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31. August 2005

Bundestagswahl 2005: Ein ganz normaler außergewöhnlicher Vorgang.

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 10:15

Von Tanja Krienen

Dieser Kommentar wird am morgigen Tag in der kanadischen “Deutschen Rundschau” erscheinen.

Bundestagswahl 2005: Ein ganz normaler außergewöhnlicher Vorgang.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich, bewusst kalkuliert, am 1. Juli 2005 das Misstrauen vom deutschen Parlament aussprechen lassen. Der Bundespräsident löste daraufhin drei Wochen später den Bundestag auf und rief gleichzeitig Neuwahlen aus. Soweit die nüchternden Fakten.

Der Abgeordnete Werner Schulz (Bündnis 90/Die Grünen) sprach daraufhin im Bundesparlament, welches im alten Reichstagsgebäude angesiedelt ist (für manche ist der Name schon ein Menetekel für das was kommen kann), von Volkskammer-Verhältnissen, reichte eine Klage gegen die Neuwahlen ein, und brandmarkte den gesamten Akt unseriös.

Kaum jemand zweifelt an der Notwendigkeit diese Neuwahlen auszuschreiben, da die Union nach ihrem Wahlsieg in Nordrhein-Westfalen, nicht nur erneut klar die Grenzen des rotgrünen Bündnisses aufzeigte, sondern nun auch im Bundesrat beinahe eine 2/3 Drittel-Mehrheit besitzt. Die Art und Weise jedoch, wie Schröder sein parlamentarisches Scheitern organisierte und letztlich die Neuwahlen vorbereitete, führte mancherorts zu einer großen Debatte, auch um die Frage zu klären, wie es auf eine andere, aber rechtlich einwandfreie, Weise möglich sei den Bundestag aufzulösen. Der Vorwurf, hier würde eine Entwicklung wie seinerseits in Weimar eingeläutet, träfe nicht, so die Meinung der meisten öffentlichen Personen, vielmehr fehle lediglich in einer ansonsten stabilen Demokratie die Möglichkeit, z.B. durch eine 2/3 Drittel-Mehrheit aller Abgeordneten, diesen Auflösungsakt selbst zu vollziehen.

Die derzeit noch amtierende Vizepräsidentin des Bundestages, Antje Vollmer, eine Parteifreundin von Schulz, teilte mir nach einer Anfrage mit, sie halte das Procedere für ein „Harakiri mit Ansage“, und schrieb „Für mich war das ein bitterer Tag.“ Sie schloss mit der Bemerkung: „Das politische System droht insgesamt in Turbulenzen zu geraten, deren Ausgang heute noch nicht abzusehen ist.“

Man mag in der Tat bedauern, dass es keine rechtlich diskutable Möglichkeit zur Auflösung des Bundestages gibt, man mag ebenfalls darauf hinweisen, dass wir in viel stabileren Verhältnissen als in der 30er Jahren leben. Mag alles sein – ein Beigeschmack bleibt jedoch, nicht zuletzt, weil die Aussichten deutlich in Richtung Instabilität weisen.

Draußen, vor der parlamentarischen Tür, warten nämlich diejenigen, die einst den sozialistischen Zwillingsstaat schufen, auf ihre Rückkehr an die Macht, ohne sich weder vom Denkgebäude Marxismus-Leninismus, noch von seinen konkreten Erscheinungen in Theorie und Praxis inhaltlich überzeugend zu distanzieren. Auf der Rechten wartet latent das andere Ungeheuer mit unverdauten Ideologiebrocken aus dem Haus des 1000jährigen Reiches, das nicht mal 1000 Wochen alt wurde, und deren Vertreter partiell dort mitmarschieren, wo der Populismus Erfolge verspricht – also auch unter der Fahne der vorgeblichen Feinde, denn man geht davon aus, dass eine Reihe Rechtsextremer die neue linke Bewegung unterwandern. Das neue Bündnis „Die Linke. PDS“, stößt in nicht geringer Weise auf Akzeptanz bei den Rechten, da ihre sozialpolitischen Forderungen nahezu identisch sind. La Fontaine bediente dieses Milieu dann auch gleich mit seinen „Fremdarbeiter“-Äußerungen“. Zusammen kommen diese Extreme momentan auf klare zweistellige Ergebnisse und sind strukturell durchaus mehrheitsfähig.

