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7. April 2005

BRUNO GANZ SANFT

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 11:04

Auch aus Steuergeldern finanziertes, ehemals „episches Theater“, wird nicht so leicht begriffen, schon gar nicht empfunden, wie ein aktueller Fall wieder beweist.

Soeben noch brillierte der Schauspieler Bruno Ganz so sehr in seiner Rolle als Hitler auf der Titanic, dass manche von einer gespenstisch realen Darstellung sprachen. Das scheint ihm nicht gut bekommen zu sein, kann er doch nun nicht mehr zwischen „Spiel“ und „Sein“ unterscheiden.

Und dabei hatte doch alles zu harmlos angefangen. Claus Peymann, Chef des ehemaligen Brecht-Hauses „Berliner-Ensemble“, engagierte den Mimen für das Stück „Schändung“ – eine Bearbeitung Shakespeares Tragödie „Titus Andronicus“, die von keinem geringeren als Botho Strauß extra Ganz auf den schwerfälligen Leib geschrieben wurde.

So probte man, und probte – vier Wochen lang, bis Ganz plötzlich offenbarte, nun, nach Hitler, könne er wohl doch nicht den blutrünstigen Titus spielen. Es sickerte durch, „Bruno“, sei „die Montrosität von Titus einfach zu viel“ geworden. Peymann erklärte, die Proben seien nach vier Wochen „in Freundschaft und gegenseitigem Respekt“ abgebrochen worden.

So sieht es aus: den Hitler bringt man locker, die Klassiker können selbst mit Abstand nicht gespielt werden. Macht ja nix, solange jemand die schöpferischen Pausen und Arbeitsversuche bezahlt und man sich milieugerecht „in Freundschaft und gegenseitigem Respekt“ trennt.

Es wird kommen der Tag, da die guten Menschen Sturm gegen die Darstellung der „Blutrünstigen“ laufen werden, da sie meinen, dies sei niemandem mehr zuzumuten. Der Tag wird kommen, dessen können wir gewiss sein, da man ins Theater gehen wird, um den Schauspielern, die es dann auch nicht mehr sind, beim Blumenpflücken zuzusehen. Die ganze Bühne ein Meer mit Blumen, und alle sitzen mittendrin, schweigen, lächeln und pflücken.

Stopp! So einfach Blumen quälen, ihre Köpfe abreißen, ihre Stängel zerfleddern, sie vielleicht gar in Vasen dahin vegetieren, schließlich erbarmungslos sterben zu lassen – das geht nicht, höre ich da jemanden sagen. Tatsächlich, es ist zu vermuten, dies wird der Theaterskandal des Jahres 2010, ich sehe schon die Schlagzeilen vor meinem geistigen Auge: „Wer stoppt den Wahnsinn auf der Bühne des Deutschen Theaters? 100 Blumen während der Vorstellung gepflückt! Auschwitz mitten unter uns! Frau Roth: Wo steckt der Regisseur? Ich war immer gegen die Todesstrafe, aber was zuviel ist, ist zuviel.“

Das Fallbeil rauschte hinab, sein Grab blieb blumenlos.

Tanja Krienen

2 Kommentare »

  1. Das passt dazu - http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/kommentar-tannhaeuser-absetzung-in-duesseldorf-ist-ein-skandal-a-899176.html

    Kommentar von Campo-News — 10. Mai 2013 @ 18:53

  2. Wir hören, in Düsseldorf sei die Tannhäuser-Aufführung abgesetzt, weil sich mindestens zehn Sensibelchen von der „Nazi-Symbolik“ so geschockt zeigten, dass sie sich in Behandlung begeben mussten. Von welchem Planeten stammen die? Man vergleiche übrigens damit Mel Brooks „Frühling für Hitler“ aus dem Jahre 1968. Jedenfalls, bereits im April 2005(!) beschrieb ich, was zwangsläufig daraus folgt -
    „Es wird kommen der Tag, da die guten Menschen Sturm gegen die Darstellung der „Blutrünstigen“ laufen werden, da sie meinen, dies sei niemandem mehr zuzumuten. Der Tag wird kommen, dessen können wir gewiss sein, da man ins Theater gehen wird, um den Schauspielern, die es dann auch nicht mehr sind, beim Blumenpflücken zuzusehen. Die ganze Bühne ein Meer mit Blumen, und alle sitzen mittendrin, schweigen, lächeln und pflücken.
    Stopp! So einfach Blumen quälen, ihre Köpfe abreißen, ihre Stängel zerfleddern, sie vielleicht gar in Vasen dahin vegetieren, schließlich erbarmungslos sterben zu lassen – das geht nicht, höre ich da jemanden sagen. Tatsächlich, es ist zu vermuten, dies wird der Theaterskandal des Jahres 2010, ich sehe schon die Schlagzeilen vor meinem geistigen Auge: „Wer stoppt den Wahnsinn auf der Bühne des Deutschen Theaters? 100 Blumen während der Vorstellung gepflückt! Auschwitz mitten unter uns! Frau Roth: Wo steckt der Regisseur? Ich war immer gegen die Todesstrafe, aber was zuviel ist, ist zuviel.“
    Das Fallbeil rauschte hinab, sein Grab blieb blumenlos.

    Kommentar von Campo-News — 11. Mai 2013 @ 08:27

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