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26. Juli 2005

Die SED/PDS hat sich aufgelöst

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 19:38

Unsinn, es ist ganz anders, vorläufig….aber: elsen die soch elbst, ich meine: lesen Sie doch selbst!

Von Tanja Krienen

KPD, einfach nur “KPD” hieß das Stück, welches Gerhard Bronner (1922 in Wien geboren) schrieb. Bitte:

KPD

Ein hehres Loblied sei getrommelt und gepfiffen
Für ein Feuer, für ein Freudenfest.
Wir geben Kunde euch ergreifend und ergriffen:
Die KPD hat sich aufgelöst!
Drei Tage lang hat die Partei getagt
Dann hat sie uns den Grund der Auflösung gesagt

Doppelpunkt: Zitat

Die Auflösung ist ein notwendiger Schritt angesichts des Scheiterns unseres Versuchs einen führenden Kern für die KPD im Alleingang ohne wirksamen Rückbezug auf die reale Entwicklung der Klassenkämpfe und die politischen Strömungen in der Arbeiterbewegung aufzubaun.

Verstanden? Nein? Bitte noch einmal:

Die Auflösung ist ein notwendiger Schritt angesichts des Scheiterns unseres Versuchs einen führenden Kern für die KPD im Alleingang ohne wirksamen Rückbezug auf die reale Entwicklung der Klassenkämpfe und die politischen Strömungen in der Arbeiterbewegung aufzubaun.

Schön, nee?

Die Freude über den Entschluss ist unverhohlen
Er ist ein Hoffnungsschimmer den ich freudig seh
Es wird den Kummerern auch anderswo empfohlen:
Proletarier aller Länder: Nehmt euch ein Beispiel an der KPD!


Gerhard Bronner Mitte der 80er Jahre

„Als Saddam Hussein 1991 seine Scud-Raketen über Israel niedergehen ließ, hat kein Humanist im Westen dagegen protestiert.“

Tanja Krienen interviewt Gerhard Bronner (2003)

CAMPO: Das Ereignis liegt zwar schon ein paar Monate zurück, doch möchte ich nicht versäumen, nachträglich meine herzlichsten Glückwünsche zum 80. Geburtstag auszusprechen!

Nun kann sich niemand die Verhältnisse aussuchen, in die er hineingeboren wird, aber eine trügerische Ruhe hat es wohl in Wien zu keiner Zeit nach dem ersten Weltkrieg gegeben. Spürte Gerhard Bronner als Kind jene besonderen Spannungen, die in der aufgelösten Donaumonarchie Österreich-Ungarn herrschten, deren Zerschlagung er selbst später einmal „die größte Humorlosigkeit der Weltgeschichte“ bezeichnen sollte oder blieb die Kindheit von der Politik zunächst unberührt?

Bronner: Nein, die Zustände in Österreich waren so polarisiert, dass auch ein Kleinkind sie nicht übersehen konnte. Ich habe schließlich den Februar 1934 bewusst miterlebt, habe die Hinrichtung von Sozialisten erschüttert zur Kenntnis nehmen müssen und habe etliche Schutzbündler schwer verwundet sehen müssen. Auch der Brand des Justizpalastes 1927 war in meinem Elternhaus ein hartes Diskussionsthema. Ich wusste schon als Kind, dass Österreich kein Paradies war.

CAMPO: Zunehmend – spätestens nach der Ermordung des österreichischen Bundeskanzlers Dollfuß im Jahre 1934 – wurde klar, wie sehr die deutsch-nationale Bewegung den österreichischen Staat ins Visier nahm. Selbst linke Intellektuelle, z.B. Karl Kraus, unterstützten die konservativ geführte Schuschnigg-Regierung bei dem Versuch Eigenständigkeit zu bewahren, weil sie hofften, dadurch würde das Land der Bedrohung durch Nazi-Deutschland trotzen können. Wann jedoch war die Einflussnahme antiösterreichischer Kräfte nicht mehr zu übersehen?

