Therese und Theobald oder „Niemand verstand uns“ oder “Hülsenbeck”
Ein schwerer Gang über den Dortmunder Südfriedhof
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Vom Stadion geh´ ich nur zehn Minuten
Ãœber den Damm, lass die Autos hupen
Ein großes Stück rechts und ein kleines nach links
Da liegen die Gräber im Sonnenlicht rings
Um mich herum und mal kreuz und mal quer
Da gehe ich hin, nein, komm ich dort her?
Dann hab ich´s gefunden, nach fast 20 Jahr
Weil es so wie immer, wies früher mal war
Die Bäume, sie weisen zum schaurigen Fleck –
Und wispern: „Da da geht´s zum Huelsenbeck
Niemand versteht uns.
Kein Gebet für uns.
Schweiget still!
So Gott will.
In der Nähe treffe ich alte Bekannte
Nein, ich habe in Dortmund keine Verwandte
Ich flüstre: Dass ich euch hier finde ist
So unendlich schön, eine Hinterlist!
Die ihr selber geplant und verfügt habt im Tod
Und mir schön „Schneeweiß“ klingt und nicht grell und Tiefrot.
Denn ihr habt jene gültige Schafsregel gebrochen
Nach der über jeden, sobald er tot, nur gut gesprochen.
Habt der Bande ins ew´ge Gesicht geschrien:
Nichts ist vergessen! Nichts ist verziehn!
Niemand versteht uns.
Kein Gebet für uns.
Schweiget still!
So Gott will.
Das Gesetz gibt es nicht. Nichts steht wo geschrieben,
Dass der Mund und die Stimme stets stumm geblieben.
Das ist eine Mär, ungefähr, wer weiß nur woher?
Sie will nichts, nur Ruhe, ja die will sie sehr!
Doch sie morden per Ruf, immerdar, immerfort
Tragen´s von dir und von mir, bis zum weitesten Ort.
Große Heuchler seid ihr! Gesindel - da oben!
Denkt an Dreck jede Stund´. Augen nach droben!
Doch ihr seid die, die WIR nicht vergessen!
Ob ihr es versteht, daran wird Gott gemessen!
Niemand versteht uns.
Kein Gebet für uns.
Schweiget still!
So Gott will.
Doch Therese und Theobald spielten nicht mit
Erst mit dem Tod wurden sie wieder quitt
Und die Steinaufschrift verteilt laut ihre Gunst:
„Niemand verstand uns!“ „Niemand verstand uns!“
Man belasse das Grab bis 5500
Damit sich noch mancher der Besten hier wundert
Wie zwei Menschen in völlig wehrloser Weise
Auf ihre Art laut, weil so wunderschön leise
Der Welt wissen ließ, dass sie total verhunzt
„Niemand verstand uns!“ „Niemand verstand uns!“
Niemand versteht uns.
Kein Gebet für uns.
Schweiget still!
So Gott will.
Weiter, weiter, Grabfeld Nummer 11
Wo ist, ja wo ist, wo verdammt ist die 12?
Jetzt schlägst es bald 13!
Doch viel schlimmer war 14!
Hundert Jahre nun Krieg! Dieser Krieg!
Dieser Krieg ohne Frieden, dieser Krieg ohne Sieg!
Sie liegen hier stumm, frag mich nicht wie.
Wieviel, wie rum, wie was, frag besser nie.
Die ersten hier kamen ab September 14
Nach fünf Wochen Krieg, da mussten sie gehn
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Niemand versteht uns.
Kein Gebet für uns.
Schweiget still!
So Gott will.
Doch den einen da, den hat´s noch im Grabe getroffen
Denn es war wohl der Steinmetz recht heftig besoffen
Und so liegt dieser Mensch, diese tote Soldat
Unter dem Stein mit Buchstabensalat
Denn es fehlt dort ein Strich in seinem Namen
Und so liegt seit 5/5/16 zum Erbarmen
Nicht der Soldat SCHORLEMMER wie´s sich gehört
Sondern SCHORLFMMER – und nie hat´s wohl gestört
In fast hundert Jahren rührt sich keine Hand
Die diesen Ehrverlust vom Steine gebannt
Niemand versteht uns.
Kein Gebet für uns.
Schweiget still!
So Gott will.
Nicht weit von der Stelle, paar Meter von hier
Liegt der ehemals stolze, der Musketier
Wer wird bei der Nachricht nicht fast verrückt?
Wer sieht nicht dabei das zerstörte Glück
Sie hat ihn geliebt, ihn aus Fleisch und aus Blut
Ihn, den tapferen, der hier zwangsweise ruht
Doch sie schreit ihre Trauer, den Zorn und das Leid
Auf den Stein, in die Welt und für alle Zeit
Hört ihrs!? Von meiner Seele fehlt mir ein Stück!
Denn nur er war mein großes, „Mein Gattenglück“!
Niemand versteht uns.
Kein Gebet für uns.
Schweiget still!
So Gott will.
Ach, Richard aus New York, Dortmund und Frankenau
Liegst jetzt da skelletiert und auch ganz ohne Frau
Als du ´14 hörtest die Kriegstrommel schlagen
Hast du dir gedacht: jetzt müssen wir´s wagen!
Jetzt müssen WIR trommeln und lärmen und schreien
Denn schweigen würden wir uns doch selbst nicht verzeihen
„Niemand verstand uns!“ – das war dir doch klar!
Du kanntest die Menschen, diese lausige Schar!
Du bist nicht gestorben, du warst niemals weg!
So gedenk ich dem Richard, dem Huelsenbeck
Niemand versteht uns.
Kein Gebet für uns.
Schweiget still!
So Gott will.
No Man’s Land
Kommentar von Campo-News — 8. August 2010 @ 16:21
http://www.spiegel.de/einestages/palais-ideal-brieftraeger-ferdinand-cheval-baute-palast-a-1136712.html
http://www.achgut.com/artikel/politische_pruederie_heute_georg_trakl_und_egon_schiele
Kommentar von Campo-News — 16. März 2017 @ 17:33