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5. Juli 2005

Harakiri mit Ansage

Abgelegt unter: Allgemein — Campo-News @ 15:02

Von Dr. Antje Vollmer

Am Freitag hat eine Mehrheit der Bundestagsabgeordneten dem Kanzler das Vertrauen entzogen. Selbst wenn der Bundespräsident, was ungewiß ist, der Auflösung des Parlaments zustimmen und selbst wenn die Klagen dagegen scheitern würde, der angestrebte Zweck – Neuwahlen - heiligt hier ganz bestimmt nicht die Mittel.

Für mich war das ein bitterer Tag. Schon am Abend der Ankündigung schien mir: das ist kein erfolgreicher Befreiungsschlag, sondern eine Kapitulation, die im Gewande des Geniestreichs daherkommt.

Der Wahlsieg für Rot-Grün ist schwer und von vielen erkämpft worden. Ich glaube nicht, daß wir das Mandat hatten, ein Viertel der uns verliehenen Handlungszeit ungenützt an den Souverän zurückzugeben.

Ja es stimmt, daß die Arbeits- und Sozialpolitik der Regierung von breiten Teilen der Bevölkerung zur Zeit nicht getragen wird. Es blieb aber ein Jahr, um für sie zu werben und Fehler zu korrigieren. Ja, es ist schwierig gegen eine Dauerblockade des Bundesrates anzuregieren. Die aber bliebe selbst bei einem erneuten Sieg von Rot-Grün bestehen. Auch waren nicht alle Chancen für eine Föderalismusreform vertan.

Sieben Jahre lang haben die Fraktionen von SPD und GRÜNEN immer für stabile Mehrheiten im Bundestag gesorgt - trotz schwierigster Entscheidungen im Einzelfall. Mehr als einmal hat Gerhard Schröder Machtworte gesprochen, um Regierungsvorhaben durchzusetzen. Nie hat er verloren. Noch in den Tagen und Wochen vor der Vertrauensfrage wurden reihenweise Anträge und Gesetze verabschiedet. Nun kündigt der Kanzler seinerseits den ihn tragenden Fraktionen die Loyalität auf und delegetimiert die ihm bisher gewährte Unterstützung als instabil.

Auch das Parlament wird beschädigt. Die Abgeordneten werden zu Schachfiguren in einer Partie herabgewürdigt, die die großen Spieler schon verloren gegeben haben. Das Grundgesetz sieht aber keine Volksabstimmung über Regierungspolitiken vor, auch nicht in indirekter Form. Und es sieht kein Selbstauflösungsrecht des Parlaments vor. Nach den aktuellen Erfahrungen bin ich erst recht dafür, dem Parlament dieses Recht endlich zuzugestehen. Ein möglicher neuer Bundestag sollte sich dieses Stück Selbstbestimmung sehr schnell geben.

Der wohl größte Schaden tritt außenpolitisch ein. So schwierig die Reformpolitik im Innern war, außenpolitisch hat die rot-grüne Bundesrepublik einen fast legendären Ruf. Manchmal denke ich, die Spannung zwischen diesem äußeren Respekt und der inneren medialen Übellaunigkeit sei für den Kanzler zur Unerträglichkeit geworden. Er kann sogar für sich die Ehrlichkeit in Anspruch nehmen, daß Rot-Grün für ihn nie die erste Option war. Für viele, die dieses Projekt getragen haben, war es eine seltene einzigartige Chance – auch angesichts der zum Konservativen neigenden Grundtendenz der deutschen Nachkriegsrepublik. Mußte das Ende derart selbstzerstörerisch inszeniert werden? Gewiß nicht. Den Schaden haben nicht nur SPD und GRÜNE. Das politische System droht insgesamt in Turbulenzen zu geraten, deren Ausgang heute noch nicht abzusehen ist.

Ein Artikel der soeben im Tagesspiegel erschien, und von Frau Dr. Vollmer dem CAMPO zur Verfügung gestellt wurde.

Dr. Antje Vollmer, Dr. phil.
Seit 1985 Mitglied der GRÃœNEN.
Mitglied des Bundestages 1983 bis 2. April 1985, 1987 bis 1990 und seit 1994, davon drei Jahre als Fraktionssprecherin; seit 10. November 1994 Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages.

