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25. Juli 2009

Phil & Phob

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 15:08

„Ich sehe nicht ein, warum ich mich zum Märtyrer des Herrn Krahl machen soll, von dem ich mir doch ausdachte, dass er mir ein Messer an die Kehle setzt, um mir diese durchzuschneiden, und auf meinen gelinden Protest erwidert: Aber Herr Professor, das dürfen Sie doch nicht personalisieren“.

 

Der „studentophobe“ Theodor Adorno über den SDS-Führer Hans-Jürgen Krahl

 

Früher waren die Linken bekannt dafür „gegen alles“ zu sein und sich nur gegen das „Gegen“ zu definieren. Das stimmte zwar so nicht, aber tatsächlich ist es leichter sich gegen etwas zu positionieren als dafür, schon weil eine Thematisierung eines Missstandes nicht immer die Lösung, bzw. einen Lösungsansatz, mit präsentieren muss. Bücher und Filme funktionieren z.B. fast ausschließlich auf dieser Ebene. Heute, im Zeitalter des gequälten Lächelns und der unbedarften Aufgekratztheit – geboren nicht selten aus dem Rausch und seinen imaginären Weisungen – ist jener, der sich des Positiven versagt, quasi ein Ausgestoßener. Gegen etwas zu sein, wird nur nicht sanktioniert, wenn es die gefühlte Mehrheitsmeinung vertritt (Atomkraft, Klimawandel, Gleichstellung etc.) – ansonsten knallts! Tendenziell war das immer so, neu ist, dass die neuen Gebote medial frontal unter Dauerbeschuss verkündet werden und ein Ausweichen beinahe unmöglich ist, ja auch immer ungestatteter ist. Der mittelalterliche Pranger war eine paar Stunden dauernde, schändliche Kleinigkeit, verglichen mit den Möglichkeiten der neuen Medien, die eine „soziale Exekution“ (J. Tauss) begehen, welche als nie wieder tilgbar erscheint.

 

Die eine liebt die Berge, der andere hasst Gartenzwerge

 

Die Liste der Phobien ist umfangreicher als das Allgemeinwissen eines normalen deutschen Politikers oder seines persönlichen Medienpenetranten. Es gibt nichts, was nicht vorstellbar wäre, vielleicht mit Ausnahme einer „Fliegende-Kaffeefiltertüten-Phobie“ oder einer „Die Taschenlampe-will-mich-Fressen-Phobie“, während die „Dentophobie“ verständlich, aber die „Chrometophobie“ eher eine philosophische Schwäche zu sein scheint.

 

Derartige Abwehrreaktionen werden jedenfalls gemeinhin als „Angststörungen“ bezeichnet und besitzen somit einen pathologischen Charakter. Da es auch als „Islamophobie“, Judeophobie“, aber auch die „Germanophobie“ als ausgewiesene Zustände gibt, fragt man sich, ob kritisches Denken als krank stigmatisiert werden soll, wie es in Diktaturen Usus ist, oder ob tatsächlich eine Phobie vorliegt, wenn übersteigerte oder falsche Motive zur Begründung der Angst in eine aktive Ablehnung münden. Wäre es nur „Angst“, also eine Reaktion infolge einer gefühlte subjektiven Bedrohung, inwieweit wären die Betroffenen dafür eigentlich verantwortlich?

 

Das Gegenteil von „phob“ ist „phil“. Meist steht sowohl das eine, wie auch das andere Extrem unter dem Verdacht, entweder zu verharmlosen oder zu begünstigen oder unzulässig starke Sympathien - bei gleichzeitiger Kritik an der anderen Erscheinungsform – zu befeuern. Es gibt Ausnahmen. Näheres regeln die nie gewählten Vertreter unterschiedlichster, aber immer allzu „guter“ Menschen.

Gibt es ein Recht auf „phil“ oder „phob“. Warum nicht? Der eine ist Schalke-phil und der andere Schalke-phob. Die eine liebt die Berge, der andere hasst Gartenzwerge. Ein Problem gibt es nur, wenn man die eine oder andere Vorliebe, die andere oder die eine Abneigung, den öffentlichen Frieden stört oder auch nur zur Gewalt zwischen zwei Personen führt. In jedem Fall aber wäre die Zuneigung zu einer Sache mehr als legitim und kann die starke Ablehnung einer anderen ebenfalls aus guten Gründen oder Gefühlen möglich, wenngleich nicht immer schicklich sein.

 

Wie aber steht es mit der Redlichkeit der Motive? Beim Fußball bedarf es keiner, bei der Politik sind sie sehr subjektiv; bei der Literatur hängt es von der allgemeinen Einstellung ab, bei der Musik vom „Geschmack“ (mancher hat einen, mancher nicht). Und selbstverständlich gibt es auch jene Begeisterung für Etwas, die nicht zur Ablehnung eines Anderen führt. Wer Christ ist, kann auch ein Herz für Nichtchristen haben. Es gibt auch jene naive Haltung für z.B. eine Religion, die aus gelebter Tradition stammt und/oder dabei die Bekehrung anderer für eine „sportliche Aufgabe“ hält und den Wettstreit um die Köpfe, als einen offenen begreift.