Zeitgleich verschwinden nun, 15 Jahre nach der DDR-Diktatur, die letzten mahnenden Zeichen ihrer Existenz, werden zudem die letzten Abgeordneten, die letzten Zeitzeugen und Revolutionäre ins Abseits gestellt, wird ihnen signalisiert: Die neue Zeit ist angebrochen. Dem neuen Parlament wird kein Bürgerrechtler aus der ehemaligen DDR mehr angehören. Die Erosion des Parteisystems und der Gesellschaft schreitet fort. Wenig Licht, aber viel Schatten liegt über dem Land, und so richtig, befürchtet man, kann niemand für Sonnenschein sorgen. Die deutsche Krankenakte, ist älter als ihre jetzigen Symptome.

Zum ersten Male nach dem Krieg, ist eine Voraussage für die Zukunft, für die nächsten drei, vier Jahre ungewiss, liegt zudem etwas in der Luft, das Unbehagen verbreitet. In so einer Situation denkt der Verstandesmensch eher konservativ. Warten wir den 18. September 2005 ab….

Tanja Krienen

3 Kommentare »

  1. Werner Schulz unterbricht Gysi bei der Pressekonferenz und biedert sich dann im Interview an, damit rot-rot-grün etabliert werden kann. Das ist unfassbar. Das ist nicht mehr wahr! Mir fehlen die Worte! Alles Show! Allles Fakes! Alles Theater! Und mit Schulz habe ich einst gesprochen, als er am Tag des Afghanistan-Einsatzbeschlusses im November 2001 seinen Disput mit Gysi am selben Tag im Bundestag hatte, aber er hat schon damals nicht dialektisch gedacht. Aber er ist einafch ein naiver und ursächlicher Grüner! Wer bei den Grünen ist, ist grün und bleibt grün.

    Kommentar von Campo-News — 30. Juni 2010 @ 18:25

  2. “Es ist ein randständiges Milieu, das man früher als ‘asoziales’ Umfeld beschrieben hat.” Schröder komme vom “unteren Ende der Gesellschaft” und habe einen “beispiellosen Aufstieg” hinter sich.
    Der unbekannte Vater

    Ãœber Schröders Vater Fritz (Jahrgang 1912) war wenig bekannt. Mit 21 wird der Hilfsarbeiter wegen schweren Diebstahls zum ersten Mal verurteilt. Fünf Jahre später steht er wieder vor dem Kadi: Mit einem Maler steigt er bei einem Fleischer ein, klaut ein paar Kleider. Die Quittung: Das Landgericht Magdeburg brummt ihm neun Monate Haft auf. Die Polizeifotos von 1938 zeigen viel Ähnlichkeit mit dem Sohn, der einmal Kanzler wird: “Augen blau, Haare dunkelbraun, Nase gradlinig”, vermerkt das Protokoll. Noch etwas fällt auf. Schröders Vater hat eine Tätowierung am rechten Unterarm, eine Frauenbüste mit Blumenzweig. Im Frühjahr 2001 sieht der Kanzler zum ersten Mal ein Foto von ihm als Soldat der Wehrmacht - es steht seitdem auf seinem Schreibtisch im Kanzleramt. http://www.stern.de/politik/deutschland/gerhard-schroeder-biografie–aufstieg-aus-asozialem-milieu-zum-kanzler-6461598.html

    http://www.pi-news.net/2020/07/altparteien-angelika-barbe-nicht-geeignet-als-menschenrechtlerin/

    https://www.achgut.com/artikel/die_schmuckfedertheorie

    Kommentar von Campo-News — 21. September 2015 @ 08:28

  3. https://www.achgut.com/artikel/die_neue_bundesrepublik_kommt_zur_freude_der_weltweiten_konkurrenz

    Kommentar von Campo-News — 26. November 2021 @ 11:03

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