Bronner: Nazis gab es schon in den Zwanzigerjahren, sie wurden allerdings nicht sehr ernst genommen. Nach der Ermordung von Dollfuß konnte man nicht umhin, sie ernst zu nehmen. Die Regierung Schuschnigg wurde erst kurz vor Torschluss von den linken Intellektuellen unterstützt. (Karl Kraus war übrigens kein Linker.) Man liebte Schuschnigg nicht, empfand ihn allerdings als “kleineres Ãœbel”.

CAMPO: Veränderte sich das öffentlichen Leben Wiens schon vor dem „Anschluss“ im März 1938 massiv oder erst unmittelbar danach? Wie wirkte sich dieser schleichende und nach der Einverleibung Österreichs durch das Deutsche Reich offene Antisemitismus auf das Leben eines 15jährigen Jungen aus – wann also, wurde das „unterirdische Klopfen“, welches ein empfindsamer Mensch schon vor dem eruptiven Ausbruch brutalster Handlungen spüren konnte, grausame Gewissheit?

Bronner: Die letzten Tage vor dem „Anschluss” gab es eine sehr euphorische Stimmung Pro-Österreich. Schuschnigganhänger demonstrierten gemeinsam mit den Linken gegen die Nazis. Es gab täglich Prügeleien, bei denen die Nazis in der Minderzahl waren, und auch dementsprechend schlecht davonkamen.

CAMPO: Gab es einen besonderen Anlass das neue Staatsgebilde zu verlassen oder lag dem Entschluss eine grundsätzliche Einschätzung der Lage zu Grunde?

Bronner: Der „besondere Anlass” war ganz einfach Hunger. Ich habe meinen Lehrlingsposten verloren, weil das Geschäft in dem ich bis dahin gearbeitet habe, arisiert wurde. Mein Vater und mein älterer Bruder waren im KZ, und meine Mutter musste pro Angehörigen jede Woche 20 RM nach Dachau schicken. Für die täglichen Ausgaben blieb uns kein Geld. Also ging ich „schwarz” über die Grenze in die CSR nach Brünn.

CAMPO: Wie konnte ein halbes Kind auf der Flucht in einer Welt überleben, die doch nur wenig tiefgehendes Verständnis für die Probleme jüdischer Emigranten aufbrachte?

Bronner: Es war nicht leicht, auch in Brünn war ich hungrig, aber ich schlug mich irgendwie durch. Ich putzte Fenster, schaufelte Kohlen, sang auf der Straße, und gab manchmal Klavierunterricht.

CAMPO: Viele Emigranten zog es in die Vereinigten Staaten von Amerika, Sie aber wählen – als „orthodoxer Atheist“ - das Gebiet, welches wenige Jahre später zum Staat Israel wurde. Religiöse Motivationen schienen also nicht entscheidend für die Ortswahl gewesen zu sein; war es vielleicht der Wille, die zionistische Idee auf weltlicher Basis aufzubauen oder spielten ganz andere Gründe eine ausschlaggebende Rolle?

Bronner: Um in die USA auszuwandern brauchte man nicht nur gültige Papiere (die ich nicht hatte) sondern auch ein Affidavit für die Einreise, und sehr viel Geld für die Überfahrt. Ich hatte nichts davon, also wählte ich den einzigen Weg, der mir übrig blieb: die Hoffnung von einem illegalen Transportschiff nach Palästina mitgenommen zu werden.

CAMPO: Welche Nachrichten erreichten Sie aus Nazi-Deutschland? Gab es Möglichkeiten in irgendeiner Weise einzuwirken und welche Gefühle hatten Sie, als sich die Meldung von der Kapitulation des Regimes verbreitete?

Bronner: Aus Nazi-Deutschland erreichten mich nur die Schreckensnachrichten, die später eingetroffene Flüchtlinge erzählten. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich manche verdächtigte, zu übertreiben, um Mitleid zu erregen. Von der Kapitulation erfuhr ich aus dem Radio. Mein Gefühl war: “Spät, aber doch!” Und ich hoffte (vergeblich) meine Familie wieder zu sehen.

