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21. November 2006

AMOK-KOMA

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 19:50

Untersucht man die Genealogie der Amokläufe, so vernimmt man bisweilen schon ein unterirdisches Ticken, lange, auf das man sie höre! TK 1999

Noch war es nicht Verzweifelung, die von mir Besitz ergriff, vielmehr empfand ich nichts als Wut und Rachedurst. Mit tausend Freuden hätte ich dieses Haus mitsamt seinen Bewohnern zerstören und mich an ihrem Schmerzgeheul weiden mögen! Ich war einem wilden Tier vergleichbar, das seine Fesseln gesprengt hat, und hätte alles niedertrampeln können, das sich mir in den Weg stellte. Die kalten Sterne blickten voller Hohn auf mich herab, und die kahlen Bäume winkten mir mit ihren Zweigen einen geisterhaften Gruß. Nur ab und zu wurde die vollkommene Stille durchbrochen von einem Vogelruf. Sie alle bis auf mich erfreuten sich der Ruhe oder der Zweisamkeit! Einzig ich, dem Erzfeinde gleich, trug den Höllenbrand im Busen, und da ich sehen mußte, daß keiner mit mir fühlte, war ich versucht, die Bäume auszureißen, ringsum Verheerung und Chaos anzurichten und mich hinzusetzen und mich an der Zerstörung zu weiden! Kein fühlendes Herz fand sich unter den Millionen, die das Erdenrund bevölkern, Und ich sollte meine Feinde lieben? Niemals! Und so sagte ich in diesem Augenblick der gesamten Menschheit den unversöhnlichen Kampf an.

Aus “Frankenstein“, Mary W. Shelley

Meine Brüder im Krieg! Ihr sollt mir solche sein, deren Auge immer nach einem Feind sucht - nach eurem Feinde. Und bei einigen gibt es einen Haß auf den ersten Blick. Euren Feind sollt ihr suchen, euren Krieg sollte ihr führen, - für eure Gedanken! Und wenn euer Gedanke unterliegt, so soll eure Redlichkeit darüber noch Triumph rufen! So ihr aber einen Feind habt, so vergeltet ihm nicht Böses mit Gutem…Und wenn euch geflucht wird, so gefällt es mir nicht, daß ihr dann segnen wollt…Und wenn die Strafe nicht auch ein Recht und eine Ehre ist für den Ãœbertretenden, so mag ich auch euer Strafen nicht. Ich mag eure kalte Gerechtigkeit nicht, und aus dem Auge euer Richter blickt mir immer der Henker und sein kaltes Eisen.

Friedrich Nietzsche

Und droben im Himmel saß Gott und hatte
ein wachsames Auge auf mich und sah voraus,
dass mein Untergang nach allen Regeln der Kunst
vor sich gehen würde, stetig und langsam,
ohne Verstoß gegen das Zeitmaß.
Aber im Abgrund der Hölle gingen die argen Teufel
umher und verschnauften sich vor Ungeduld, weil es
so lange dauerte, bis ich eine Kapitalsünde beging,
eine unverzeihliche Sünde, für die mich Gott
in seiner Gerechtigkeit hinabstoßen musste…

Hunger, Knut Hamsun

Der Mensch darf in einer zivilisierten Gesellschaft auf das verbriefte Recht hoffen, Recht zu bekommen, wenn er es hat. Es häufen sich jedoch in einer radikalisierten Gesellschaft Ungerechtigkeiten, anders motivierte Abstrafungen und vor allem: die Sprachlosigkeit. Letztere tritt in unterschiedlichem Gewand auf. Mal als Schweigen innerhalb der Familie, ein anderes Mal als ein Wegsehen vor offensichtlichen Problemen, sehr häufig aber wird die Kommunikation nach Anfragen, Appellen zur Stellungsnahmen usw. verweigert, obwohl dieselbe Befragten sonst stets herauskehren, sie seien kommunikativ und demokratisch. Es gibt Unrecht, dass wird bewusst von Dritten herbei geführt wird – alle schauen zu. Es gibt Unrecht, dass geschieht durch eine Gemengelage, dass das Weltall beben müsste.

