Buchtipp: Lou Andreas Salomé von Kerstin Decker
Ein “schreckliches Wesen” nannte Nietzsche Schwester Elisabeth die 21jährige Russin, die ihrem Bruder den Kopf verdrehte, als der sich dieser erst zu und dann vehement abwandte. Ein gutes Drittel des Buches nimmt die Beziehung zwischen Lou Andreas Salomé und Friedrich Nietzsche in Kerstin Deckers Buch ein, bis zur Hälfte schwingt dieses Thema noch nach. Vielleicht ist es ein wenig zu breit ausgewalzt, noch dazu, weil man fast mehr über Nietzsche liest, als über die Hauptperson. Das aber wäre auch schon die einzige kleine Schwäche des Buches.
Friedrich Nietzsche hat ja bekanntlich einen großen Teil der Psychoanalyse in seinen Schriften vorweg genommen, sodass sich Sigmund Freud einst das Weiterlesen in Nietzsches Schriften selbst untersagte (Freud über Nietzsche: „Eine solche Introspektion wie bei Nietzsche wurde bei keinem Menschen vorher erreicht und dürfte wahrscheinlich auch nicht mehr erreicht werden….dessen Ahnungen und Einsichten sich oft in der erstaunlichsten Weise mit den mühsamen Ergebnissen der Psychoanalyse decken.“)
Verbindungsstück zwischen beiden war die Russin Lou Andreas Salome, der Nietzsche einen Heiratsantrag machte aber auch meinte, sie sei  “ein dürres schmutziges übelriechendes Äffchen, mit falschen Brüsten“. Salome diskutierte im Alter von 21 Jahren mit Nietzsche schon 1882 grundsätzliche Probleme der menschlichen Seele, wurde 1911 Schülerin Freuds und eine enge Vertraute seiner Tochter Anna. Der so missverstandene Nietzsche-Satz von den Peitschen, die man zu Frauen gehend, nicht vergessen soll (dabei ist doch klar, dass Männer nicht peitschen, sondern gepeitscht werden), wurde von eben Lou Salome und Friedrich Nietzsche selbst adäquat in Szene gesetzt – siehe oben.
Kerstin Decker scheibt flott, bisweilen augenzwinkernd und kenntnisreich über jene Frau, die zu den ersten „selbstständigen“ Frauen der Neuzeit gehört und sich ihren Platz in den Geschichtsbüchern sicherte. Das fesselnde Buch über die feministische Antifeministin Lou Andreas Salomé, wird ihr zum 150. Geburtstag, der im kommenden Frühjahr ansteht, gerecht. In St. Petersburg 1861 geboren und in Göttingen 1937 gestorben, bleibt ihr unabhängiger, freigeistige Kopf, ein Vorbild bis zum heutigen Tage.
Film und Artikel - http://www.spiegel.de/einestages/lou-andreas-salome-femme-fatale-und-freifrau-a-1099355.html
Kommentar von Campo-News — 30. Juni 2016 @ 05:25