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30. April 2005

Regenzeit

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 13:08

Von Holger Uske

Vielleicht lag es am Regen, der unaufhörlich fiel. Durch das angekippte Fenster drang Rauschen herein und unablässig Plätschern aus der Fallrinne von nebenan. Ich brauchte gar nicht nachzusehen, wie das Wetter war. Ich hörte es vom Bett aus.

Vielleicht lag es daran, dass ich aufstand wie jeden Morgen, meine paar Übungen gegen die Müdigkeit machte. Als ich zurück in den Schlafraum kam, sagte Sara halbwach zu mir: du musst aufstehn, der Wecker hat schon zweimal geklingelt. Jemand räkelte sich neben ihr und murmelte: ich will nicht, bei dem Wetter. Wer lag da neben ihr, seine Hand womöglich dort, wo meine allmorgendlich nachzusehen pflegt, wie die Wetterlage bei ihr ist. Jetzt schubste sie denjenigen. Ich spürte den Stoß in der Seite, aufstehn, wiederholte sie. Aber ich bin doch, sagte ich leis, worauf sie sich zufrieden auf die andere Seite rollte und weiterschlief.
Ich sah mich vor mir stehen, halb angezogen, ich sah mich unter der warmen Decke dösen, und verstand die Welt nicht mehr. So also ist das nach einer Woche Wetterfühligkeit, dachte ich, und beschloss, die Dinge anzunehmen, wie sie waren. Ich konnte ganz normal meinen Kaffee kochen. Ich konnte aber auch meine Hand ganz langsam hinüber zu Sara gleiten lassen. Wenn sie schlief, war vieles möglich. Nur munter werden sollte sie nicht, dann hätte ich doch ganz zur Arbeit gehen müssen. So ging ich halb.

Niemand schien etwas zu bemerken an mir. Es waren die üblichen Schuhe, der Mantel zu dieser kalten Zeit jahrüber. Früher hieß das Winter, und Regenzeit, lernten wir einst, war dem subtropischen Sommer zugeordnet. Trapp, Schuh, trapp. Das Schulmädchen grüßte wie immer auf jenem Stück Weg, wir waren beide pünktlich heut´. Ein Blick zur Seite. Beinahe schwindlig wurde mir dabei. Ich hörte deutlich die Fahrzeuge vorm Fenster, ich war daheim. Ich träume, sagte ich mir, ich biss mir auf meinem Weg in die Hand. Es tat weh. Unter der Bettdecke rieb ich mir die Hand. Mir träumte, ich liefe, bisse mir in die Hand. Ich drifte weg, kam mir in den Sinn, vielleicht hebe ich ab und kann fliegen. Auch gut. Aber ich flog nicht. Während ich das Zentrum der Stadt erreichte, stand Sara neben mir auf, rüttelte mich. Was ist? Ich nehme frei, antwortete ich, und war schon fast im Büro. Überstunden? Gibt´s das denn wieder? Ja, sagte ich einfach, wir dürfen jetzt wieder abbummeln. Wegen des Wetters, was?, lachte sie. Streifte ihr Nachthemd ab. Sie wusste, wie sehr ich das mochte. Erst eine Schulter, dann die andere frei, und dann tiefer und tiefer. Ich erreichte das Büro. Gemein, jetzt auf Arbeit anzukommen, während zu Hause das andere Wetter zu wirken begann. Aber ich war es selbst, der Sara in die Arme nahm und ihre Hände auf meinem Körper genoss. Ich fand das Schlüsselloch nicht gleich, die Tür sprang auf. Die Mitarbeiter sahen mich an wie immer. Bist bisschen zerzaust heut, sagte Natalie, fuhr mir durchs Haar. So ist´s besser. Im selben Moment strich mir Sara durchs Haar, hielt mich umschlungen. Schönwetter war. Das hieß: wer hält länger aus. Ich schaltete den Computer ein. Ich hielt still. Ich hackte Befehle in die Tastatur. Ich zog mit meinen Fingernägeln sacht Spuren in Saras Rücken. Schwerer Ausnahmefehler, blinkte der Bildschirm, als ich kam.

Jetzt müssen wir aber. Saras Stimme vermischte sich mit jener des Chefs im Rücken. Wir müssen. Halb-Ich gab Zahlen ein, folgte den Befehlen vom Schirm. Halb-Ich wärmte in der Küche noch lauwarmen Kaffee wieder auf und goss ihn ein.. Halb-Ich tanzte auf den Tasten. Halb-Ich sagte Sara Adieu, die zu ihrer Arbeit ging. Während vorm Haus unser Auto brummte, holte ich mir im Büro eine Tasse Tee. Während ich das Buch vom Abend hernahm und mich vertiefte in die Kunststile Europas, grüßte Bill Gates vom Bildschirm mit wehenden Fahnen. Starten Sie neu. Was, wenn es immer so weiter ginge. Ich startete neu. Bliebe am PC sitzen und verließe doch den Raum. Säße an meinem Schreibtisch daheim und ginge vors Haus. Viertel-Ichs durchmäßen die Stadt. Einer fragte: wieso bist du hier, ich sah dich doch eben-

Ichs. Wohin ich mich wendete: Ichs. Ich grüßte mich draußen. Ich stellte eine Mannschaft auf: lauter Achtel-Ichs. Und spielte so grottenschlecht wie allein. Sicher fängen sie mich von der Straße weg: hier läuft ´was nicht, Freundchen, hier geht´s nicht mit rechten Dingen zu. Haben Sie das ordnungsgemäß beantragt -

Gottlob war ich noch nur zu zweit. Einer sorgte für den anderen. Einer schaffte, dass der andere arbeiten konnte. Der gewöhnliche Riss im Innern. Nur, dass die anderen nicht so auseinander drifteten. Na, sagte Sara, hörte ich Natalie. Na, grinste der PC, fragte es aus meinen Büchern, was ist mit dir, bist du nur halb heute drauf?

Vielleicht lag es am unaufhörlichen Regen. Der Boden weichte auf. Die Haut, so oft den Freiluft-Duschen, den harten Mänteln ausgesetzt, wurde dünn. Ich schien der einzige zu sein, der dies alles annehmen konnte. Einer von mir war im Trocknen, während der andre im Regen stand: ich war nicht allein.

Der Regen lässt nach. Ich klingle an der Tür und öffne mir. Na du, sag ich, und komm wieder zu mir. Ich habe den freien Tag nicht gebraucht. Europas Kunststile liegen da, als hätte ich sie nie zur Hand genommen. Nur in Saras Augen glimmt das Erinnern. Wann wirst du wieder zweimal kommen können.

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