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22. Januar 2009

Musikvernichtung

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 10:14

Im Gegensatz zu den meisten fröhlichen, bejahenden und deshalb strohstumpfen „Liberalen“ aller Art, bewerte ich viele Bereiche des gesellschaftlichen, organisatorischen und technischen Fortschritts negativ. Neue Postleitzahlen, neues Geld, Scheckkarten, neue Fernsehformate, digitale Fotos (die reinste Erinnerungsvernichtung), neue Ton-Abspielformen, das „papierfreie Büro“ (genau das Gegenteil trat ein), neue Filmabspielgeräte, „modernes Kino“ (was dazu führte, dass in erheblich längerer Zeit viel weniger Inhalt erzählt wird) – und unzählige weitere Beispiele könnten aufgezählt werden, bei denen klar wird, dass sich das Leben erheblich komplizierte, während der Nutzen gar nicht, oder nur sehr gering ausfällt. Die Kosten sind allemal höher! „Modern“ heißt heute „Ekel durchdringt jede Lebensform“.

Besonders aber hat die moderne Pest auf den Bereich der Musik gewirkt und ihn infiltriert – und mit ihm die Formate. War schon die Einführung der CD ein Verbrechen, ist der Mp3-Spieler nichts als eine Idiotie für Kinder und deren abgekauten Nägel. Die Werbeindustrie – die Meinungsmacherpest, die man als erste wegschließe, auf dass sie nicht ihren bunten Müll in die Städte hängt und klebt und die Hirne mit den unnützen Notwendigkeiten verheere, die sie nur brauchen, weil ihnen der Verstand ausging – sie drängten uns die ekelhafte „CD“ auf. Die Nachgeborenen können nur noch Muezzin-Gesänge, Verzeihung „Soul“, schmettern. Ihre Seelen sind danach.

Damals spuckte die Modernisierungsmaschinerie und zwar so nassforschlaute Töne, ihre tolle Erfindung „CD“ sei unendlich haltbar, klangstark und unkaputtbar. Wie immer stellte sich das Gegenteil ein. Wenn ich im Jahre 2067 etwa das zeitlich segne, werden meine „CDs“ wohl längst nicht mehr abspielbar sein, während meine Vinylplatten und selbst die schönen alten Schellack-Klötze, noch fröhlich vor sich hin brummen. Und wie sie das machen! Sie knistern und drehen sich ins Herz hinein, strahlen in den Kopf, jagen wieder zurück durch den Bauch und von dort an Ohr und Tränendrüsen vorbei, ehe sie an der Wand zerschellen. Wenn die Tokio Hotel-CD aus dem Ständer tropft, krakeelt Al Jolson noch immer „Sonny Boy“ und grinst dazu!

Deshalb, weil ich mich in der vergangenen Woche sehr damit beschäftigte, zitiere ich einen Artikel, der uns sagt: „Bleibt der Erde treu!“ (Nietzsche)

2007 Februar: Nach einem Bericht des IT-Nachrichtenportals Heise Online fürchtet das Deutsche Musikarchiv um seinen CD-Bestand. “Selbst bei perfekten Lagerbedingungen kann man den langsamen Zersetzungsprozess einer CD nicht aufhalten”, wird der Leiter des Archivs zitiert.

Bei rund 200 Audio-CDs aus den Jahren 1983-1986 zeige ein Messgerät erste Zersetzungserscheinungen. Vor allem die damals verwendeten Lacke für den Label-Aufdruck würden sich durch die einzelnen Schichten fressen und die Reflexionsfähigkeit der CD beeinträchtigen.

Von 50 bis 80 Jahre Lebensdauer “unter idealen Lagerungsbedingungen” geht laut Heise-Bericht der Leiter des Lehrgebietes Multimedia und Internetanwendungen der Fernuniversität Hagen, Matthias Hemmje, aus. Dies bedeute jedoch, dass die CDs nicht angefasst und staub- sowie lichtgeschützt in klimatisierten Räumen aufbewahrt werden müssten, deren Temperatur 18 Grad Celsius nicht übersteigen dürfe.

5 Kommentare »

  1. *ganzfestdrück*: Ich empfinde die meisten Errungenschaften der modernen Technologie als destruktiv, auch wenn sie natürlich oft hilfreich zu sein scheinen. Musik ist als Kulturform völlig entwertet, sie hat ihre kulturelle Bedeutung verloren. Überall, im Werbefernsehen, in jedem Film, in jedem Geschäft, surrt sie im Hintergrund. Und dafür bezahlen muss man auch nicht mehr. Als ich aufwuchs, war Musik viel kostbarer.

    Kommentar von Campo-News — 23. Januar 2009 @ 17:40

  2. Ja, das ist der Dreck, den das Mittelmaß konzipiert und konsumiert.

    Trau keiner Melodie über dreißig, Georg Kreisler, 1976

    Was machen wir, wenn uns die Musik plötzlich abhanden kommt?
    Durch Umweltverschmutzung, Energieverknappung, Krieg…
    Wenn die Musik eines Tages ganz einfach weg ist,
    vergessen, verloren, verschwunden
    wie jetzt zum Beispiel Wandergesellen oder manche Arten von Schalentieren.

    Was machen wir, wenn wir eines Tages aufwachen und jemand sagt uns:
    Es gibt keine Musik mehr, leider, leider, Opfer der Technik,
    aber dafür gibt es mehr Flugzeuge,
    mehr Elektronenrechner, mehr persönliche Bequemlichkeit,
    und im Völkerkundemuseum steht immerhin ein alter Bechsteinflügel,
    aus dem allerdings kein Ton mehr herauskommt.

    Was machen wir dann?
    Nichts machen wir.
    Das sieht man ja schon heute, dass wir nichts machen.

    Kommentar von Campo-News — 24. Januar 2009 @ 13:07

  3. Spon ist auch - mit der obligatorischen Verspätung - darauf gekommen.

    Kommentar von Campo-News — 15. Februar 2009 @ 15:50

  4. SPON schreibt: “Seine Stärken hat die Hitformel der Forscher aus Bristol allerdings als Analyseinstrument der historischen Veränderungen des Publikumsgeschmacks. So seien die Hits über die Jahre immer lauter geworden. Vor den späten Siebzigern habe die Tanzbarkeit kaum eine Rolle gespielt. Seit den Neunzigern seien die Erfolgstitel zwar harmonisch komplexer, aber rhythmisch simpler geworden.”

    Genau, warum sollte man auch nach jedem Lied tanzen? Hören soll man Musik.

    Kommentar von Campo-News — 21. Dezember 2011 @ 08:02

  5. Sehr schöner Artikel dazu - http://www.sueddeutsche.de/kultur/essay-adieu-plattensammlung-1.2774474

    Schwach, es rührt an keines der entstandenen Probleme und ist ohne Psychologie - http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/digitale-dinge-abschied-vom-habenwollen-kolumne-stoecker-a-1182258.html

    Kommentar von Campo-News — 11. Januar 2016 @ 08:25

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