CAMPO: 1948 kehrten Sie nach Österreich zurück. Wie ist die Entscheidung dafür zu erklären, da Gerhard Bronner die Hass-Liebe zu seinem Geburtsland bekanntlich nie leugnete, - war die Melancholie größer als die Furcht, bekannten Schrecken im Alltag wieder zu begegnen?

Bronner: Ich wollte nicht nach Österreich zurück, sondern nach England, wo mir ein Engagement als Musiker angeboten wurde. Meine Frau aber wollte ihre Eltern wieder sehen, die aus Shanghai zurückgekehrt waren. Also beschloss ich über Wien nach London zu reisen. In Wien lernte ich Menschen kennen, wie Hans Weigel und Alexander Steinbrecher, die mich dazu bewogen, es wieder Wien zu versuchen. Ich höre heute noch den Satz: „Wir brauchen Leute wie Sie!” Ich wollte es ein halbes Jahr lang versuchen - daraus wurden 40 Jahre.

CAMPO: Mit dem Beginn der Fünfziger Jahre entwickelte sich dann das historisch gewordene Projekt „Wiener Kabarett“. Als Junge erlebten Sie noch den Urvater der Klavierhumoristen, Hermann Leopoldi. War es eine eher spontane Erkenntnis, dass hier wieder ein vager Anknüpfungspunkt an vergangene Traditionen möglich schien oder bestand noch vor der Herausbildung der späteren Gruppe ein inhaltliches Konzept weiter zu gehen, also Parodien, Szenen, Sketche und vielstimmige Gesänge auf die Bühne zu bringen?

Bronner: Wir dachten damals nicht an Stil, oder an Anknüpfungspunkte. Wir schrieben einfach das, was wir für wichtig und richtig hielten. Dass sich daraus ein neuer Stil entwickelte, ist uns erst Jahre später aufgefallen. Hermann Leopoldi war übrigens ständiger Gast in unserem Cabaret, und war einer unserer größten Fans.

„Merz war Anti-Marxist, Peter Wehle war katholischer Monarchist, Kreisler stand den Kommunisten nahe, ich war (und bin) Sozialdemokrat, Qualtinger war Nihilist, und Louise Martini war gar nichts.“

CAMPO: Das „Wiener Kabarett“ wurde zwar zu einem feststehenden Begriff, die beteiligten Personen wechselten jedoch ständig. Versammelt war aber eine geballte kabarettistische und literarische Qualität, die im deutschsprachigen Raum nie ihresgleichen fand, denn außer Gerhard Bronner gehörten zu den verschiedenen Ensembles, der unvergessene Helmut Qualtinger, Georg Kreisler, Carl Merz, Peter Wehle oder Louise Martini! Wie bewerten Sie rückblickend diese Zeit?

Bronner: Wir waren keine homogene Gruppe, im Gegenteil: Merz war Anti-Marxist, Peter Wehle war katholischer Monarchist, Kreisler stand den Kommunisten nahe, ich war (und bin) Sozialdemokrat, Qualtinger war Nihilist, und Louise Martini war gar nichts. Es gab vor fast jedem neuem Programm stundenlange Diskussionen. Eine der Folgen davon war, dass Kreisler das Team verließ, weil wir ihm zu reaktionär waren.


Ensemble-Produktion in den 50er Jahren

CAMPO: Das „Wiener Kabarett war immer – etwas vereinfacht ausgedrückt – antideutsch („Piefkei“), antikommunistisch und proisraelisch ausgerichtet. War dies ein “natürlicher Konsens“ der Beteiligten oder resultierten daraus Spannungen?

