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15. Juni 2014

Gerd Wollschon (Floh de Cologne) ist tot

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 11:08

Gerd Wollschon (Floh de Cologne) ist tot

gerd-wollschon005.jpg

Anmerkungen zum Foto (KH Fleischhauer) ganz unten*

Persönlich lernte ich Gerd Wollschon* am 12. Februar 2002 kennen, als er im deutsch-spanischen Publikum in Altea (Comunidad Valencia) saß, während ich aus dem Buch „Die Ausbürgerung“ las. Ehedem war es umgekehrt, denn ich kann ihn, resp. sein Werk, schon seit den frühen 70er Jahren und erlebte seine Band „Floh de Cologne“, für die er alle frühen Texte schrieb, auf Schallplatte oder live auf der Bühne. Gerd Wollschon verließ die Band 1976. Sein Kollege Vridolin Enxing schrieb dazu 1984 nach der Auflösung der Truppe: >Wollschon war der eigentliche Initiator des Floh de Cologne, damals, 1965 und 1966, im Theaterwissenschaftlichen Institut der Universität Köln….Vor knapp acht Jahren ist Wollschon ausgestiegen. Ein Bündel von Gründen habe es gegeben, sagt er. Auch den, daß er „gegen die zu dichte Anlehnung an eine bestimmte Partei” gewesen sei.“< Ja, tatsächlich konnte er, der eigentlich mehr Satiriker als Musiker war, dem Dogmatismus nicht unbegrenzt folgen und unterschrieb die Protestliste von Günter Wallraff gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR – deshalb interessierte er sich ja auch an jenem Tag für meine Lesung.

Gerd Wollschon lebte mit seiner Frau Saskia ein paar Jahre in der Karibik, nun waren sie – wie ich – in Spanien gelandet. In Deutschland sahen sie ihre politische Aufgabe in den 70er und 80er Jahren erfüllt, als sie Satirebücher mit Texten von Hannes Wader, Hennig Venske, Hanns Dieter Hüsch, Franz-Josef Degenhardt oder Dieter Süverkrüp veröffentlichen. Beide blieben der Kunst treu und veranstalteten Literaturabende im eigenen, wunderschönen Haus in der Altstadt von Altea, 200 Meter vom Meer entfernt. Dort führte Saskia gekonnt durch die Veranstaltungen, Gerd las aus seinen Satiren, einige Musiker sorgten für Unterhaltung, und, ja auch ich trat mit einem Text auf. Im Oktober 2002 gewannen Saskia und ich einen Literaturpreis mit jeweils einer eigenen Geschichte, den „Primer Concurso Literario de La Costa Cultural de Alfaz del Pi“. Saskia war schon zu dieser Zeit so angeschlagen, dass Gerd ihren Text für sie vortragen musste. Nach Saskias immer schwerer werdenden Krebserkrankung, dem sich anschließenden Tod im Jahre 2004 und meiner Rückkehr nach Deutschland, verlor ich Gerd Wollschon aus den Augen.

Seine Texte hatten mir in der Jugendzeit über mancherlei Frust hinweggeholfen. Wenn ich während der Elektroausbildung in der schmutzigen Halle Kabel verlegen, schweißen oder Lampen und Anlagen installieren musste, vor Dreck und Gestank kaum atmen konnte, halfen mir Sprüche wie „Die CDU ist für Sicherheit – aber nicht am Arbeitsplatz“ oder „Der Arbeiter heißt Arbeiter, weil er arbeitet. Der Unternehmer heißt Unternehmer, weil er etwas unternimmt. Würden die Arbeiter etwas unternehmen, müssten die Unternehmer arbeiten“, über so manch trübe Stunde hinweg. Auch war Gerd Wollschon einer der Wenigen, die den Mord an den Juden thematisierte, wie z.B. in der „Geyer-Symphonie“, der satirischen Aufarbeitung der Totenfeier des Industriellen Friedrich Flick: „Der Geyer hatte Milliarden auf dem Konto und Millionen auf dem Gewissen…Sein Tod kam für Viele zu spät.“ Nach seiner Zeit als Floh arbeitete Gerd Wollschon auch für das Fernsehen, so schrieb er z.B. Folgen der ersten deutschen „Sitcom“ „Goldener Sonntag“, mit Hanns Dieter Hüsch in der Hauptrolle.

Mit Gerd Wollschon ist einer der erste der „Flotten-Sprüche-Klopfer“ gestorben – schon im September 2012. Jeder kennt seine Sprüche, auch wenn man nicht weiß, dass sie von ihm sind. „Lieben tut man so lange man jung ist, später heiratet man.“ Das schrieb er, als er mit seiner Saskia schon längst verheiratet war, denn sie hatten früh, wenn ich mich nicht irre schon 1966, den Bund fürs Leben geschlossen, der auch bis zum Ende halten sollte. Schändlich, dass es bisher keinen Nachruf auf Gerd Wollschon, den immer langhaarigen, unangepassten und für Deutschland in den 60er und 70er Jahren so wichtigen Satiriker gab. Dies sei hiermit geändert. Wer holt nun die Mütze Saskias ab, die noch immer bei liegt?

*  Während der Reise in die Vergangenheit, beim gemeinsamen Essen im linken, resp. kommunistischen Restaurant „Casa Pinet“ von Jerónimo Pinet (dem ich eine Ernst Busch-CD mit Lieder aus dem spanischen Bürgerkrieg schenkte). Als Gegenleistung erhielt ich aus seiner Hand eine Flasche roten Wein). Der 1937 geborene Pinet hatte als Dreijähriger kurz nach dem Krieg mit einer Bombe gespielt und eine Hand verloren.

 Gerd Wollschon 1969 mit den Flöhen, der, mit dem entblößten Oberkörper.

2 Kommentare »

  1. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40605903.html
    https://www.fernsehserien.de/gerd-wollschon/filmografie

    Kommentar von Campo-News — 2. Dezember 2015 @ 16:37

  2. http://trauer.nordsee-zeitung.de/gedenken/helga-marie-gogol/19612131

    Ab 38:25 https://www.youtube.com/watch?v=DvxRVKI97c0

    So kamen wir vom Hölzchen aufs Stöckchen. Und auf einmal, wir wissen schon nicht mehr die Spur zurückzuverfolgen, klickte sie auf einen Video-Podcast auf der Webseite der Neuen Rheinischen Zeitung vom 10. Januar dieses Jahres, in dem ein netter mittelälterer Herr einen quasi historischen Bericht übers “Floh de Cologne” ankündigte. Während meiner Jahre an der Uni Köln kam man um das freche Studentenkabarett nicht herum; schon in meinem ersten Semester, Frühling 1966, verstellten sie mir am Eingang der Mensa lautstark den Weg. In den Siebzigern, als Gerd Wollschon, Hansi Frank und Genossen ihr Studium längst dem SDS geopfert hatten und sie ihren anarcho-sozialistischen Klamauk landesweit profitabel vermarkteten, übernachtete der eine oder andere Floh gelegentlich bei mir am Berliner Savignyplatz. https://www.achgut.com/artikel/grabschen_nach_uschi_obermaier

    Kommentar von Campo-News — 8. Mai 2016 @ 17:14

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