Musik hat Vorfahrt
Von Tanja Krienen
Ein
paar
Grundbemerkungen
zur
neuen
Kolumne
erstanden
nach
meinem letzten Deutschland-Besuch
und
sie
finden
sich
dort
irgendwo…
Erst der Text,
dann die Printversion.
Alles schmaler gehalten,
da aus technischen
Gründen sonst
nicht alles
zu lesen ist.
Musik hat Vorfahrt
Neulich schaute ich wieder einmal fern.
Es liefen die musischen Leistungen der Pausen-Generation
(Nachfolger der Generation X und Generation Golf) in der Sendung
„Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS). Mein anwesender
Bekannter fiel mir plötzlich mit den Worten ins
Ohr: „Das waren aber im Original total geile Lieder!“
So? Ich kannte nicht einmal die Interpreten, hatte nur ganz vage von ihrer Existenz gehört, aber er begann aggressiv zu schwärmen: „Nun hör doch mal. Gib dich mal ganz hin.“
Nach der Sendung legte er die Originale auf. Sofort wurde ich unruhig.
„Boah“, rief ich gegen die Lautstärke an, wann kommt denn die Musik?“
Er drehte nun erst richtig auf. Ich sank immer tiefer in den Sessel.
Nach zehn schier endlosen Minuten war der Spuk vorbei.
„Und?“, fragte ich, „kannst du nicht mal etwas Bekanntes von
denen spielen? Einen HIT!?“ „Das waren die Hits!“ maulte er verbittert.
Tatsächlich ist Musik auch für mich sehr wichtig, als beliebiges
Hintergrundrauschen macht sie mich jedoch unruhig, nagt sie
unterschwellig und unentwegt an meinen Nerven.
Als ich jetzt nach mehr als zwei Jahre in Deutschland war,
fiel mir gleich auf, dass sehr viele Jugendliche zu der Musik
im Ohr, jetzt auch noch verstärkt Handys mit laufenden Bildern
in der Öffentlichkeit konsumieren. Das überall diese Beschallung
möglich ist und anscheinend als Rechtsanspruch auch Gemeingut
wurde, ist nicht nur neu, sondern auch kurios.
Ich fuhr also mit dem Ãœberlandbus.
Zu meinem großen Erstaunen musste ich feststellen, dass man in
jeden Sitz (!) ein Radio einbaute, damit selbst im Bus (sofern man
einen Kopfhörer hat), Musik gehört werden kann! Dafür ist Geld da.
Radiomusik ist ja quasi eine Lebensnotwendigkeit. Anschnallgurte
jedoch sieht man praktisch nicht! Meine Frage nach einem Verbundplan,
wurde im Bus mit „Haben wir nicht.“ abschlägig beantwortet.
Aber: Die Videoüberwachung ist wiederum obligatorisch!
Man frage nicht nach der Logik!
Als ich wieder zu Hause war, fragte mich mein Bekannter,
was mich denn am Meisten in Deutschland beeindruckt hätte.
Ohne zu zögern sagte ich: „Das war ein Wahnsinniger der mit
Seppelmütze bei Eisglätte auf der Straße Fahrrad fuhr!“
„Tatsache?“ fragte er. „Nein, nicht wirklich“, lächelte ich.
Aber ich fuhr dort 1 ½ Stunde etwa 45 km mit dem Bus,
und außer mir gab es nur zehn weitere Mitfahrer.
Zurück genauso.
Wo sind all die grünen Wähler?
Arbeiten die nicht?
Fahren die nicht?
Beruhigend, dass die Busfahrer noch immer so
blaffen und unfreundlich sind wie eh und je.“
„Dann wird also der Fahrplan zukünftig noch mehr
ausgedünnt?!“ warf er ein. „So wird es sein“, antworte
ich“, und als Mensch, der zwar mit Freude Auto fährt,
aber auch im Falle eines funktionierenden
„Öffentlichen-Personen-Nahverkehrs“ gerne auf
diesen zurückgreift, bedauere das.
Wenn die angeblich so ökologisch orientierten
Menschen, die stets im Kern mit „DER UMWELT“
argumentieren, diese Verkehrsmittel nutzen würden,
sähe es anders aus. Sie schwindeln, vorsichtig
gesagt, – es ist ihnen in Wirklichkeit völlig schnurz.
Wurscht dazu.
Oder geschieht es aus Faulheit?
Aber ich verstehe es ja: mit muffigen Busfahrern,
unwirtlichen Haltestellen und überlauten Jugendlichen
wird man kein Publikum anlocken. Aber: Hauptsache
in jedem Sitz ist ein Radio installiert!“
„Apropos Musik“, die Augen meines Bekannten
weiteten sich und erhielten diesen verklärten
Augenaufschlag, „ich muss dir unbedingt die
besten Songs aus der letzten Sendung von
„DSDS“ vorspielen.“ „Nee du, hab grad keine Zeit“,
ich wurde sofort nervös, „muss noch unbedingt
mein Auto waschen, von wegen Komfort und
Individualismus, weißt du?“