Bronner: Nein, wir hatten genügend Spannungen im Team, auch unabhängig von der “Piefkei”. Was uns an den deutschen Linksintellektuellen störte, war ihre Bereitschaft, Fellowtravellers der Kommunisten zu werden. Mir entfuhr damals der Ausspruch: “Ich bin deshalb so böse auf die Russen, weil sie mich zwingen FÃœR den Adenauer zu sein!“

CAMPO: Nachdem zunächst besonders das Duo Bronner/Qualtinger durch die „Travnicek“-Geschichten losgelöst vom Ensemble der anderen bekannt wurde, etablierte sich später die Zusammenarbeit von Gerhard Bronner mit Peter Wehle, die bis zum Tode Wehles im Jahre 1986 (Qualtinger starb wenige Monate darauf) andauerte. In den gemeinsamen Programmen entwickelte sich eine Form der musikalischen Darbietung, einer szenischen Conference - gepaart mit politischen Apercus - die zu einer nie gekannten kabarettistischen Einheit verschmolz. Die politischen Probleme haben sich im Grunde nicht verändert, warum aber kam dem Kabarett im deutschsprachigen Raum (und nicht nur dort) diese Ausdrucksform beinahe abhanden?

Bronner: Weil diese Form das Cabarets den Protagonisten zuviel abverlangt. Wehle und ich waren nicht nur Komponisten und Autoren, wir spielten beide Klavier, konnten unsere Lieder selbst singen, wir schufen unsere eigene Choreographie, und inszenierten unsere Programm selbst.


Schallplattencover Juli 1959

CAMPO: Schön frühzeitig thematisierten Gerhard Bronner & Peter Wehle die Ereignisse im Nahen Osten und ergriffen Partei für den Aufbau des israelischen Staates. Haben sich die Hoffnungen erfüllt beim Publikum für diesen Prozess Einsichten zu gewinnen?

Bronner: Leider nur zu einem kleinen Teil…

CAMPO:…heißt dies, der größere Teil besteht aus Enttäuschungen? Oder waren die Erwartungen an die Lernfähigkeit in der Anfangsphase vielleicht einfach zu hoch und die Realität hat dann ihren Preis gefordert?

„Die Deutschen Kabarettisten der Dreißigerjahre waren trotz ihrer Warnungen auch nicht imstande Hitlers Aufstieg zu verhindern.“

Bronner: Ins Cabaret kommen großteils die Leute, die wir nicht überzeugen müssen. Im Gegenteil: sie erwarten ihre Meinung bestätigt zu sehen. Ich kam mir manchmal vor, wie Einer, der einer Ansammlung von älteren Damen erklärt, dass Witwenverbrennungen schädlich sind. Die Erwartungen waren daher nicht zu hoch. Kabarettisten müssen damit leben, dass sie zeitlebens gegen Windmühlen zu kämpfen haben. Die Deutschen Kabarettisten der Dreißigerjahre waren trotz ihrer Warnungen auch nicht imstande Hitlers Aufstieg zu verhindern.


Kreislers Schallplattentütenrückseitentext

CAMPO: Es ist kaum denkbar, dass in den heutigen Zeiten der „Political Correctness“, ein Lied wie „Echo aus Arabien“ nicht in Grund und Boden verdammt würde, wird doch darin eindeutig die Gefahr des politischen Islamismus beschrieben. Nun zeigt sich dieser Islamismus nicht mehr unter dem Deckmantel einer pseudosozialistischen „panislamischen Bewegung“, wie sie seinerzeit Nasser ausrief, sondern ganz schnörkellos und brutal, mit allen Elementen, die schon in „Echo aus Arabien“ benannt wurde, - offener Antisemitismus, Postulierung der Vernichtung des Staates Israels, kurz gesagt: Die Fortsetzung von „Mein Kampf“ mit anderen, aber ähnlichen Mitteln! Wie sollte Israel, wie die freie Welt, auf heutige Herausforderungen reagieren?

Bronner: Wenn es nicht einmal die israelische Regierung weiß, wie soll ich es wissen…?

CAMPO: …nun aber wechselt die israelische Regierung ihre Zusammensetzung nicht gerade selten und über den richtigen Weg lässt sich trefflich streiten, doch die Bedrohung des Staates war selten so groß wie heute. Auffallend jedoch ist, dass gerade jene Leute im Westen, die stets den „Schwur von Buchenwald“ floskelhaft reklamieren und angeblich den Holocaust bedauern, keinerlei Solidarität mit den heute lebenden Juden - jedenfalls nicht für das Staatswesen Israel - zeigen.