Tanja Krienen (2004)

“Die Kunst ist nicht die wertvollste Lebensäußerung. Das Leben ist weit interessanter” Tristan Tzara

10 Vorwürfe an einen Amokläufer

Betrogen fühlen sich: – Der gesunde Menschenverstand – Die Justiz – Sozialarbeiter und Psychologen – Die Polizei – Die Religion – Die Psychiatrie – Die Naturwissenschaften – Die Revolutionäre – Die Vernunft – Die Versicherungen
Der Amoklaeufer handelt ohne jeglichen Zweck…
Seine Blindheit vergeht sich am Versprechen der
ausgeglichenen Schlussbilanz, setzt die Hoffnung, dass die Rechung,
anders als im Leben, im Tod aufgehen möchte.
Er erschütterte die Relation der Verhältnismäßigkeit…
Nicht umsonst verlegt die Religion die große radikale,
verhältnismäßige Abrechnung zeitlich nach dem Weltuntergang.

Der Amokläufer begegnet nur jenseitigen Lügen. Er ist beliebig wie seine Opfer, steht quer zu allen Ursache-Wirkungsketten. Der Alltag ist banal, banal wie ein Mord aus Gewinnsucht. Der Amokläufer explodiert nach allen Seiten, wartet nicht, wägt nicht ab; Ästhetik und Moral liegen nicht im Blut…Die Grenzüberschreitung ist kein Abenteuerurlaub, der Amokläufer lebt oder stirbt (so oder so) in einer hiesigen Stadt. – Das Wagnis ist total. Es geht um den Körper.

Die radikale, rapide Wendung des Amokläufers, mit der er sich aus dem Konsens und der Situation entfernt, MUSS eine Vorgeschichte haben, weil nichts und niemand frei ist solche Wandlungen zu vollziehen…(Es ist) das beunruhigende Eingeständnis, dass es eine Nachtseite gibt, die auf demselben Planeten wurzelt, ohne Sinn wie die Natur, ungebändigt zufällig und auflösend. Die Maßlosigkeit und Zweckfreiheit der Aggression hebt den Amokläufer aus seinem bisherigen Leben unwiderrufbar heraus, das nun zum Feld wird, das nach Verboten erforscht wird. Ob dabei bisweilen auch der Sinn gefunden wird, der angeblich durch die Tat gebrochen wird, bleibt unbenannt.

Natürlich ist der Amokläufer keineswegs ein Held.

Tristan Tzara (1896-1963), eigentlich Sami Rosenstock

Aus “NEHMEN SIE DADA ERNST !”

Ich verkünde die Oppositioin aller kosmischen Eigenschaften gegen die Gonorrhoe dieser faulenden Sonne, die aus den Fabriken des philosophischen Gedankens kommt, den erbitterten Kampf mit allen Mitteln des dadaistischen Ekels.

Jedes Erzeugnis des Ekels, das Negation der Familie zu werden vermag, ist Dada; Protest mit den Fäusten, seines ganzen Wesens in Zerstörungshandlung: Dada; Kenntnis aller Mittel, die bisher das schamhafte Geschlecht des bequemen Kompromisses und der Höflichkeit verwarf: Dada; Vernichtung der Logik, Tanz der Ohnmächtigen der Schöpfung: Dada; jeder Hierarchie und sozialen Formel von unseren Dienern eingesetzt: Dada; jeder Gegenstand, alle Gegenstände, die Gefühle und Dunkelheiten; die Erscheinungen und der genaue Stoß paralleler Linien sind Kampfesmittel: Dada; Vernichtung des Gedächtnisses: Dada; Vernichtung der Archäologie: Dada; Vernichtung der Propheten: Dada; Vernichtung der Zukunft: Dada; Absoluter indiskutabler Glauben an jeden Gott, den spontane Unmittelbarkeit erzeugte: Dada; eleganter, vorurteilsloser Sprung von einer Harmonie in die andere Sphäre; Flugbahn eines Wortes, das wie ein Diskurs, tönender Schrei, geschleudert ist; alle Individualitäten in ihrem Augenblickswahn achten: im ernsten, furchtsamen, schüchternen, glühenden, kraftvollen, entschiedenen, begeisterten Wahn; seine Kirche von allen unnützen, schweren Requisiten abschälen, wie eine Lichtfontäne den ungefälligen oder verliebten Gedanken ausspeien, oder ihn liebkosen - mit der lebhaften Genugtuung, daß das einerlei ist - mit derselben Intensität in der Zelle seiner Seele, insektenrein für wohlgeborenes Blut und von Erzengelkörpern übergoldet. Freiheit: Dada, Dada, Dada, aufheulen der verkrampften Farben, Verschlingung der Gegensätze und aller Widersprüche, der Grotesken und der Inkonsequenzen: Das Leben. * Tzara aus “Manifest Dada” 1918

