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4. Februar 2010

Musik-Tipp: Bally Prell

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 07:28

Ein paar Parallelen zu Susan Boyle drängen sich auf, doch gottlob sang Bally Prell (1922-1982) lang bevor Talentschuppenwettbewerbe zur unangenehmen Veranstaltung mutierten (den Text dazu habe ich noch mal angehängt). Dort, wo der Trashfaktor ins Spiel kommt, wirkt sie, die beinahe wie ein ER auftrat, am Wenigsten überzeugend, wohl auch, weil wir aus heutiger Sicht wissen, wo die Koketterie mit dem Schrillen endete, weil man sogar die Parodie zu Schanden ritt.

 

Der Trikont-Verlag bemüht sich seit Jahren um die Pflege vor allem der bayrischen Musik und deshalb sei einmal auf die kaum bekannte Bally Prell hingewiesen. Ein Musikvideo mit einem herrlichen Stück kann hier angesehen werden. Ihre Qualitäten sind beeindruckend und das unterscheidet sich schon von heutigen „Talenten“. Danken wir Gott, dass sie nicht in die Kommerzmaschinerie geriet, wohl auch, weil sie selbst mögliche Sprünge scheute, als es ihr angeboten wurde (man lese dazu die Beipackschrift).

 

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DSDS – Deutschland sucht den Superstar (geschrieben 2005)

Was als „Trash“ bezeichnet wird, stimmt den Unbefangenen meist wunderlich, da die vereinbarte Toleranz kaum mittelmäßig Begabter nur den nicht abzustoßen vermag, für den der gewöhnlich laue laute Spaßevent – geboren und erwachsen aus Drogen, Alkohol oder einer chronischen Fehlfunktion der Hirnanhangdrüse – einer Widerspiegelung seines eigenen lauen lauten Daseins entspricht. Doch das DSDS – Format der Casting-Sendungen befriedigt die Wünsche der sich Produzierenden nur selten, weil die Prozenten der Sendung jene Psychologie der Massen besser kennt als die Masse selbst, deren einer großer Genuss zwar in der Selbstinduktion liegt (die ganz nach Lenzschen Regel „Der induzierte Strom ist immer so gerichtet, dass sein Magnetfeld der Induktionsursache entgegenwirkt“ funktioniert, und eben deshalb oft anders ausfällt, als der Proband denkt), aber vor allem der menschlich, allzumenschlichen Tatsache geschuldet ist, dass sich der Konkurrent an der Zerfleischung des Nebenmannes mehr ergötzt, als an seinen eigenen Erfolgen. Nun gibt es Niederlagen, die man dem von ganzen Herzen gönnen kann, der stillschweigend den Trash-Faktorschutz für sich beanspruchend, keinerlei Zweifel aufkommen lässt, er habe außer Talent auch noch Kreativität, und dies in optischen und akustischen Publikums-Quälereien, talent -, sowie auch kreativlosen „Einlagen“ so zum Besten gibt, auf dass der berühmt berüchtigt herumstehende Sandsack, als ein tollkühnes Bewegungsmuster erscheint. Das ist der Moment, da man sich neben Bohlen nur noch einen Effenberg herbei wünschen kann, um die Dinge gerade zu rücken, die zuvor gar nicht standen und danach auch zu Recht nie mehr zu sehen sind.

Nun hat es ja durchaus etwas für sich, dass der TV-Talentschuppen früherer Jahre, durch ein moderneres Format ersetzt wurde, da nicht ständig verkappte Reinhard Mey-Imitatoren und Hekatomben von Michael Heltau oder Knut Kiesewetter-Verschnitten von der Straße weg gefangen und eine wenig variable Miene zum kurzen 3 Minuten-Spiel zu machen imstande waren. Wer hätte sich also nicht, damals, als die Tingelei durch Beat-Schuppen und Vorstadtbühnen unbedingte und alleinige Voraussetzung für den Erfolg waren, eine Fernsehbühne gewünscht, bei der man von 0 auf 100 in kurzen Augenblicken katapultiert werden könnte? (Sehen wir einmal davon ab, dass auch schon vor 40 Jahren eine Gruppe wie „The Monkeys“ am Reißbrett geplant zum Erfolg imaginiert wurden und nicht erst „Milly Vanilly“ nicht selbst sangen – weshalb mich der daraus folgende Skandal sehr überraschte, war es doch nichts anderes als das, was man sich schon um das Jahr ´67 herum von den Archies erzählte). Doch eine Alternative zum jetzigen Marktplatzgeschrei, zur Einseitigkeit neuerer Darbietungen – ja, die wünschte man sich doch. Und zwar sehr.

Der vorhandene Mangel der Jugend, keine oder nur wenige wirklich mitsingbare UND inhaltlich einen Ansatz von Anspruch habende Lieder zu besitzen, müsste bekannt sein. Wenn dieser Umstand aber dazu führt, dass die mit imitiertem und letztlich einer Abart des auch früher schon musikalisch nicht unbedenklichen Soul herausgeröhrt, gequiekt, geschrieen, gekreischt, gestöhnt, gequetscht und gemülleimert werdenden, ganz wertfrei Töne genannten Laute, gleichzeitig Textinhalte transportieren, gegen die jedes Schunkelattentat des Volksmusiknetzwerkes wie eine kulturelle Offenbarung hochgeschätzter Klassiker wirken, dann kommt zum Bedenklichkeitsfaktor noch der Wille zum Abschalten hinzu. Doch Vorsicht: Bei DSDS entginge dem Zuschauer dann das, was man z.B. nach einem Kevin Kuranyi – Werbefilm nie bekommt: ein bisschen von den Schokoladenseiten des Lebens, die da heißen Emotion, Glück und – das Leben selbst!

