklasse, gegen den demokratischen Zentralismus, gegen die sozialistische Planwirtschaft und hat daher seinem politischen Inhalt nach, faschistischen Charakter.”
Nein, ich gebe zu, ich habe jetzt ein bisschen geflunkert. Der letzte Satzteil, der mit dem Faschismus, ist von mir frei erfunden, wie leben ja nicht vor 33, da hätte man so etwas vielleicht noch geschrieben. Heute heißt es jedoch - wieder das vielzitierte Wörterbuch: “… und hat daher seinem politischen Inhalt nach imperialistischen Charakter:” So ändern sich die Zeiten!
Kleine polemische Überlegung zwischendurch: Da die DKP, die einzige marxistisch-leninistische Kraft in der BRD ist, so haben demnach alle anderen politischen Parteien (auch die SPD, die Grünen, die DS u.a.) ihrem politischen Inhalt nach “imperialistischen Charakter’. Nur die 0,2 %-Partei hat die Wahrheit gepachtet. Einsam und allein schwimmt sie gegen den Strom! Entschuldigung, aber auch dieser Vergleich ist nicht von mir. Er stammt vom Vorsitzenden (Herbert Mies, Anmerkung T. K. 2001) selbst, der auf der Landesmitgliederversammlung in Mühlheim/Ruhr, anlässlich der Eröffnung des Bundestagwahlkampfes 1983, in seiner Rede wörtlich sagte: “Ja, liebe Genossinnen und Genossen, in Zeiten, da wir zeitweilig (!) gegen den Strom schwimmen müssen, brauchen wir bei uns, brauchen wir in der
Partei die Stimmung: Jetzt erst recht! Da brauchen wir die
Rückbesinnung auf den Geist Karl Liebknechts: Trotz alledem!”
Trotz alledem? Trotz der historischen Fehler, die von Kommunisten begangen wurden? Trotz der zweideutigen Politik der DKP? Trotz des allgemeinen Misserfolges? Oder trotz des bösen Antikommunismus”, der von allen Seiten rücksichtslos und ungeachtet des objektiv richtigen historischen und dialektischen Materialismus, auf die DKP einschlägt? Aber wie dem auch sei, Herbert Mies hat recht: IHR SCHWIMMT GEGEN DEN STROM!
Abschließend bleibt festzustellen, dass ich der Meinung bin, mit dieser DKP gemeinsam keinen Schritt mehr gehen zu können. Ich sage der DKP ferner voraus, wenn sie sich nicht ändert, ist sie zum Untergang verurteilt! Derweil kann ich nur hoffen, der berechtigte Protest in der Gesellschaft, möge sich nicht in den Irrweg DKP kanalisieren lassen! Ich möchte, da ich am Ende meiner Austrittserklärung angelangt bin, nur noch darauf hinweisen, dass ich bis zum Jahresende 1982 meinen Mitgliedsbeitrag voll bezahlt habe und somit meinen finanziellen Pflichten gegenüber der Partei nachgekommen bin. Das Mitgliedsbuch habe ich beigelegt. Mit freundlichen Grüßen, TK
P.S. Zwischenzeitlich bin ich einer Partei mit imperialistischem Charakter beigetreten, sie führt sogar frech eine revisionistische Bezeichnung: „Demokratische Sozialisten“!
Der Lachende
Hat die furchtbare Nachricht
Nur noch nicht empfangen
B.B. Leicht gekürzt, November 1982
Kommentar von Campo-News — 7. April 2025 @ 06:23