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15. April 2007

Lichtspiel, Rampenlicht und Beleuchtungen VIII

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 12:54

 

1 Heiteres Berufsraten

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Auflösung: Ein Literat

 

2 Die Mrs Robinson der Neuzeit heißt „Stiflers mom“. Ihre Kurzauftritte in den „American Pie“-Filmen sind echte Miniaturen. Während Dustin Hoffman einst von der damals nur sieben Jahren älteren Anne Bancroft (im wahren Leben „Frau Mel Brooks“) verführt wurde, erlebt „Finch“ im freien Spiel der Kräfte, mit der Mutter seines Schulfreundes Stifler, das so begehrte „erste Mal“.

 

Der Dialog dazu, den ich leider nur aus dem Gedächtnis tendenziell wiedergeben kann, ist einer der schönsten der Filmgeschichte.

 

Finch: „Wir haben noch Rotwein da, 18 Jahre alt.“

Stiflers mom: „Das ist doch das Alter, das ich am Liebsten mag.“

Während des Geschlechtsverkehrs:
Stiflers mom: „Oh Finchy, Finchy“
Finch: „Oh, Stiftlers mom“

 

3 Ich sehe nur noch Knut. Überall sind Knuts. Knut Tucholsky, Knut Weill, Knut Beck, Knut Schuhmacher, Knut Waldheim, Knut Hamsun, Cnut Jürgens, Knut Süß usw.. Fast werde ich an die Szene aus „Andorra“ erinnert, wo ja der „Jud“ immer bis zum Unerträglichen präsent war (obwohl es dort gar keinen gab). „Der Lehrer“: „Knut! Knut! Knut! Jedes dritte Wort. Kein Tag vergeht. Jedes zweite Wort. Kein Tag ohne Knut. Keine Nacht ohne Knut. Ich höre Knut wenn einer schnarcht. Knut Knut. Kein Witz ohne Knut. Kein Geschäft ohne Knut. Kein Fluch ohne Knut. Ich höre Knut wo keiner ist. Und Knut und Knut. Die Kinder spielen Knut wenn ich den Rücken drehe. Jeder plapperts nach, die Pferde wieherns in den Gassen Knuuuhhhuuuuut! Knuuuuhhhuuuut! Ja gibt es denn gar nichts anderes mehr?“ Nein, nur mein alter Rucksack, der schon etwa zehn Jahre alt ist! – am Ende zu sehen.

 

4 Arthur Schopenhauer sei von Zeit zu Zeit, das sind die, die genau zwischen den großen liegen, gepriesen. Wie er doch in seiner kleinen Schrift „Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde“ Logik, Kausalität und Differenzen beleuchtet! Und wenn er zu dem Schluss kommt „dass der linke Handschuh nicht zur rechten Hand passt“, dann möchten wir tränengerührt ausrufen: „Ja, so ist es!“

 

5 Es ist doch immer wieder erstaunlich, wohin ein verquaster Intellektualismus, der natürlich in Wirklichkeit keiner ist, führt. Jeder Gozilla-vernichtet-die-Welt-Film, ist doch realistischer als Visionen a la Emmerichs „Der Tag danach“. Wenn man doch gleich Monster, Geister, sprechende Gemäuer oder mutierte Kreaturen an den Haaren herbei zöge, um sie in wilden Vernichtungsphantasien wüten zu lassen – aber es muss wissenschaftlich verbrämt werden, um den wahren Kern der Medien-Apokalypse zu verschleiern: „Die Entstehung der absonderlichsten Arten durch esoterische und unnatürliche Zuchtwahl“ – der „Anti-Darwin“, sozusagen.

 

6 Ein Bericht aus Sibirien: Ein Mädchen näht sich ein „Tanz-Kleid“. Reflektieren wir nicht, ob sich dieser „Tanz“ auch lohnt, sondern: Diese beigen Kleider sahen ziemlich zum Schießen aus, will sagen: es fehlten die Kanonen zum treffen. Wie gern aber, so las ich in den traurigen Gesichtern der am Ende der Welt gezeugten Kreaturen, würden sie sich für mehr Geld verkaufen, als sie dafür erhielten. Auf der Straße, in kleinen manieristischen Zimmern. So aber bleibt ihnen nur die Zwangsprostitution vor den Kameras deutscher Sendeanstalten, die ihren Namen zurecht tragen.

