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22. August 2009

Die Philosophie ist eigentlich Heimweh – Trieb überall zu Hause zu sein

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 13:09

 Einmal wieder in Weimar

Über Weimar (Kreis Kassel) ereichte ich Kassel-Wilhelmshöhe (wo sich der Kannibale mit dem anderen homosexuellen Perversen traf), fuhr weiter mit der Bummelbahn (absichtlich, weil ich den ICE nicht mag) über Rotenburg (!), stieg hinter der Zonengrenze in Eisenach um, genoss dann die Fahrt durch Sättelstädt, Mechterstädt und Fröttstädt, ehe ich durch Erfurt an mein Ziel gelangte. Die ZEIT hatte mich versucht einzustimmen: Rüdiger Safranski neues Buch über die Freundschaft Schillers und Goethes war der Aufmacher der aktuellen Ausgabe. Insgesamt: Thema verfehlt! Nichts Neues bei der ZEIT, die zu lesen meist nur selbige kostet. Geld ebenfalls. So kam ich in Weimar an.

Lesezeichen in der Bibel

Der Aphorismus „Die Philosophie ist eigentlich Heimweh – Trieb überall zu Hause zu sein“ prangt in großen Lettern an einer Wand nahe des „Amalienhof“ im Zentrum der thüringischen „Europäischen Kulturhauptstadt 1999“, in dem ich für ein paar Tage logierte. So ein flotter Slogan des Dichters Novalis dünkt den Leser leicht ambivalent, angesichts der Tatsache, dass jener lediglich 28 Lenze erreichte und daher der naheliegende Schluss, ohne den Trieb zum Reisen wäre ein höheres Alter zu erzielen zwar schnell aufkommt, aber durch den auf der gegenüberliegenden Seite aufgebrachten Satz „Keiner kommt von einer Reise so zurück, wie er weggefahren ist“ des steinalt gewordenen Graham Greene, stante pede dialektisch relativiert wird.

Der Amalienhof gehört zum VCH, dem Verband Christlicher Hoteliers und besticht durch seine freundliche Atmosphäre, sowie das gediegene Ambiente. Ohnehin ist das Hotel ganz im Biedermeier-Stil gehalten, besitzt ein (Christop Martin) „Wieland-Zimmer“ und eine Aussichtsterrasse. In einer Schublade liegt die Bibel. Irgendjemand hat ein Lesezeichen hineingesteckt. Sicher für mich! Ich schaue nach: „Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem todesverfallenden Leibe?…So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind…“ (Brief Paulus an die Römer) und: „Denn nicht alle sind Israeliten die von Israel stammen…sondern nur was von Isaak stammt, soll dein Geschlecht genannt werden“ (1. Mose 21.12). Ich war etwas beunruhigt, fing mich aber alsbald, da ich zur ausliegenden Zeitung „Glaube + Heimat“ griff, in der beredt das „Feindbild Evangelikale“ (Marburger Kongress) zurückgewiesen, für die Russlanddeutschen geworben, der Empörung über den ZDF-Beitrag des ultralinken Magazin „Frontal 21“ „Sterben für Jesus“- Mission als Abenteuer“ Ausdruck verliehen, das Ansinnen Bibeltreuer Schulverweigerer abschlägig beschieden und der „Israelsonntag“ der Gemeinde verteidigt wurde. Gelungen die Karikatur, da sich ein deutsches und ein türkisches Paar gegenüber sitzen, und der schnurrbärtige und moslemische Familienvorstand zu den Christen sagt: „Für uns ist Schwimmunterricht so schlimm wie Karneval und Sexualkunde zusammen.“ Untertitel: „Die Schule ist eine Scheibe.“ Da lächelt sogar der dickste Buddhist.

Drei alte Tanten falten Blätter- mitten am Tag

Weimar ist immer eine Reise wert, aber das wissen ja die Leser dieser vortrefflichen Themensammlung im Online-Format. Da steht dann auch mal eine Tür auf in der drei alte Tanten Blätter falten – mitten am Tag. Es ist das Büro der Linkspartei, die am heutigen Tag zu einer Lesung mit Wladimir Kaminer  einlädt und in der Stadt maulfaul „Flugis“ verteilt. Schließlich wird in Thüringen in wenigen Tagen gewählt. Die Tanten sind also Genossinnen, wie sich jeder denken kann und das Büro gehört Lukrezia Schleussinger, alias „Luc“ Jochimsen. Promoviert hat sie einst mit der Arbeit “Zigeuner heute – Untersuchung einer Außenseitergruppe in einer deutschen Mittelstadt.“, das ginge aber heute gar nicht mehr, doch dafür ist sie auch schon 73.