5 Kommentare »

  1. Frau Dr. Vollmer schreibt:

    “Ja es stimmt, daß die Arbeits- und Sozialpolitik der Regierung von breiten Teilen der Bevölkerung zur Zeit nicht getragen wird. Es blieb aber ein Jahr, um für sie zu werben und Fehler zu korrigieren. Ja, es ist schwierig gegen eine Dauerblockade des Bundesrates anzuregieren. Die aber bliebe selbst bei einem erneuten Sieg von Rot-Grün bestehen.”

    Ja, und selbst wenn das einmal mehr in den Medien populistisch aufbereitet wird:

    Dr. Hartz und seine Gesellen haben die angekündigte 3% Steuerbelastung schon anderswo wieder ausgleichend bilanziert. Auch ein Erfolg der Rot-Grünen Selbstversorgungspolitik?

    Nur so eine Frage.

    “Dr.” hegelxx

    Kommentar von hegelxx — 5. Juli 2005 @ 15:48

  2. Berlin (ots) - Zur heutigen Vorstellung des SPD-Wahlmanifestes
    durch den Bundeskanzler und den SPD-Vorsitzenden erklärt die
    wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,
    Dagmar G. Wöhrl MdB:

    Der heutige Auftritt des noch amtierenden Bundeskanzlers mit
    seinem Parteivorsitzenden hat deutlich gemacht: Die SPD hat ihre
    minimalen Reformbemühungen zu den Akten gelegt und die „Agenda 2010“
    feierlich zu Grabe getragen. Das SPD-Wahlmanifest ist ein Dokument
    der populistischen Volksverdummung, des Rückschritts und der
    Kapitulation vor den Linken innerhalb und außerhalb der
    Sozialdemokratie. Wie die vielen Phantomversprechen zu finanzieren
    sind, erwähnen die Rekordschuldenmacher mit keinem Wort.

    Mit der Einführung einer „Reichensteuer“ für so genannte
    Besserverdiener und einer höheren Belastung großer Erbschaften
    verlegt sich die SPD auf eine Politik der Symbole, die
    finanztechnisch nichts bewirkt, sondern lediglich alte Neidkomplexe
    bedient. Auch die geplante Einführung einer „Bürgerversicherung“
    macht deutlich – es sollen lediglich immer neue Einnahmequellen
    erschlossen werden, anstatt grundlegende Strukturreformen der
    Sozialsysteme anzugehen.

    Nackter Populismus sind auch die angestrebten Verbesserungen für
    Familien wie etwa das Elterngeld für junge Eltern in der Babypause.
    Nach SPD-Plänen soll zur Finanzierung der dann anfallenden 1,5
    Milliarden Euro das Ehegatten-Splitting abgeschafft werden. Es ist
    wirklich dreist, dass die SPD mit diesem Vorschlag ein Vorhaben aus
    der Mottenkiste holt, das sie – wohl wissend um die
    verfassungsrechtliche Problematik – in ihren Regierungsjahren nie
    angepackt hat.

    Das gesamte Wahlmanifest spiegelt die Angst der SPD vor der
    drohenden Oppositionsrolle wider. Darum wird es auch keinen Erfolg
    haben, sondern im Mülleimer der Geschichte landen. Die Menschen
    spüren eben, dass die einzige Konstante von sieben Jahren rot-grüner
    Politik der Geist des Populismus ist, den dieses Wahlmanifest so
    deutlich atmet.

    Die SPD hat immer noch nicht begriffen, dass wir nur mit einer
    neuen, auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaftspolitik aus der
    gegenwärtigen Krise mit rund 5 Millionen registrierten Arbeitslosen,
    zerrütteten Staatsfinanzen, zukunftsunfähigen Sozialsystemen sowie
    einem Rekord an Unternehmensinsolvenzen herauskommen!