„Wenn die „humanistischen Friedensfreunde” im Westen mit Israel auch nur einen Bruchteil des Mitgefühls hätten, das sie zur Zeit für den Irak zur Schau stellen, sähe der nahe Osten anders aus.“

Bronner: Wenn die „humanistischen Friedensfreunde” im Westen mit Israel auch nur einen Bruchteil des Mitgefühls hätten, das sie zur Zeit für den Irak zur Schau stellen, sähe der nahe Osten anders aus. Und mit ihm vermutlich die ganze Welt. Zur Illustration: Als Saddam Hussein 1991 seine Scud-Raketen über Israel niedergehen ließ, hat kein Humanist im Westen dagegen protestiert. Ich nehme daher auch den „Schwur von Buchenwald” nicht ernst – eben so wenig wie die „Gutmenschen”, die diesen geschworen haben und sich nun auf die Seite der Terroristen schlagen.

CAMPO: Sie leben abwechselnd in Österreich und in den USA. Registrierten Sie Unterschiede in der Mentalität der Menschen beider Länder, - psychologischer oder politischer Natur?

Bronner: Ein altes Österreichisches Sprichwort sagt: „Wo es Menschen gibt, da menschelt’s”. Die Menschen in den USA unterscheiden sich im Wesentlichen nicht von denen in Österreich. Wo es eine Vielfalt von Meinungen gibt, kann man nicht generalisieren. Hier wie dort gibt es die gleichen Strömungen. Sie reichen von Vernunft und Humanität bis zum latenten (oder offenen) Faschismus.

CAMPO: Leider erfahren wir, die Bürgerinnen und Bürger der „deutschen Bundesrepublik“, ohnehin nicht viel aus österreichischen Landen, da man quasi einen Boykott über das „Schüssel-Land“ verhängte. Lebt es sich unter Schüssel-Regierung anders als vorher? Hat sich etwas zum Vor- oder Nachteil verändert?

Bronner: Natürlich hat sich Österreich unter Schüssel sehr verändert, und zwar zum unübersehbaren Nachteil. Immer mehr unverblümte Reaktionäre kommen in hohe und wichtige Positionen. Die Folgen sind noch nicht abzusehen.

CAMPO: Vermutlich wird sich Gerhard Bronner noch lange nicht zur Ruhe setzen. An welchen Projekten hat er in jüngster Zeit gearbeitet, welches sind seine nächsten Pläne?

Bronner: Ich arbeite zur Zeit an einem Theresienstadt-Projekt, das der jüngeren Generation vor Augen führen soll, was damals geschehen ist. Daneben arbeite ich im Auftrag eines Deutschen Verlages an meiner Autobiographie.

CAMPO: Hat sich Ihre Lebenseinstellung im Verlaufe der 80 Jahre geändert? Welches (vorläufige) Fazit ziehen Sie aus dem bisherigen Dasein?

Bronner: Meine wesentlichste Lebenseinstellung war und ist das “Schwimmen gegen den Strom”. Das ermüdet zwar, aber es stärkt die Arme. Für ein Fazit ist trotz meiner 80 Jahre noch zu früh.

CAMPO: Gerhard Bronner, ich danke vielmals für dieses Gespräch und wünsche Ihnen auch weiterhin alles Gute und viel Erfolg!