 

7 Als Henry Maske mit dem Lied „Wind of change“ zu seinem letzten Kampf auflief, dachte ich nur: Ist es das, was uns 1989 bescherte? Das wäre doch glatt verzichtbar. Ich meine: das Lied. Aber was wäre es nicht, das seit dem geschah? Wobei die Verlegung der Hauptstadt von Bonn nach Berlin, derjenige Fehler ist, der alles was geschah und was noch kommen wird, erst möglich machte. Er ist, sozusagen, der Fehler aus der zehnfachen Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde

 

8 In der „Kulturzeit“ erlebten wir ein Novum. Um der Forderung nach Krippenplätze nachzuhelfen, zeigte man, begleitet von der Aussage, es sei ja nicht alles schlecht in der DDR gewesen, einen ungekürzten Originalbeitrag des DDR-Fernsehens aus dem 1977. War alles tipptopp dort, konnte man sehen und hören. Besonders die Wochenkrippenplätze waren echt stark. Da gab man die Brut Montagsfrüh ab und holte sie Freitagabends wieder ab. Pädagogik? Natürlich, vorbildlich! „Solidarität“ als angebliche Richtschnur. Propaganda pur, nicht mal geschmälert durch einen eigenen Kommentar. Deutschland 2007.

 

9 „Die Ulrike“ von 1972 kennt doch jeder. Wie heißt sie noch gleich, die Olympiasiegerin von 1972 im Hochsprung? Ulrike Meinhof, nicht wahr?

 

10 Dass Nazis im Umfeld von Michel Friedmann auftauchen, dachte ich, wäre so überraschend nicht, wie die BILD erscheinen wollte. Den Anblick ist er doch anscheinend gewohnt. Denn wenn einer, der früher für die Nationalzeitung und jetzt nicht ohne Konsequenz für Gagalil schreibt, nicht auffällt, obwohl er so aussieht, auf seiner Homepage säuselt: „Danke an den Mann in meinem Herzen und meiner Seite, blablaballaballabla David Gall, Michel Friedman, blablaballaballabla und vielen anderen für Denkanstöße, Anregungen und Inspiration“, dann, ja dann, wundert doch kaum noch etwas.

 

11 Apropos Aussteiger. Da erinnere ich doch gern an die Schilderung von Heinrich Böll aus meinem Lieblingsbuch „Ansichten eines Clowns“:

„…aber als ich meine Mutter noch einmal ansah, sagte sie ihrer sanften Stimme: ,,Du wirst doch einsehen, dass jeder das Seinige tun muss, die jüdischen Yankees von unserer heiligen deutschen Erde wieder zu vertreiben. Unsere heilige deutsche Erde“, sagte sie, und sie sind
schon tief in der Eifel drin.“

Meine Mutter ist inzwischen schon seit Jahren Präsidentin des Zentralkomitees der Gesellschaften zur Versöhnung rassischer Gegensätze; sie fährt zum Anne-Frank-Haus, gelegentlich sogar nach Amerika und hält vor amerikanischen Frauenklubs Reden über die Reue der deutschen Jugend, immer noch mit ihrer sanften, harmlosen Stimme…,,Hast Du etwas gegen das Komitee?“

„Nein, sagte ich, „es ist sehr gut, dass die rassischen Gegensätze versöhnt werden, aber ich habe eine andere Auffassung von Rasse als das Komitee. Neger zum Beispiel sind ja geradezu der letzte Schrei – ich wollte Mutter schon einen Neger, den ich kenne, als Krippenfigur anbieten, und wenn man bedenkt, dass es einige hundert Negerrassen gibt. Das Komitee wird nie arbeitslos. „Oder Zigeuner“, sagte ich, „Mutter sollte einmal welche zum Tee einladen. Direkt von der Straße. Es gibt noch Aufgaben genug.“

Was mich an diesen jours fixes bei meiner Mutter aufregte, war die Harmlosigkeit der zurückgekehrten Emigranten. Sie waren alle so gerührt von der Reue und den laut hinausposaunten Bekenntnissen zur Demokratie, dass es dauernd zu Verbrüderungen und Umarmungen kam. Sie begriffen nicht, dass das Geheimnis des Schreckens im Detail liegt. Große Sachen zu bereuen ist kinderleicht: Politische Irrtümer, Ehebruch, Mord, Antisemitismus – aber wer versteht die Details? Wie Herbert Kalick außer sich vor Wut auf den Tisch schlug, mich mit seinen toten Augen ansah uns sagte: „Härte, unerbittliche Härte.“ Ich habe zu viele Augenblicke im Kopf, zu viele Details, Winzigkeiten – und Herberts Augen haben sich nicht geändert.“

eisbar.jpg

 

1 Kommentar »

  1. Da wandre ich wie jeden Tag

    10 Kilometer ohne Plag

    Und finde im Gestrüpp:

    Deutsch-Länderpolitik

    otte.jpg

    Kommentar von Campo-News — 16. April 2007 @ 12:45

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