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16. November 2008

Der Rebell

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 09:40

Die Wiederentdeckung des Luis Trenker

„Ich bin Tiroler hier in Tirol und das ‚Deutsche Kapital‘ ist mir wurscht!“

Luis Trenker

„Ich trage dem Führer den Fall Trenker vor. Dieses Schweinestück hat in Südtirol nicht für uns optiert. Hinhalten, freundlich sein, aber abservieren.“

Göbbels, März 1940

Der Rebell

Die Wiederentdeckung des Luis Trenker

In den frühen Fernsehjahren sahen wir Kinder in den Sendungen „Luis Trenker erzählt“ und „Berge und Geschichten“, so schien es, einen etwas merkwürdigen, fabulisierenden alten Kauz, der, schon weit über 70, aus einer uns unbekannten Welt Erzählungen zum Besten gab, die uns so weit entfernt erschienen, wie die Zeit, aus der sie stammten. Schwarz und sehr viel weiß, Schneelandschaften zwischen dem Tal und dem Herrgott persönlich, den Trenker, wenn ich mich recht erinnere, auch selber -auf irgendeiner Bergspitze - gesehen haben will. Zumindest hat er dort zu ihm gesprochen. Dieser Mann jedenfalls hatte, das hörten wir etwas später, irgendetwas mit den Nazis zu tun und wenn nicht, hätten wir es ihm glatt zugetraut. Er war quasi der männliche Leni Riefenstahl, jenes Paar, bei dem wir mutmaßten, dass sich Berg -, Traum -, und Kriegswelt zu einer Phantasiewelt abseits des Realen vereinten. Dass mitunter genau das Gegenteil der Fall war, erschloss sich uns nicht. Wir sahen auch nicht das Tempo, die Rebellion und das Artifizielle, ja epochale in dieser scheinbar so verschnarchten und reaktionären Welt der Katholen und Dörfler, denn die Spielfilme (die inzwischen neu digitalisiert erschienen), erreichten uns nicht. Der rüstige alte Mann aber verkörperte in Wirklichkeit eine Figur, auf die wie kaum eine andere die Bezeichnungen „originär“ und „original“ passten.

1892 im österreichisch-ungarischen St. Ulrich in Südtirol (heute zu Italien gehörend) geboren – und auch dort begraben - arbeitete er als Bergführer und Skilehrer, ehe er in Wien Architektur studierte. Als österreichisch-ungarischer Soldat kämpfte er im ersten Weltkrieg gegen Italien. Anfang der 20er Jahre folgen die ersten Kontakt zur Film-Industrie, 1928 debüttierte er mit dem Film „Kampf ums Matterhorn“. es folgten weitere „Berg-Filme“ bevor er zwischen 1933 und 1937 vier Filme schuf, die als Meilensteine in die Geschichte eingingen. Von ihnen wird hier die Rede sein. Roberto Rossellini sah sie als wichtige Stufen zur später als „Neorealismus“ bekannt gewordene Spiel- und Darstellungsweise, in der sich der Stoff nicht gemäß des „Hollywood“ – Mainstreams glattgebügelt, sondern vielmehr „wahr und wirklichkeitsnah“ Geschichten lebensecht erzählt werden sollten.

„Nieder mit jeder Rhetorik, nach der alle Italiener aus dem gleichen menschlichen Teig bestehen, gemeinsam von den gleichen edlen Gefühlen entflammt und sich gleichermaßen der Probleme des Lebens bewusst sind“ schrieb Umberto Barbaro 1943 in des Duces Sohns Vittorio Mussolini Film-Zeitung „Bianco e Nero“ als eines der ästhetischen und inhaltlichen Leitziele. Das Betroffenheitskino der Veronica Ferres-Fraktion und ihrer Regisseure, bei denen man stets den Eindruck hat, sie sähen es als Zumutung an, jene Macht, die sie formal über die Bilder haben, auch zunutzen, in dem sie unterschiedliche Kameraeinstellungen vornehmen und überdies die Möglichkeit ins Kalkül ziehen, einen überschüssigen Teil der gefilmten Sequenz, auch bekannt als „Schnitt“, einzusetzen.