 

Willkürliche Definitionen durch Sanguiniker

 

Wenn aber nun jemand z.B. für das Christentum zu streiten, indem er inhaltlich sehr ähnliche Glaubenssätze verkündet, aus denen er Richtlinien, Dogmen und Strafen ableitet, so, wie es jene machen, die er verachtet, dann mutet das, vorsichtig gesprochen,  nicht sehr logisch an. Jedenfalls glaubt man ihm nicht, er sei anders oder prinzipiell umgänglicher, toleranter. Denn wenn sie, die sie glauben, statt wissen wollen, eines sehr benötigen, dann die Toleranz jener, die das alles unter der Rubrik „kindliche Stufe menschlichen Denkens“ ablegen. Es schützt das Argument nicht, die Dogmen der anderen seien doch ausschließlich von Übel und die reinste Hölle, ihre aber ein Hort der Vernunft und sämtliche himmlische Lobpreisungen fänden bereits hier auf der Erde statt. Zu verteidigen aber ist allein ein Zustand, der säkulare und geistliche Inhalte nebeneinander stehen lässt.

 

Kommen wir herunter von den großen theologischen Debatten, so sie denn überhaupt stattfinden, und schauen uns die alltäglichen Sitten, Gebräuche und Maßregeln an, ergibt sich, ganz wertfrei, manche Übereinstimmung, der manchmal allgemein zugestimmt werden kann, die aber auch manchmal abzulehnen ist. Ein „besser“ oder „schlechter“ der gesamten Religion, kann daraus nicht als Urteil abgeleitet werden. Nicht zuletzt, sind es grade die größten Eiferer, die radikale Schlüsse aus ihrer Religion stellen, Schlüsse, die wiederum mit der anderen Seite korrespondieren. Es wird so lediglich zu einem hasserfüllten Wettbewerb zwischen einer erfolgreichen und einer weniger erfolgreichen Religion.

 

Oft wird die Kultur bemüht. Da gäbe es große Unterschiede zwischen den einen und den anderen. Ja, die gibt es, doch dazu später. Wer aber z.B. den Döner als abgrundtiefes Anti-kulturelles Etwas darstellt, ähnelt jenen, die sich über „McDonalds“ echauffieren, und das Abendland in Gefahr sehen, aber nur „rhetorisch“, denn selbstverständlich essen sie, was schmeckt, unabhängig ihrer Ideologie. Entweder man mag Döner, Hamburger und Co, oder man mag sie nicht. Wer daraus kulturelle Differenzen drechselt, die einem Kriegsersatz ähneln, oder gar einen „Krieg der Kulturen“ anfeuern, dann ist man geneigt dies Heuchlerei zu nennen. So wie auch die Echauffierung über die Stellung der Homosexualität in den islamischen Ländern, wenn man doch gleichzeitig hierzulande (berechtigte) Einwände gegen die gezeigte Decadence der Szene äußert.

 

Immerhin: In den arabischen Ländern wird bspw. Transsexualität vom Tuntentum strikt getrennt – in Deutschland nicht. Hier haben sanguinische „Liberale“ ihre Auffassung von „Freiheit“ so gesetzlich erweitert, dass in einem Zoo Nashörner demnächst wohl auch als Delphine bezeichnet werden dürfen, wenn denn irgendjemand möchte, dass es so sei, weil es halt schöner ist, wenn Etikettierungsfreiheit herrscht - der Freiheit wegen. Ein ähnlicher Widerspruch gilt für das Geschlechterverhältnis: Feministinnen sind hierzulande gern willkommen, wenn sich die ritualisierte Empörung gegen moslemische Männer richtet, die in Wirklichkeit – tatsächlich derbe und schlimme Verhaltensweisen einmal ausgeklammert – dem Schema eines „normalen Mannes“ viel eher entsprechen, als der gemeine Deutsche, der sich kaum traut, seine Rolle einzunehmen, vor Angst, er könne politisch unkorrekt handeln und etwas falsch machen.

 

Welche Kultur? Fix, Fax und Klick und Klecks oder Ratz und Rotz?

 

Nicht selten werden Muslime als „Kulturbereicherer“ höhnisch gewürdigt. Um diese als kulturell schwach Entwickelte zu kritisieren, muss man jedoch erst selbst Kultur besitzen.

 

Doch wo bleibt die Kultur, sowohl beim gebrülltem „Rechtsrock“, als auch beim einfältigen „Rock gegen rechts“, wo steckt sie beim flachen Musikantenstadl, wo bei den Schützenkönig-Märschen? Inwieweit wird deutsche Kultur gepflegt, z.B. wenn sich selbst in den Dörfer der „Fortschritt“ zeigt, in dem das alte Hum-Ta-Ta weitgehend durch Bumm-Bumm-Bumm der Mitternachtsdiscos ersetzt ward? Steckt die Kultur, die man als deutsche bezeichnen könnte, im Christentum, in heidnischen Bräuchen, in esoterischen Fluchtburgen? Welche Filme schaut das angeblich nach guten alten, überlieferten Traditionen, lebenden Volk? Wie also ist das Dilemma gegenwärtiger Kultur zu erklären, wenn doch die deutsche Kultur angeblich lebendig wäre. In den Schauspiel – und Lichtspielhäusern ist sie jedenfalls nicht zu bestaunen – in den Lese – und Vortragsauditorien meist auch nicht.

