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21. Juli 2005

Raucher

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 18:18

Fünf Miniaturen

Armut

Es klingelte. Seine tiefgelben Finger drückten schnell den klein gerauchten Stummel nur so weit aus, wie es nötig schien, eine Rauchfahne zu erschaffen, welche aber nun imstande war, einen Lagerfeuerplatz zu imaginieren, der so roch, als seien ein paar nasse Zweige auf den Haufen geworfen, um, statt zu brennen, langsam verkohlen zu können, jedoch so - für einen weiteren kleinen Moment - den schönen, brandigen Geruch herstellte, den zu inhalieren für ihn die größte Freude ist. „Hab ja kein Geld mehr, muss das jetzt immer ganz zu Ende rauchen. Ist auch sehr ungesund dadurch.“

Es klingelte noch mal. „Das Taxi“, rief er zu seiner Freundin: „komm“. Beide stürzten die Treppe hinunter. „Wer weiß, wie lange wir uns das noch leisten können? Die machen mit uns ja was sie wollen.“

Feinstaub

„Rettet unsere Städte“, schrie sie den schnell vorübereilenden Passanten schrill in die Ohren, „Auschwitz ist überall. Rettet unsere Städte!“ Ihre Stimme war hörbar heiser.

„Hast du mal ´ne Zigarette?“ fragte die langhaarige Kreatur unbestimmten Geschlechtes drei Meter neben ihr. „Mit oder ohne?“, es grinste. „Ey, bist du beknackt, jetzt is´es doch noch viel zu früh dafür. Gib schon!“ Die Kreatur kramte in der Tasche und fingerte nach und nach eine ölige Fahrradkette, einen Dildo und ein Päckchen Tabak heraus. Ein Exemplar einer halb zerknüllten „SM“-Ausgabe folgte zuletzt. Es drehte seiner Mitstreiterin eine Zigarette und gab sie ihr.

„Feuer?“, fragte sie. Sie steckten die Köpfe zusammen, der Rauch, der vertraute, stieg auf. Das „Ey-du-fühlst-du-es-auch-so-wie-ich-du-Gefühl?!“ verband ihre Lungen, ihre Herzen, ihr Hirn. Sie rieben sich aneinander und den Rauch ins Ohr, in die Poren. Sie waren eins. So wie damals, als alles begann. Samstagnachmittagsdemo-Sonnen-Wonne. Mädchenzimmer, Peace-Poster, Grönemeyer-Platte, Mutter wartete mit dem Essen. Reagan, der böse Sheriff, räumte ihre Ideale hinweg.

„Auschwitz ist überall. Rettet unsere Städte“, noch einmal schrie sie es so laut sie vermochte. Die Kreatur packte alles wieder in die Tasche, auch den toten Vogel, den es am Bordstein fand und den es, so hatte es sich überlegt, zu Hause solange streicheln wollte, bis es sicher sei, dass er, der Vogel, wirklich nicht mehr lebe.

„Hab´ kein Bock mehr.“, sagte sie nach einer Weile. Is´ irgendwo nix los. Ich hau ab.“

„Ich komm´ mit“, sagte die Kreatur. Sie packten die übrig gebliebenen Flugblätter und gingen. An der nächsten Straßenecke standen drei Personen vor einem Info-Stand „Für das werdende Leben. Stoppt die Abtreibung!“

„Kuck da – Faschos“, raunte die Kreatur. „Faschos raus!“ schrie sie die verängstigt schauenden Menschen an, „Alles Fascho-Dreck!“ Die Kreatur nickte heftig. Sie gingen weiter.

„Soll ich dich mitnehmen?“, fragte sie. „Oh ja, das wär´ Klasse. Hast du immer noch deine geile Kiste?“ „Claro“, sagte sie, müsste eigentlich längst zum TÜV, aber dat Ding hat keine Chance mehr.“ Sie standen nun vor einem alten bunten Volkswagen, Marke Käfer. „Nix wie rein“, sagte sie, „und das ordentlich Gas gegeben, weißte, lange kann ich das hier nicht machen, dann kommen die Bullenschweine.“

Sie ratterten ab.

„Ich sehe was, was du nicht siehst“, lachte der kleine Junge mit dem Burger in der Hand, und versprach einem Mädchen ohne Gummireifen spontan, nie mehr Grönemeyer zu hören.

Die ökologische Konsequenz
3 SAT, 4. Juli 2002

Die ökologische Konsequenz trägt eine weiße Jeans und einen lilafarbenen Sweater zu den offenen Sandalen. Sie, die Schweizerin, fuhr als Ökoaktivistin nach Transsylvanien, um dort einen Freizeitpark zum Thema DRACULA zu verhindern. Die Umwelt, so sagt sie den armen, rings um sie stehenden und staunenden rumänischen Bürgern, die doch so viel Hoffnung in das wirtschaftlich interessante Projekt legten, sei in Gefahr. Sie redet sich heiß und vergisst dabei beinahe, die kalte Asche der Zigarette in Ihrer Hand, auf die saubere karpatische Erde abzuschlagen.

Macht

„Ich stelle fest“, meinte die junge Frau, zog dabei den Rauch durch die Nase, puffte ihn langsam wieder aus, nestelte an den langen Spangen, mit denen sie ihrem zopfigen Dutt auf dem Kopf befestigte und sprach dann gepresst unter den Tisch: „Wir können das Problem hier nicht klären. Ich stelle einen Antrag auf Beendigung der Debatte.“ – und dabei meinte sie doch nur: „Ich kann mich inhaltlich nicht durchsetzen, habe schlechte Argumente, aber Hunger, Durst, keine Zigaretten mehr, telefonieren müsste ich auch mal und weiß Gott keinerlei Ahnung wovon die hier eigentlich reden; aber Macht, ja die Macht habe ich – schließlich gibt es sie nicht umsonst: Die Quote!“

Die Wiederkehr des Immergleichen

Nietzsches Postulierung der „Wiederkehr des Immergleichen“ war sein größter philosophischer Fehler. Wäre er doch bei der Beschreibung wiederkehrender ÄHNLICHER Momente geblieben, so, wie er den Hund beschrieb, den er „um Hilfe schreien“ hörte – wie schon einmal, damals, in der Kindheit. Die Phantasie aber, alle Materie der Welt könne und müsse noch einmal und zwar exakt so - in gleicher Art und Weise – die Geschichte wiederum ablaufen lassen, gehört zu den Ideen, die man dem Bromwasser bei gleichzeitigem Haschischkonsum zu ordnen muss – es macht den Kopf schläfrig und halluziniert! Es ist nichts als eine Schrulle – gottlob.



Wilhelm Busch, Max und Moritz, Buch und Zeit

1 Kommentar »

  1. Zu Nr. 2: Es scheinen die 70000 Feinstaub-Opfer nur eine 7% Wahrheit zu sein.Wie überall in der derzeitigen Politik.

    Kommentar von Campo-News — 5. Januar 2008 @ 13:53

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