14 Kommentare »

  1. Prinzipiell in meinem Sinne - dieses hier. Und mich wundert es immer wieder, nicht dass es Amokläufe gibt, sondern dass sie nicht öfter passieren. Monatlich in dieser Art, wöchentlich, täglich.

    Unseren täglichen Amok gib uns heute
    Und vergib uns unsere Schuld
    Wie auch wir nie vergeben unseren Schuldigern
    Und führe uns oft in Versuchung
    Und erlöse uns von dem Übel
    Erbarmen

    Kommentar von Campo-News — 5. Dezember 2006 @ 17:37

  2. Author : Campo-News
    Comment:

    Das Wort »verlassen« (Georg Kreisler)

    Irgendwo am Strand

    hat ein Querulant

    das Wort »verlassen« in den Sand geschrieben.

    Als ich es dort fand,

    fand ich es interessant

    wie klar markant und lesbar es geblieben.

    Schrieb es es und fuhr mit einem Dampfer in die Weite?

    Schrieb er es und stürzte sich ins Meer?

    Schrieb er es mit einer schönen Frau an seiner Seite?

    Oder schrieb er es zum Spaß nur nebenher??

    In der Zeitung stand

    der Hunger ist gebannt,

    die Konjunktur ist unserm Land geblieben.

    Leider hat am Strand

    irgendein Intrigant

    das Wort »verlassen« in den Sand geschrieben.

    Auch die Polizei zog keine Schlüsse und Vergleiche

    sondern ließ die Tat auf sich beruh´n.

    Wenn da frische Spuren wären oder eine Leiche

    könnte man ja irgendetwas tun…

    Aber diese Tat

    war nicht gegen den Staat,

    niemand ist tot und niemand hinterblieben.

    So bleibt vorderhand

    nur als Tatbestand

    das Wort »verlassen« in den Sand geschrieben.

    Oben von der Autostraße blickt man auf die Stelle

    wo das Wort einst war. Jetzt ist es fort.

    Längst ist es verscharrt, verwischt von Sand und Wind und Welle.

    Liebespaare stehen öfters dort…

    Und sie starren gebannt

    auf den Meeressand

    und flüstern hastig, daß sie sich noch lieben.

    Denn es hat am Strand

    eine fremde Hand

    das Wort »verlassen« in den Sand geschrieben.

    Kommentar von Recherche — 19. Dezember 2006 @ 10:53

  3. SPEI – Rassismus, Ignoranz und Anti-Psychologie

    Der gestrige Tag, der 16. April 2007, ist der vielleicht am besten dokumentierte im Leben des 23-Jährigen. An diesem Tag zückte er zwei Waffen und schoss sich durch den Campus seiner Uni. 32 Studenten und Lehrkräfte sind tot, etliche weitere verletzt. Schließlich feuerte er sich selbst in den Kopf.

    Bloß, warum? Was trieb den 23-Jährigen zum Massenmord?

    Es liegt im Wesen des Terrors, dass er sich nicht wirklich gegen die richtet, die er trifft. Es gibt Mordtaten, die zielen nicht auf ihre Opfer, sondern darauf, Angst zu säen oder eine wie auch immer geartete Botschaft zu senden. Zumindest dem Einzelgänger Cho ist das gelungen. Es gibt Typen, die brauchen für ihre Untaten sonst keine Gründe, sang Bob Geldof in “I don’t like Mondays”, einem Lied über ein Schulmassaker im Jahre 1979. Dumme Twens mit Liebeskummer nehmen vielleicht Schlaftabletten. Psychopathen mit dem irren Wunsch, “berühmt” zu werden, laufen Amok und schießen sich ins Gesicht.