Ein lebender Klassiker ist etwas Seltenes, ein rares Exemplar, mit dem im Kunst- und Kulturbetrieb kaum jemand rechnen sollte. Doch es gibt ein paar dieser Spezies, einer von ihnen ist -

Der Dauerbronner

Von Tanja Krienen (aus dem CAMPO Nr. 1)

Als Kind einer Näherin und eines Tapezierers 1922 in Wien geboren, ergriff Gerhard Bronner einen eigentümlichen Beruf: Er wurde – nach eigenen Angaben – Bronner! Nichts als Bronner! Dies aber so gut, wie es keine der Rürupschen „ICH-AG“ werden wird. Bronner zu sein heißt nämlich, alles zu machen, außer vielleicht Hochseilakte vorzuführen oder Formel 1 – Rennen zu fahren, - ganz sicher dürfen wir da aber auch nicht sein. Definitiv jedoch bedeutet es Texter, Pianist, Sänger, Komponist, Kabarettist, Regisseur, Produzent, Theaterdirektor, Drehbuchschreiber, Übersetzer, Buchautor und vieles mehr zu sein. Je älter er wurde, desto vielseitiger geriet der „Beruf Bronner“ und wurde längst zur dauerhaften Institution.

„Heimatlosigkeit und Chuzpe“ seien zwei der prägenden Begriffe für ihn und dies wundert nicht, geschieht es doch selten, dass sich ein 15jährigen Junge gezwungen sieht seine Heimat zu verlassen, um in fremdem Ländern zu überleben , - doch gerade dies geschah. Als 1938 Nazi-Deutschland Österreich okkupierte, verhafteten die neuen Machthaber Bronners Vater, direkt in der Woche nach dem „Anschluss“. Jude zu sein, wurde zum Delikt, mehr noch – zur Abart des Menschlichen. Wer von dieser Sorte war, wurde günstigstenfalls relegiert, ausgeschlossen, abgesetzt – meist aber obendrein verhaftet, gefoltert, vergast. Mit nichts als einem Hungergefühl im Magen, floh der Knabe in die Czechische Republik, von dort nach England und schließlich bis nach Palästina. Hier erlebte er das Ende des zweiten Weltkrieges.

1948 kehrte der erwachsene Gerhard Bronner nach Wien zurück, nun begann seine Karriere als Kabarettist, Autor und…siehe oben. In der zweiten Hälfte der 50er Jahre erreichte das eigentlich namenlose „Wiener Kabarett“ jene Geltung, die es in die vorderste Reihe der deutschsprachigen Ensembles katapultierte. Diese Gruppe recht junger Mitglieder, sorgte in nie gekannter Form für Furore, denn, wie Bronner einmal schrieb: „Wir waren gerade noch jung genug, alles anders machen zu wollen, aber schon erfahren genug, es auch zu können.“

Und wie sie konnten! Helmut Qualtinger setzte hauptsächlich durch Bronners Texte Maßstäbe als „Der Halbwilde“ und „Der g`schupfte Ferdl“, parodierte und spielte sich in allen Variationen die Seele aus dem massigen Leib und fand hier die Form, die er später so echt auf die Bühne brachte, dass der Spiegel des österreichischen Spießers, Philisters und Alltagsnazi, immer das Gesicht des „Herrn Karl“ zeigen wird. Qualtingers letzte Filmrolle im Jahre 1986, war die des auf dem Scheiterhaufen endenden Ketzers in Umberto Eccos „Name der Rose“ an der Seite von Sean Connery, Christian Slater, Ron Perlman und F. Murray Abraham.

Neben Gerhard Bronner selbst, der später mit dem ebenfalls zum Ensemble gehörenden Peter Wehle bis 1986 viele gemeinsame Programme konzipierte, fiel zudem einer besonders auf, der in den folgenden Jahren zum bedeutendsten Vertreter des deutschsprachigen literarischen Kabaretts wurde: Georg Kreisler!