 

Auch die Bloggerszene und Internet-Echauffeusen atmen: nichts davon. Kaum etwas ein, fast nichts aus. Ideologiebrocken ersetzen das Ganze, das, längst in Stücke geschlagen, „postmodern“ verkommt. Selbst die Kinder der Kuhbauern tragen ihre eingerammten Eisen stolz in den schmalen Lippen oder Brauen; sie heißen Femke, Jarne, Helier, Tiana, Rixa oder Fokko, demnächst auch Fix, Fax und Klick und Klecks oder Ratz und Rotz. Ähnliches gilt für das bürgerliche Lager, deren Sprösslinge mehrheitlich genauso laut und geistlos durch die Welt jagen. Ein ganzes Volk versinkt in geistiger Umnachtung, aber interessant ist: das macht es überall! Im Osten wie im Westen, auf dem Dorf und in der Stadt, in weiblichen, wie in männlichen Lebensbereichen. Und „deutsch“ wird ohnehin selten gesprochen. Aufklärung, Romantik, die säkulare Zivilgesellschaft, wissenschaftliche und verstandesgemäße Denk-Kategorien, sind böhmische Dörfer, in die Deutsche selten kommen.

 

Nicht „islamophob“ ist übrigens nicht jener, der tatsächliche Defizite der betreffenden Gruppe benennt. Extrem denkt auch nicht jemand (höchstens extrem gut), der Äußerungsformen an den tradierten Werten unserer Gesellschaft misst, die sich nach einer gründlichen Abwägung herausarbeiten lassen und sowohl die 68er Destruktion, als auch ihre befreienden Bereiche, berücksichtigt. „Ausländerfeindlich“ ist auch nicht jemand, der darauf hinweist, dass es Völker gibt und Grenzen für z.B. das Tempo der Vermischung, wie auch für das, was andere mit „Niemand ist illegal“ bezeichnen. Und im Übrigen: Sonderwünsche gehen schon gar nicht!

5 Kommentare »

  1. […] Campo de Criptana » Phil & Phob Tags: allgemein, ausgemendelt, campo-homepage, dentophobie, februar, kultur, religion, tanja-krienen […]

    Pingback von Campo de Criptana » Phil & Phob — 25. Juli 2009 @ 15:23

  2. Eine Muslimin? Nö -

    Die Hände der Frau zittern vor Erregung. “Für das, was diese Menschen getan haben, bin ich bereit, ihnen die Augen auszukratzen!” Die 56-Jährige trägt ein blaues Kopftuch, der Blick darunter ist streng. Ihr Kleid bedeckt den fülligen Körper bis zum Boden. “Es tut mir weh, das anzusehen”, stößt die Rentnerin hervor und wendet sich angewidert von den Bildern ab, die der Staatsanwalt vor ihr ausbreitet. “Die russische Seele ist vom orthodoxen Glauben erzogen”, fährt der Mann im schwarzen Priestermantel mit seiner Predigt fort, streicht sich dabei immer wieder durch seinen langen grauen Bart.

    Kommentar von Gorbatschows Rache — 25. Juli 2009 @ 19:14

  3. Nur jene sind befugt adere zu kritisieren, die nicht so sind. Siehe auch diesen Artikel.

    Kommentar von Campo-News — 15. August 2009 @ 10:45

  4. Vielleicht am überraschendsten war das Ergebnis, dass Glück und Gesundheit nicht in der Weise zusammenhängen, die die Forscher erwartet hatten: Nicht die fröhlichsten und humorvollsten der um das Jahr 1911 geborenen Mädchen und Jungen erreichten später das höchste Lebensalter. „Es waren die vorsichtigsten und hartnäckigsten Individuen, die am gesündesten blieben und am längsten lebten“, sagt Howard Friedman. Die Luftikusse und Optimisten dagegen neigten zu riskanten Lebensentscheidungen und kümmerten sich zu wenig um Gesundheit und Sicherheit – was letztlich ihr Leben verkürzte. Um die Ergebnisse des kalifornischen „Longevity Projects“ auf eine kurze Formel zu bringen: Glücklich sein macht nicht gesund, aber Glück und Gesundheit können das Resultat eines umsichtigen, produktiven und nachhaltigen Lebensstils sein.
    hb/dapd

    Kommentar von Campo-News — 15. März 2011 @ 07:25

  5. Möllemann mal abgezogen - http://www.rolandtichy.de/kolumnen/bettina-roehl-direkt/aktuelle-totschlagwoerter-islamophobie-homophobie-und-xenophobie/

    Kommentar von Campo-News — 2. Juni 2015 @ 15:43

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