    Ein Gewinner ist dieser Mörder trotzdem nicht. Er, dessen Leben so wenig Spuren hinterließ, brauchte eine Blutspur, um überhaupt bemerkt zu werden. Sie führt von einem Menschen ohne Gesicht hin zu einem Menschen ohne Gesicht.

    Kommentar von Campo-News — 17. April 2007 @ 18:59

  4. Aha, jetzt wird es schon interessanter. Gleiche Quelle, SPON:
    Herbert Scheithauer, Professor für Angewandte Entwicklungspsychologie an der Freien Universität Berlin: “Nicht selten waren die Täter auch Opfer physischer Gewalt und Demütigungen durch Gleichaltrige.” Ein detaillierteres Profil zu erfassen, daran arbeitet der Psychologe seit Jahren.

    In jedem Fall geht der Tat ein Verlusterlebnis voraus. Das kann der Verweis von der Schule bzw. der Universität sein - und damit das Ende eines Lebenstraums. Aber auch das empfundene Bloßstellen durch Lehrer oder das klassische Beziehungsdrama kann einen Menschen in den Wahn treiben, Amok zu laufen. Gerüchte, wonach Cho Seung-Hui zuerst seine Freundin erschossen habe und eine Beziehungstat das Motiv für das Massaker sei, kommentiert Scheithauer so: “Wir müssen in jedem Fall Abstand von unsrer objektiven Sichtweise nehmen. Die Sicht des Täters ist eine ganz andere.”

    Kommentar von Campo-News — 18. April 2007 @ 09:04

  5. Der “liebevollste Mensch” las Nietzsche, natürlich, was sonst?

    Kommentar von Campo-News — 18. Februar 2008 @ 19:36

  6. Oh oh

    Kommentar von Campo-News — 11. März 2009 @ 11:08

  7. Also, quasi soetwas wie ein “Ehrenmord”, der ja mindestes einmal im Quartal in deutschen Familien im Land geschieht.

    Kommentar von Campo-News — 19. März 2009 @ 17:10

  8. Ja,ja, der “heitere Himmel”, wie er sich nur für die Anwender von “Gesetzen” zeigt, während die, die es trifft, längst durch die Hölle gingen. Und dann: die Ehre.

    Kommentar von Campo-News — 7. April 2009 @ 10:56

  9. Ja ja die Araber
    In Waldeck sowieso

    Kommentar von Campo-News — 8. April 2009 @ 16:43

  10. Genau, Liam Neeson spricht aus, was manche eher als die gängigen Vorurteile zum “Amok-Läufer” werden lässt: “Aber ich sehe keinen dieser Männer als Rächer oder als Macho. Sie sind im Grunde einfach und verletzlich. Und es ist spannend das auszuspielen, was passiert, wenn man sie ihrer Sicherheitsnetze beraubt.” - http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,828698,00.html

    Kommentar von Campo-News — 22. April 2012 @ 10:58

  11. http://www.spiegel.de/panorama/justiz/muenchen-motivation-von-david-sonboly-bleibt-unklar-a-1105188.html

    Kommentar von Campo-News — 29. Juli 2016 @ 05:42

  12. Das wirft noch einmal ein anderes Licht auf die Sache und zeigt, warum diese Leute im Wesentlichen nicht hier hin gehören - http://www.focus.de/panorama/welt/im-iran-urlaub-amoklaeufer-von-muenchen-machte-vor-der-tat-mit-seinem-vater-schiessuebungen_id_5794057.html

    Kommentar von Campo-News — 5. August 2016 @ 06:34

  13. http://www.focus.de/panorama/videos/amoklauf-muenchen-vater-des-amoklaeufers-wendet-sich-an-opfer-und-berichtet-von-warnbrief_id_5847147.html

    Kommentar von Campo-News — 22. August 2016 @ 08:42

  14. https://www.achgut.com/artikel/die_falsche_entscheidung_von_uvalde

    Kommentar von Campo-News — 30. Mai 2022 @ 11:14

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