Respektlos karikierte man die Verhältnisse: nicht nur in Österreich; die DDR gerät in der Parodie vom „Volkseigenen Wagner“ zu dem Land, welches der „Meister“, würde er noch leben, wohl gerne mit seinem Bayreuther Kunstgebilde eingetauscht hätte, die weinselige Stammtisch„Gemein“schaft zeigt ihr wahres Gesicht, wenn der Kohn mal gerade nicht anwesend ist; die jugendbewegten, an langer Weile erstickenden Twens, welche die Zukunft mit 30 schon hinter sich haben, verschenken ihr Leben als Halbwilde (Der Marlon Brando mit seiner Maschin), halbtote Monarchisten beschwören Zukuenftiges, möge doch endlich der Kaiser zurück kehren, Altnazi suchen ihr Heil in Argentinien (Sieg Olè); Glocken schwingende Katholiken treiben Dorfgaeste ins Irrenhaus und Couchpotatoes waehnen sich eins mit der Sportlernation: „Beim Sport bin ich immer national, ich kenn keine Objektivität, keine Neotralitaet, weil da bin ich radikal“).

Traditionelle und moderne Formen bildeten hierbei eine neue Kabarett-Qualität, Boogie-Woogie und Jazz-Elemente klangen nicht nur als Zitat an, sondern waren Bestandteil und Stilmittel der Musik, - Rockmusik und Klassik wurden zudem frech parodiert.

Nach dem schrittweisen Zerfall des Ensembles, blieb die Arbeit Gerhard Bronners mit Peter Wehle ein zentraler Punkt seines Schaffens, zu dem immer stärker Musical-Überarbeitungen und z.B. Übersetzungen von Kishon-Satiren in den Vordergrund rückten.

Die Texte wurden besonders konkret politisch, wenn das Thema „Naher Osten“ zur Sprache kam –

„Jeder baut was, auch wenn´s noch so staubt,
Auch wenn ringsum lauter Wüste ist.
Wer in dem Land, nicht an Wunder glaubt,
Gilt dort nicht als Realist.“ –

stellte das Team Bronner & Wehle schon 1962 in einem Lied über Israel fest und -

„Es gibt viel Soldaten, denn man braucht dort eine Heeresmacht.
Die hab´n den großen Arienachweis sicher nie erbracht.“ -

- das Fazit lautete damals, -

„Keiner weiß was er dort noch alles bau´n und pflanzen wird.
Aber er weiß, dass so der Weg vom Fast zum Ganzen führt,
Drum sind die Zores in dem Land auch keine Last!“

Gamal Abd el Nassers Panislamismus werteten Bronner & Wehle sehr früh als große Gefahr für den Staat Israel und sangen fünf Jahre VOR dem Sechs-Tage-Krieg, im Song “Echo aus Arabien“

“Ja, er löst mit jeder Rede seiner Völker Krampf: a` Krampf!
Und er hat ein Vorbild bei dem ungestümen Kamp: Mein Kampf! –
Und es gibt ein Fazit nur:
Alle Welt ist Nasser-freundlich, übersieht die Nazi-Tour“
Nasser sagt: Ich gebe immer nach wie ich beton: Beton!
Mich stört auf der Welt nur eine einzige Nation: Zion!
Lange schon hängt der Weltenfrieden, hier an einem sehr gut geölten Hahn.
Nasser sagt: Ich hab mich entschieden, dass ich nur nationale Wege fahr: Gefahr!“

Seit 1988 lebt Gerhard Bronner dort (im Wechsel mit Wien), wohin er Ende der 30er Jahre aus finanziellen Gründen nicht kam, - in den USA! Wie schön, dass sich die Zeiten geändert haben. Wenigstens in diesem Punkt.


Gerhard Bronner und Helmut Qualtinger Anfang der 60er Jahre in einer Travnicek-Szene

1 Kommentar »

  1. Verschlungener Lebensweg
    Gerhard Bronner: Spiegel vorm Gesicht. Erinnerungen

    Von Wolfgang Stenke

    “Ich blieb und lernte weiter. Zum Beispiel Wiener Gemuetlichkeit. Es war im März `38. Zwei Hitlerjungen haben mich furchtbar verdroschen, und der Wachmann, den ich zu Hilfe rief, sagte: ‘Na ja, Du wirst sie wahrscheinlich gereizt haben.’