    CDU/CSU - Bundestagsfraktion

    Kommentar von Campo-News — 5. Juli 2005 @ 16:08

  3. Berlin (ots) - Der FDP-Bundesvorsitzende Dr. Guido Westerwelle
    erklärte heute gegenüber der “Neuen Westfälischen”
    (Mittwochs-Ausgabe) zur Absage Gerhard Schröders an eine
    Zusammenarbeit mit der PDS:

    “Wenn die SPD eine Zusammenarbeit mit der Lafontaine-PDS
    ausschließt, dann glaube ich ihr kein Wort. Wenn es für Rot-Grün-Rot
    reicht, wird Herr Schröder mit stehenden Ovationen verabschiedet und
    die linke Regierung gebildet. Wer das Programm der SPD für ein
    Programm der Mitte hält, der glaubt auch, daß Zitronenfalter Zitronen
    falten.”

    Diese Zitate sind unter Nennung der Quelle “Neue Westfälische”
    (Mittwochs-Ausgabe) frei zum Abdruck oder zur anderweitigen
    Verwendung.

    Kommentar von Campo-News — 5. Juli 2005 @ 16:10

  4. Berlin (ots) - Zum Wahlmanifest der SPD erklärt
    PDS-Bundeswahlkampfleiter Bodo Ramelow:

    Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Und dass
    nicht nur, weil die SPD in ihrer siebenjährigen Regierungspraxis das
    Gegenteil von dem getan hat, wofür sie 1998 gewählt worden ist und
    was auch jetzt wieder den Wählerinnen und Wählern schmackhaft gemacht
    werden soll. Glaubwürdigkeit sieht anders aus.

    Vor allem aber kommt das Wahlmanifest als Weichspüler für die
    Agenda 2010 daher, an deren unsozialer Grundsubstanz eben gerade
    nichts geändert werden soll. So wie die Forderung nach Angleichung
    des ALG II-Satzes in Ost und West völlig ignoriert, dass die
    Sozialverbände für eine wirklich Bedarfsdeckung der Betroffenen eine
    Erhöhung auf 412 Euro für verfassungsrechtlich notwendig erachten –
    so kann die so genannte Reichensteuer nicht verbergen, dass die
    massive Senkung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 42 Prozent den
    Staat 60 Milliarden Euro gekostet hat, die für Bildung,
    Kinderbetreuung, aber auch einen funktionierenden Sozialstaat fehlen.

    Das Festhalten an Hartz IV mit all seinen Ungerechtigkeiten und
    Ungereimtheiten macht ebenso wie die Senkung der Steuern für Konzerne
    deutlich: Die SPD bleibt die Sozialabbaupartei, die sie in den
    vergangenen Jahren gewesen ist. Das lässt sich auch nicht mit
    wolkigen Versprechen wie dem einer kostenlosen Kinderbetreuung
    kaschieren, zumal völlig im Dunkeln bleibt, wie die Kommunen in die
    Lage versetzt werden sollen, das zu finanzieren.

    Das Wahlmanifest der SPD ist ein einziger Appell an die
    Vergesslichkeit der Wählerinnen und Wähler. Doch damit haben Gerhard
    Schröder und Franz Müntefering die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

    PDS
    Hendrik Thalheim

    Kommentar von Campo-News — 5. Juli 2005 @ 16:12

  5. Gedächtnisprotokoll vom 19. Oktober 2004 über ein Gespräch mit dem oben erwähnten Hern Thalheim, Pressesprecher der P”DS”:

    Soeben führte ich ein Gespräch mit dem Pressesprecher der PDS im Karl-Liebknecht-Haus, Hendrik Thalheim.

    TK: Tanja Krienen, Magazin CAMPO de Critana, guten Tag Herr Thalheim. Gibt es inzwischen eine Presse-Erklärung zu dem Pädophilenskandal in der Partei?

    Thalheim: Dazu hat unser Bundesgeschäftführer alles gesagt.

    TK: Sie meinen im TV-Bericht?

    Thalheim: Ja.

    TK: Aber das kann doch nicht alle sein. Die Gruppe wird also weiter geduldet?

    Thalheim: Die gehört nicht zu den Strukturen der PDS.

    TK: Aber sie verwendet doch auf ihrer Website die Symbole der Partei und nennt sich “BAG in der PDS”.

    Thalheim: Ich sage dazu nichts mehr (legt auf).

    TK: Das zeigt, wie professionell die Partei mit einem Problem umgeht: professionell, offen, ehrlich und um Aufklärung bemüht

    Tanja Krienen

    Kommentar von Campo-News — 5. Juli 2005 @ 16:16

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