Wer nur an Küblböck denkt, sollte sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass eben dieser Trashartikel nicht das ist, was die Guten unter den Hoffnungsvollen im Sinn haben. Darüber wollen sie hinaus, und: es gibt unter ihnen tatsächlich Begabte. Begrenzt ist jedoch die Spannbreite des Repertoires und manch wirklichem Talent haftet das Etikett „Reproduktionsmaschine“ trotzdem an, weil der Markt nichts anderes zulässt. Wie wohltuend wirkte der Kandidat, der zur eigenen Gitarre ein paar Akkorde vortrug, aus denen so etwas wie ein überzeugender melodischer Spannungsbogen übersprang, welcher unmittelbar den Fuß zum Wippen brachte. Wenn fehlende Qualität durch inszeniert wirkende Storys von „Apfelring“ lispelnden Negermädchen ersetzt wird oder die xte durchsichtige Endemol-Transentrashgeschichte jene Bizarrheit, welche die BILD-Zeitung daraus nicht eben zur Steigerung der Seriosität betroffener Transsexueller bastelt, heraufbeschwört, so liegt das nahe einer bewussten und leicht zu durchschauenden Manipulation.

In der Tat bezog sich mein vor zwei Jahren ausgesprochenes Verdikt auf Dieter Bohlen-Adepten, als ich schrieb: „Es bedurfte es Unmengen an suggestiver Beschallungskriminalität, ehe die vollends in ihrem Geschmacksempfinden verwirrte Masse kapitulierte und z.B. für einen Xavier Naidoo weich gekocht ward. Es musste schon eine gänzlich narkotisierte Öffentlichkeit hergerichtet werden, damit sie begann, „Superstars“ aus der Retorte auszugucken, die ihnen ein Medienkartell von „Kultur“funktionären, Quoten-Fetischisten, abgehalfterten Musiker-Imitatoren und taxierenden Profiteuren vorsetzte, auf dass sie zu wählen hatten zwischen Murksern und Matschern, Tonschleimlingen und Klangteppich-Verkäufern, Kitschköpfen und Trashern, inkarnierten Leidensgestalten Christis und Bulimie-Animateuren.“ Und doch ist es der Protagonist und bezahlte Transporteur des Unternehmens selbst, der die besten Einsprüche gegen diesen Wahnsinn zu formulieren vermag, ganz nach der bekannten Wahrheit, dass der Brüller von der Fußballtribüne auch nicht erfolgreich gegen den Ball getreten haben muss, um Kritik üben zu können. Doch dieser Brüller war erfolgreich, wenngleich in einem Stil, der ihn nicht zu qualifizieren scheint, ein Urteil über gute und schlechte Musik abzugeben.

Aber so einfach ist das alles nicht. Die Ambivalenz, den Fremdenführer im Potemkinschen Musikdorfes abzugeben, und den Besuchern gleichzeitig zu signalisieren, wie wacklig die Konstruktions-Bauten sind, gelingt Bohlen besser als früher. Er versteht zumindest etwas vom Geschäft, zumindest von diesem Sortiment, zumindest in diesem Dorf. Selbstverständlich hält er die Wachtürme besetzt und kontrolliert jedes Eingangstor, aber wen er durchlässt und sich dabei auch nur einen falschen Mucks erlaubt, der ist schneller draußen als er herein kam. Wie viele seiner drastischen Bemerkungen im Sinne des Dorfchefs sind, aber wie viele darüber hinweg gehen, bleibt offen. Jedenfalls könnten viele, würden sie anderswo geäußert und nicht herbei inszeniert, beinahe als tragfähige, weil zurecht niederschmetternde Kritik angesehen werden. Wenn Bohlen höhnt: „Affen können auch nicht singen, aber die probieren es auch nicht!“ Und: „Wenn ich meinem Hund eine Currywurst in den Arsch schiebe, dann macht er solche Geräusche“ dann denkt man sich oft: Das musste mal - und zwar genau so - gesagt werden.

Damit verschafft sich Bohlen nicht unbedingt Freunde. Sein flottes Mundwerk trifft den Ton genau so oft, wie er fehlt. Persönlicher Charme, beißender Spott, Dynamik, Schlagfertigkeit – aber auch Herz - lassen die Grenze zwischen Masche und Ehrlichkeit nicht klar erkennen. Wie bei allen Kulturlinken. Ist er in Wirklichkeit (noch immer) einer?

 

3 Kommentare »

  1. Bill Haley “Yodel your blues away”

    Taylor Ware: Crazy Yodeling

    Jewel - Yodeling

    Learn How To Yodel With Bonnie

    Kommentar von Campo-News — 6. Februar 2010 @ 14:45

  2. Mariandl

    Kommentar von Campo-News — 18. August 2010 @ 16:16

  3. […] Campo de Criptana » Musik-Tipp: Bally Prell Comments Off […]

    Pingback von Dieter prell | Zukies — 24. November 2011 @ 13:07

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