    ‘Ja bist denn Du schon steuerpflichtig?’ wollte der Beamte wissen. ‘Nein, ich bin erst 15 Jahre alt.’ ‘Ja, da muß Dein Vater kommen und den Nachweis einreichen.’ ‘Bitte, das geht nicht.’ sagte ich. ‘Warum soll das net gehn?’ ‘Weil mein Vater im KZ Dachau ist.’ ‘Ja, da mußt halt warten bis er wieder rauskommt.’ Verzweifelt fragte ich: ‘Bitte, wovon soll ich bis dahin leben?’ Da sah mich der Beamte mit einer durchdringenden Freundlichkeit an und sagte: ‘Hat Dir ja keiner g’schafft, dass Du leben sollst!’

    1948 verlässt Bronner mit Frau und Kind Israel, um nach London zu gehen.

    In Wien macht er auf Bitten seiner Frau Station, um die Schwiegereltern kennenzulernen, die vor dem Holocaust nach Shanghai geflohen waren. Bronner arbeitete beim Sender Rot-Weiß-Rot, den die amerikanische Besatzungsmacht gegen die Radiostation der Sowjets installiert hatte. Außerdem spielte er in einer Bar Klavier. Mit einem Stammgast freundete er sich an. Eines Abends war dieser Gast sichtlich bedrückt. Bronner fragte nach dem Grund:

    ‘I muß aus meiner Wohnung ausziagn. Weil der Jud, dem die früher gehört hat, ist zuruckkomm’n. Er will’s jetzt wiederham.’ - Ich enthielt mich einer Aussage. Er brütete still vor sich hin. Plötzlich sagt er folgendes: ‘Is des net a Pech, hörst. Soviele Juden ham’s derschlagen und ausgerechnet meiner muß zuruckkommen.’ Das war der Moment, wo ich überlegt hab’, ob ich da richtig bin, ob’s für mich eine Zukunft gibt in dieser Stadt.

    Qualtinger war ein schauspielerisches Genie, das leider unmäßig trank, in seinen schlechtesten Zeiten auf 160 Kilo anschwoll und im Suff die Texte vergaß.

    Da hatte ich eine seltsame Idee: Ich hab’ ein Sauflied geschrieben, als Rolle für ihn in unserem nächsten Programm, weil, ich hab’ mir gedacht, wenn er ein Lied zu singen hat, wo alle Scheußlichkeiten des Saufens besungen werden, wird er sich vielleicht ändern.

    Zumindest während dieses Programms, so behauptet Bronner, sei Qualtinger trocken geblieben.

    Auf die Dauer aber half die musikalische Entziehungskur nicht - Qualtinger - Spitzname: Quasi - starb schon 1986, im Alter von 58 Jahren. Ein Partner, der, wie Bronner ein wenig verärgert anmerkt, stets dazu neigte, im Laufe der Zeit die Texte, die man ihm schrieb, als die eigenen auszugeben. Mittlerweile ist Qualtinger zu musealen Ehren gelangt: “Quasi ein Genie” hieß die Gedenk-Ausstellung, die das Wien-Museum ihm ausgerichtet hat. Doch während Qualtinger ein Fall für die österreichische Erinnerungskultur geworden ist und Georg Kreisler sich ins Basler Exil zurückgezogen hat, trifft man Gerhard Bronner mit seinen 82 Jahren in der Wiener Broadway Bar oder auf Tournee bei der Präsentation seiner Autobiographie - immer im Dialog mit dem Publikum:

    Wissen Sie, was da so stattfindet, ist ein Ping-Pong-Spiel zwischen Bühne und Publikum. Der Mensch auf der Bühne kann immer nur ‘Ping’ sagen, wenn von Ihnen kein ‘Pong’ kommt, dann steht der Mann auf der Seife und kann sich heimgeigen lassen. Und ich muß Ihnen ein echtes Kompliment machen: Ihr ‘Pong’ war großartig.

    Gerhard Bronner
    Spiegel vorm Gesicht. Erinnerungen
    Deutsche Verlags-Anstalt, 267 S., EUR 19,90

    Kommentar von Campo-News — 29. Juli 2005 @ 11:30

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