Und ach, was man manchmal so auf Spaziergängen sieht. Da gehe ich über die Rainer Maria Rilke Straße und erblicke ein Haus, bei dem ich gleich zu singen beginne „Ja, mußt du denn im Hinterhause kleben, da fällt zu wenig Sonne herein. Auch du kannst auf der Sonnenseite leben, es gibt für alle Glück und Sonnenschein.“ und richtig: hier wohnte der tschechisch-deutsch-jüdische Dichter Louis Fürnberg, der uns Deutschen einst mit dem „Parteilied“ die schönen Liedzeilen schenkte „So aus Leninschem Geist wächst von Stalin geschweißt – die Partei, die Partei, die Partei“ und hier bis zu seinem Tode im Jahre 1957 – sonnig - wohnte.

Im Poseckschen Garten sprudelt der Brunnen. Eine dicke Negroide und eine dicke Helle haben ihre Kinder nackt ausgezogen, um sie dort plantschen zu lassen. Pure Lebensfreude oder so ähnlich. Am Hotel Elephant höre ich die Reise-Führerin vom anderen Führer erzählen: Hier haben die Weimarer gestanden, wenn Hitler in der Stadt war und gerufen >Lieber Führer, kommt heraus, aus dem Elefantenhaus“<, so in etwa, angehört hat es sich dann wohl eher so: Löber Föhrer kömm herös, ös däm Ölöföntönhös.

Irritierend fielen mir in Weimar die Horden von Studenten der Bauhaus-Universität auf, aber das muss jetzt nicht weiter interessieren. Doch mit ihrem Zeitgeist, so ist zu befürchten, werden sie dekonstruieren, worin andere eine letzte Hoffnung sehen.

Vorbildlich ökologisch - also nicht so, wie diejenigen, die sich “Grün” nennen - kommt man am Hauptbahnhof an, wo dem Reisenden bereits der Wahlkampf entgegenschlägt.

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Die Mottoshow

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Stilechter Biedermeier im Christlichen Hotel

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Goethe-Brunnen mit Dame, Weimar, 20. August 2009,

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Löber Föhrer kömm herös, ös däm Ölöföntönhös (Lieber Führer, komm heraus, aus dem Elefantenhaus)

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Manchmal guckt auch die DDR um die Ecke und sagt: Guten Abend! Immer bereit für die Zukunft!

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Das neue “Atrium”

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Der historische Friedhof

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5 Kommentare »

  1. Die private Homepage wurde wieder umfassend aktualisiert, z.B. in den Bereichen “Beatles” (1Live-Interview) oder “Spiegel-Online”.

    Kommentar von Tanja Krienen — 24. August 2009 @ 07:00

  2. Ein guter Aufsatz von Frank Schirrmacher, nur: es ist noch schlimmer.

    Kommentar von Campo-News — 18. November 2009 @ 17:13

  3. Mein größter Traum: 1,2,3 Jahre in Weimar leben!

    Kommentar von Campo-News — 4. Juli 2017 @ 10:15

  4. https://www.youtube.com/watch?v=DtpeWyZ2GcI

    Kommentar von Campo-News — 4. Juli 2017 @ 13:55

  5. Karsten Patenge Boah, ich rate dringend ab :D
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    · Antworten · 42 Min
    Tanja Krienen
    Tanja Krienen Von Weimar? Warum?
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    1
    · 38 Min
    Karsten Patenge
    Karsten Patenge Wegen der Thüringer (zumeist unerträglich) und den zahlreichen Linken dort.
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    · Antworten · 19 Min
    Tanja Krienen
    Tanja Krienen CDU/AfD/FDP haben dort 46,6% erhalten, die Vereinigte Linke 46,3% - also alles ganz normal. Der Thüringer spricht halbwegs normal und ist ein ganz normaler Mitteldeutscher. Jedenfalls habe ich sie so kennengelernt. Aber jede Stadt ist anders. Schlimmer als in jeder größeren NRW-Stadt kann das doktrinäre linke Klima dort auch nicht sein. Wichtig sind für mich die großen Nietzschen,…äh Nischen, das wunderbare Angebot, das Flair….

    http://www.zeit.de/kultur/2017-12/heimat-weihnachten-rueckkehr-erinnerungen-ronja-von-roenne

    http://www.zeit.de/kultur/2017-12/sigmar-gabriel-spd-spiegel-freiheit-postmoderne

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/heimat-und-leitkultur-wir-heimatlosen-gesellen-kolumne-a-1184875.html

    http://www.spiegel.de/spiegel/ruediger-safranski-es-gibt-keine-pflicht-zur-fremdenfreundlichkeit-a-1198496.html

    https://www.welt.de/kultur/stuetzen-der-gesellschaft/article182590506/Don-Alphonso-Druck-auf-das-Bauhaus-Stalin-und-Ulbricht-gefaellt-das.html?wtmc=socialmedia.facebook.shared.web&fbclid=IwAR3lVIWLe_yvUTdwtGumWxUqpziBllwPU-9UECqAVQB2Q8bFh7SDcSvsrnA

    Kommentar von Campo-News — 4. Juli 2017 @ 14:33

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