Ganz anders Trenker. Der ist zwar kein besonders guter Schauspieler, chargiert bisweilen, variiert nur selten seine Mimik, agiert etwas hölzern, aber er versteht es glänzend naturalistische Bilder als Metaphern zu platzieren, durch den Schnitt des Filmes ein nie erlebtes Tempo zu erreichen und mit der Musik dazu eine Stimmung zu erzielen, die direkt auf die tiefsten Gefühle hin wirkt. Seine Sprache ist das Bild. Die Filme zeichnen sich durch knappe Dialoge aus. Es gibt immer wieder Passagen über etwa zehn Minuten, in denen kein Wort gesprochen wird. Und wenn: englisch, wie im Film „Der verlorene Sohn“ (1934), welcher die stärkste halben Stunde seines gesamten Filmschaffens enthält. Kein geringerer als Universal-Gründer Carl Laemmle, Sohn eines deutsch-jüdischen Viehhändlers, sorgt dafür, dass Luis Trenker seine Filme auch in englischer Sprache drehen kann. Man erstaunt darüber, dass die politische Linke selbst mit ihrem Flaggschiff Brecht, in ihrem einzigen nennenswerten konzeptionellen Projekt „Kuhle Wampe“, bei Weitem nicht diese Intensität des Ausdrucks, geschweige des Transportes der „Botschaft“ erreicht, wie es Trenker in seinen New Yorker-Sequenzen mühelos gelingt. Der Einzelne ist verloren, wenn sein Glück aussetzt. Die Stadt ist ein Raubtierkäfig in dem selbst ein Starker verlieren kann – das Land hingegen ist der offene Raum für den Freien. Zwar gibt es dort auch Gesetze, doch sie sind göttlich gegeben, aber innerhalb ihrer Grenzen ist der starke Mensch frei, dennoch geschützt durch die Familie und die Gemeinschaft. Brüchig ist jedoch alles.

Man hat ihm „Anti-Amerikanismus“ vorgeworfen, sowohl im genannten Epos, als auch in „Kaiser von Kalifornien“, dem „ersten und besten deutschen Western“, den er durchaus auf Augenhöhe mit seinem NSBO-Kamerad Fritz Lang in Szene setzte. Sicher, die Anonymität der Großstadt und das Scheitern der Vorstellungen, sind hier bewusst in der „neuen Welt“ angesiedelt. Doch Trenkers Figuren sind nie strahlende Sieger und immer in gesellschaftlichen Verhältnissen aktiv, die Rebellion und Untergang mit einschließen, wie in „Der Rebell“, worin er als der Tiroler Severin Anderlan (dem realen Andreas Hofer nachempfunden) gegen die Napoleonische Fremdherrschaft kämpft und zuletzt standrechtlich erschossen wird. Trenker ist immer der Rebell vom Lande, der wahrhaftig widersteht, wenn es die Umstände erfordern.

Und wie er die Technik handhabt. Wenn im „Verlorenen Sohn“ die Silhouette der Bergwelt mit den New Yorker Hochhäusern zunächst verschwimmt, dann abgelöst und später ersetzt wird, greift er einem ähnlichen Bild, wie es im King Kong - Remake von 1976(!) zur Wiederholung kam, so vor, auf dass es als filmisches Original unerreicht bleibt.

Und wie herzzerreißend dieses Urgestein aus der Kälte weinen kann! Selten hat ein Mann so jämmerlich und verzweifelt dagesessen wie Trenker in der Riesenstadt New York, hungernd, frierend und verzweifelnd, an nichts anderes denkend als an die Heimat.

