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3. Juni 2010

Therese und Theobald oder „Niemand verstand uns“ oder “Hülsenbeck”

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 12:56

Ein schwerer Gang über den Dortmunder Südfriedhof

 

Vom Stadion geh´ ich nur zehn Minuten

Ãœber den Damm, lass die Autos hupen

Ein großes Stück rechts und ein kleines nach links

Da liegen die Gräber im Sonnenlicht rings

Um mich herum und mal kreuz und mal quer

Da gehe ich hin, nein, komm ich dort her?

Dann hab ich´s gefunden, nach fast 20 Jahr

Weil es so wie immer, wies früher mal war

Die Bäume, sie weisen zum schaurigen Fleck –

Und wispern: „Da da geht´s zum Huelsenbeck

 

Niemand versteht uns.

Kein Gebet für uns.

Schweiget still!

So Gott will.

 

In der Nähe treffe ich alte Bekannte

Nein, ich habe in Dortmund keine Verwandte

Ich flüstre: Dass ich euch hier finde ist

So unendlich schön, eine Hinterlist!

Die ihr selber geplant und verfügt habt im Tod

Und mir schön „Schneeweiß“ klingt und nicht grell und Tiefrot.

Denn ihr habt jene gültige Schafsregel gebrochen

Nach der über jeden, sobald er tot, nur gut gesprochen.

Habt der Bande ins ew´ge Gesicht geschrien:

Nichts ist vergessen! Nichts ist verziehn!

 

Niemand versteht uns.

Kein Gebet für uns.

Schweiget still!

So Gott will.

 

Das Gesetz gibt es nicht. Nichts steht wo geschrieben,

Dass der Mund und die Stimme stets stumm geblieben.

Das ist eine Mär, ungefähr, wer weiß nur woher?

Sie will nichts, nur Ruhe, ja die will sie sehr!

Doch sie morden per Ruf, immerdar, immerfort

Tragen´s von dir und von mir, bis zum weitesten Ort.

Große Heuchler seid ihr! Gesindel - da oben!

Denkt an Dreck jede Stund´. Augen nach droben!

Doch ihr seid die, die WIR nicht vergessen!

Ob ihr es versteht, daran wird Gott gemessen!

 

Niemand versteht uns.

Kein Gebet für uns.

Schweiget still!

So Gott will.

 

Doch Therese und Theobald spielten nicht mit

Erst mit dem Tod wurden sie wieder quitt

Und die Steinaufschrift verteilt laut ihre Gunst:

„Niemand verstand uns!“ „Niemand verstand uns!“

Man belasse das Grab bis 5500

Damit sich noch mancher der Besten hier wundert

Wie zwei Menschen in völlig wehrloser Weise

Auf ihre Art laut, weil so wunderschön leise

Der Welt wissen ließ, dass sie total verhunzt

„Niemand verstand uns!“ „Niemand verstand uns!“

 

Niemand versteht uns.

Kein Gebet für uns.

Schweiget still!

So Gott will.

 

Weiter, weiter, Grabfeld Nummer 11

Wo ist, ja wo ist, wo verdammt ist die 12?

Jetzt schlägst es bald 13!

Doch viel schlimmer war 14!

Hundert Jahre nun Krieg! Dieser Krieg!

Dieser Krieg ohne Frieden, dieser Krieg ohne Sieg!

Sie liegen hier stumm, frag mich nicht wie.

Wieviel, wie rum, wie was, frag besser nie.

Die ersten hier kamen ab September 14

Nach fünf Wochen Krieg, da mussten sie gehn

 

Niemand versteht uns.

Kein Gebet für uns.

Schweiget still!

So Gott will.

 

Doch den einen da, den hat´s noch im Grabe getroffen

Denn es war wohl der Steinmetz recht heftig besoffen

Und so liegt dieser Mensch, diese tote Soldat

Unter dem Stein mit Buchstabensalat

Denn es fehlt dort ein Strich in seinem Namen

Und so liegt seit 5/5/16 zum Erbarmen

Nicht der Soldat SCHORLEMMER wie´s sich gehört

Sondern SCHORLFMMER – und nie hat´s wohl gestört

In fast hundert Jahren rührt sich keine Hand

Die diesen Ehrverlust vom Steine gebannt

 

Niemand versteht uns.

Kein Gebet für uns.

Schweiget still!

So Gott will.

 

Nicht weit von der Stelle, paar Meter von hier

Liegt der ehemals stolze, der Musketier

Wer wird bei der Nachricht nicht fast verrückt?

Wer sieht nicht dabei das zerstörte Glück

Sie hat ihn geliebt, ihn aus Fleisch und aus Blut

Ihn, den tapferen, der hier zwangsweise ruht

Doch sie schreit ihre Trauer, den Zorn und das Leid

Auf den Stein, in die Welt und für alle Zeit

Hört ihrs!? Von meiner Seele fehlt mir ein Stück!

Denn nur er war mein großes, „Mein Gattenglück“!

 

Niemand versteht uns.

Kein Gebet für uns.

Schweiget still!

So Gott will.

 

Ach, Richard aus New York, Dortmund und Frankenau

Liegst jetzt da skelletiert und auch ganz ohne Frau

Als du ´14 hörtest die Kriegstrommel schlagen

Hast du dir gedacht: jetzt müssen wir´s wagen!

Jetzt müssen WIR trommeln und lärmen und schreien

Denn schweigen würden wir uns doch selbst nicht verzeihen

„Niemand verstand uns!“ – das war dir doch klar!

Du kanntest die Menschen, diese lausige Schar!

Du bist nicht gestorben, du warst niemals weg!

So gedenk ich dem Richard, dem Huelsenbeck

 

Niemand versteht uns.

Kein Gebet für uns.

Schweiget still!

So Gott will.

 

 

 

2 Kommentare »

  1. No Man’s Land

    Kommentar von Campo-News — 8. August 2010 @ 16:21

  2. http://www.spiegel.de/einestages/palais-ideal-brieftraeger-ferdinand-cheval-baute-palast-a-1136712.html

    http://www.achgut.com/artikel/politische_pruederie_heute_georg_trakl_und_egon_schiele

    Kommentar von Campo-News — 16. März 2017 @ 17:33

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