Der abrupte, eiskalt geplante und ohne Vorwarnung erfolgende Tod – hier die plötzliche Erschießung seiner beiden kleinen Söhne in „Kaiser von Kalifornien“ durch jene, die gesamte öffentliche Ordnung gefährdende Gruppe der Goldgräber – zeigt in harten realistischen Bildern einen Schicksalsschlag, der täglich irgendwo geschieht, aber gewöhnlich aus dem Leben verdrängt, in dieser Form in den weichgespülten deutschsprachigen Filmen nicht mehr gezeigt wird. Die Politik der unsicheren Verhältnisse schwingt unausgesprochen mit.

Der konservative Rebell unter dem Christuskreuz.

Die Liste seiner eingesetzten Schauspieler beeindruckt. Da spielte 1937 in „Der Berg ruft“ Blandine Ebinger, die Frau des Chansonschreibers Friedrich Hollaenders, sowie Lotte Spira, da finden wir in weiteren Filmen Bernhard Minetti, Erich Ponto, Paul Graetz, Luise Ulrich, Berta Drews, Paul Verhoeven, Ernst Fritz Fürbringer, Paul Henckels, Rudolf Klein-Rogge und Maria „Mariandl“ Andergast. Da er eine Reihe jüdischer Schauspieler beschäftigt, fällt er negativ auf. Trenker wird diesbezüglich zitiert: „Es ist auch eine Schande, dass die Deutschen die Literatur verbrannten und, dass Deutschland die Juden rausschmeißt“.

Melancholisch und heroisch, scheiternd, aber immer optimistisch; so inszeniert sich Luis Trenker in seinen Filmen, wobei sich die Figuren mit ihrem Protagonisten vermischen. Denn klar ist, dass er sich zum großen Teil selbst darstellt. Der Glaube, die Heimatliebe, der Freiheitsdrang, der Familiensinn und die Bergpassion – das alles ist Trenker selbst, exakt das spiegelt sich in den Film-Figuren wieder, aber auch in seinen mehr als 20 Romanen. Der konservative Rebell unter dem Christuskreuz.

Seinem Film „Condottieri“ wird eine faschistische Gesinnung vorgeworfen, Trenker kommentiert: „Sie wundern sich? Ich erhielt doch den Auftrag, diesen Film zu machen, und die italienische Regierung finanzierte auch zum großen Teil die Arbeiten dazu. Wie soll denn da ein Film anders werden?“ Der Mussolini-Preis (Coppa Mussolini) für den besten ausländischen Film bei der Biennale in Venedig für „Der Kaiser von Kalifornien“ bleibt unverständlicherweise lange seine einzige Auszeichnung. Nach dem Krieg ist man milder gestimmt und Trenker erhält sowohl das „Goldene Verdienstkreuz des Landes Tirol“, wie auch das „Große Bundesverdienstkreuz am Bande“, ja sogar den „Karl-Valentin-Orden“. Stimmt, humorvoll und verschmitzt war er, der Luis, das merkten wir wohl schon als Kinder, auch wenn wir es nicht zu schätzen wussten, was er sagt. Traurig ist, dass er seinen Ruf als kraxelnder, leutseliger Alpenbewohner bei der jüngeren Generation nicht los wurde oder sogar vollständig in Vergessenheit geriet. Sein Werk jedoch macht ihn unsterblich. Betrachten ihn zukünftige Generationen objektiver und mit mehr zeitlichem Abstand, so werden sie seine Fähigkeiten und seine Kunst höher bewerten, als es heute der Fall ist. Schauen wir schon heute hin. Schauen wir noch mal hin! Es gilt da einen neu zu entdecken.

Die wichtigsten Filme:

· 1928 Der Kampf ums Matterhorn

· 1932 Der Rebell

· 1934 Der verlorene Sohn

· 1936 Der Kaiser von Kalifornien

· 1937 Condottieri

· 1938 Der Berg ruft

1 Kommentar »

  1. Inzwischen gibt es auch Ausschnitte aus den Trenker-Erzählungen der 60er Jahre.

    Vor allem aber auch aus “Der verlorene Sohn” - unbedingt ansehen.

    Kommentar von Campo-News — 14. Mai 2010 @ 16:07

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